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Organische Chemie für Biologen - Vom Methan zu Biomolekülen
01 – Einführung in die Organische Chemie – Struktur und Bindung
Empfehlung: Kapitel 1, Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
Priv.-Doz. Dr. Stefan Immel Universität Leipzig, Wintersemester 2007/2008.
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Definition
Organische Chemie
Die Organische Chemie ist die Chemie des Kohlenstoffs und seiner Verbindungen (z.Z. >20 Mio.), im Gegensatz zur Anorganischen Chemie, die sich mit den Verbindungen aller anderen Elemente befasst. Die Trennung geht auf die historisch begründete Annahme zurück, Verbindungen der belebten und unbelebten Welt ließen sich nicht ineinander umwandeln. Die Annahme, organische Verbindungen könnten nur von lebenden Organismen hergestellt werden (Lebenskraft, vis vitalis), wurde 1828 von Friedrich Wöhler durch die Synthese von Harnstoff aus dem anorganischen Salz Ammoniumcyanat widerlegt:
(NH 4) + OCN -
>60°C
Harnstoff (urea)
Lebende Materie (Biomasse) besteht überwiegend aus organischen Molekülen: ? Kohlenhydrate (Zucker) + Lignine ? Fette (Lipide) ? Aminosäuren (Proteine und Enzyme) ? Nucleinsäuren (DNA und RNA)
Biochemie ist einfache Organische Chemie !
Relative Anteile jährlich nachwachsender Biomasse (ca. 200 Milliarden Tonnen/Jahr):
Friedrich Wöhler (1800-1882)
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Periodensystem (PSE)
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Periodensystem … und das was für uns übrig bleibt
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Aufbauprinzip des Periodensystems
Elektronenkonfiguration
Die Elektronenkonfiguration gibt die Verteilung der Elektronen in der Elektronenhülle eines Atoms auf verschiedene Energiezustände bzw. Aufenthaltsräume (Orbitale) an.
Quantenzahlen und Schalen
Der Zustand jedes Elektrons der Hülle wird nach dem Atommodell von Bohr-Sommerfeld sowie des Orbitalmodells durch vier Quantenzahlen (n, l, m, s) bestimmt. Gemäß dem Pauli-Prinzip darf der Zustand keines Paars von Elektronen eines Atoms in allen vier Quantenzahlen übereinstimmen. Das ist der Grund dafür, dass sich die Elektronen auf die verschiedenen erlaubten Zustände und damit auf die Schalen und Unterschalen verteilen. Die Hauptquantenzahlen n bilden die Schalen, die Nebenquantenzahlen l die Unterschalen. Jede Schale kann gemäß der Beschränkungen von l, m und s mit maximal 2n² Elektronen besetzt werden. Die Schalen werden aufsteigend mit K, L, M, N, O bezeichnet. Die äußerste, besetzte Schale (Valenzschale) bestimmt das chemische Verhalten eines Elements und ist daher Maßstab für die Einordnung ins Periodensystem (in den Hauptgruppen ist die Anzahl der Elektronen in der Valenzschale identisch mit der Hauptgruppennummer 1-8). Mit steigender Elektronenzahl der Elemente werden die möglichen Zustände ihrer Energie entsprechend, und bei den niedrigen Energien beginnend besetzt. Gemäß der Hund’schen Regel werden dabei die Orbitale gleicher Energie zuerst einfach (gleichgerichteter Elektronenspin), dann doppelt belegt (entgegengesetzter Spin).
Quantenzahl Zeichen Wertebereich Bezeichnung Bedeutung Hauptquantenzahl n 1, 2, 3, ... K, L, M, ... Elektronenschale Nebenquantenzahl l 0, ..., n-1 s, p, d, f, ... Unterschale = Gestalt der Orbitale Magnetische Quantenzahl Spinquantenzahl m oder ml s oder ms -l, ..., l ±½ s, px , py , pz , … up oder down Räumliche Ausrichtung der Orbitale Elektronenspin
Seite Energie
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Aufbauprinzip des Periodensystems
Notation
Die Elektronenkonfiguration eines Atoms wird durch Angabe der besetzten Unterschalen beschrieben. Der Nummer der Schale folgt dabei der Buchstabe für die Unterschale und hochgestellt die Anzahl der Elektronen in der Schale. So ergibt sich z.B. für eine mit 5 Elektronen besetzte 2. Unterschale (p-Orbitale mit l = 1) der 3. Schale (M bzw. n = 3) die Schreibweise 3p 5 . Bei mehreren Unterschalen wird die gemeinsame Schale weggelassen. Aus 2s 2 2p 3 wird 2s 2 p 3 . Eine weitere verkürzte Schreibweise erhält man, wenn man das Kürzel für das vorausgegangene Edelgas in eckige Klammern setzt und dann die Unterschalen angibt, die noch zum gewünschten Element fehlen. Diese wird wegen ihrer Kürze im Periodensystem verwendet:
Aufbauprinzip*
s-Orbitale (l = 0)
(m l = 0)
(m l = 0)
(m l = 0)
N-Schale (n = 4)
p x p y p z
p x p y p z
p-Orbitale (l = 1)
d xy d xz d yz d x2-y2 d z2
(m l = -1, 0, +1)
(m l = -1, 0, +1)
d-Orbitale (l = 2)
(m l = -2, -1, 0, +1, +2)
maximale Elektronenanzahl
M-Schale (n = 3)
L-Schale (n = 2)
K-Schale (n = 1)
18 (Ar)
8 (Ne)
2 (He)
Energie
Beispiel: Cl (OZ=17): 1s 2 2s 2 p 6 3s 2 p 5 ? [Ne] 3s 2 p 5
p x p y p z
d xy d xz d yz d x2-y2 d z2
* Die 4s-Orbitale sind liegen energetisch günstiger und werden vor den 3d-Orbitalen besetzt.
s-Orbitale (l = 0)
p x p y p z
p-Orbitale (l = 1)
d-Orbitale (l = 2)
Elektronenanzahl
M-Schale (n = 3)
1 Elektron fehlt zum Oktett!
L-Schale (n = 2)
K-Schale (n = 1)
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Aufbauprinzip des Periodensystems
Layout im Orbitalmodel
Edelgas-Elektronenkonfigurationen:
? Helium 1s 2 ? Neon [He] 2s 2 p 6 ? Argon [Ne] 3s 2 p 6 ? Krypton [Ar] 4s 2 3d 10 4p 6 ? Xenon [Kr] 5s 2 4d 10 5p 6
Beispiele (Elemente der Organischen Chemie):
Energie
2p x 2p y 2p z
2p x 2p y 2p z
2p x 2p y 2p z
2p x 2p y 2p z
10Ne
2p x 2p y 2p z
1 6 7 8 9 10 Gesamtzahl der (abgeschlossen) Elektronen = OZ 1 4 5 6 7 0 Anzahl der Valenzelektronen 1 4 3 2 1 0 fehlende Elektronen zum Abschluss
Abb.: © Clayden/Warren, Oxford Univ. Press, 2000.
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Chemische Bindung
Einführung
Atome bilden chemische Bindungen aus, um energetisch stabilere Elektronenkonfigurationen (“Edelgas- Konfigurationen”, Oktettregel, siehe unten) zu erlangen, z.B.:
2 Elektronen für Wasserstoff (H), abgeschlossene K-Schale (? Helium) 8 Elektronen für Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Sauerstoff (O) (? Elektronenoktett von Ne)
Grundlagen
Die Pauling’schen Elektronegativitäten* der Elemente bestimmen die Tendenz Elektronen anzuziehen oder aufzunehmen (elektronegative Elemente ? nächst höhere Edelgaskonfiguration) bzw. abzugeben (elektropositive Elemente ? nächst niedrigere Edelgaskonfiguration).
Man unterscheidet folgende Bindungstypen: ? Metall-Bindung ? Ionen-Bindung ? Kovalente Bindungen
Li 1.0
Na 0.9
K 0.8
Elektronegativitäten einiger Elemente (Pauling EN; Referenz F = 4.0)
Be 1.6
Mg 1.3
B 2.0
Al 1.6
abfallend
elektropositiv
Si 1.9
Quelle: Vollhardt, Schore
P 2.2
ansteigend
* Zahlenwerte können je nach Referenz leicht variieren.
S 2.6
elektronegativ
F 4.0
Cl 3.2
Br 3.0
I 2.7
Linus Pauling (1901-1994) Nobelpreis Chemie 1954, Friedensnobelpreis 1962.
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Chemische Bindung
1. Metall-Bindung
Abgabe aller äußeren Valenzelektronen (Na, K: 1e - , Mg, Ca: 2e - , usw.) in das Kristallgitter der Metalle (? elektrisch leitfähiges Elektronengas, metallischer Glanz), für elektropositive Elemente (Metalle) und deren Kombinationen (Legierungen):
2. Ionen-Bindung
Na Na Na
Dampf Na Metall
Na Na Na
Vollständige Übertragung von Valenzelektronen von stark elektropositiven auf stark elektronegative Elemente (Salz- Bildung zwischen Elementen der linken und rechten Seite des Periodensystems) ? Coulomb Wechselwirkung:
Gruppe I 1 Valenz-e
Gruppe VII 7 Valenz-e
?H > 0 ?H << 0 Li F
He-Schale Ne-Schale 0 Valenz-e 8 Valenz-e
Analog können auch mehrere Elektronen gleichzeitig übertragen werden:
Li F Li
F Li
Na 2 O = 2 Na + + O 2- (Natriumoxid); CaO = Ca 2+ + O 2- (Calciumoxid); K 3 N = 3 K + + N 3- (Kaliumnitrid).
Salzgitter
Speziell: Salze komplexer Ionen: NaOH = Na + + HO - (Natriumhydroxid); metallische Hydride: KH = K + + H - (Kaliumhydrid)
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Chemische Bindung
3. Kovalente Bindung
Elemente mittlerer Elektronegativität in der Mitte des Periodensystems zeigen geringe Tendenz zur Ausbildung ionischer Bindungen, da zu viele Elektronen abgegeben bzw. aufgenommen werden müssten um eine stabile Edelgaskonfiguration zu erlangen:
steigende Coulomb-Anziehung verhindert die Abgabe von Elektronen
He-Konfiguration Ne-Konfiguration
steigende Coulomb-Abstoßung verhindert die Aufnahme von Elektronen
Analoges gilt für Bindungen zwischen gleichartigen Atomen (homonukleare Bindungen); insbesondere für Wasserstoff gilt, das ein nackter Kern (H + = Proton) der nach Abgabe des einzigen Elektrons zurückbleiben würde, in kondensierter Phase nicht existent ist. Ausweg: Elektronen werden unter Ausbildung kovalenter Elektronenpaar- Bindungen geteilt (gepaart):
gemeinsames (bindendes) Elektronenpaar
F + F F F oder: F F
kurz:
jeweils 2 Elektronen in der Umgebung jedes H-Atoms ? He-Konfiguration
freie (nicht bindende) Elektronenpaare
jeweils 8 Elektronen in der Umgebung jedes F-Atoms ? Ne-Konfiguration
Atome werden durch die entsprechenden Atomsymbole markiert, Elektronen werden grundsätzlich als Punkte gekennzeichnet (Lewis-Elektronen-Punkt-Formeln). In den vereinfachten Lewis-Formeln (oder Kekulé-Formeln) schreibt man gepaarte (bindende und freie) Elektronen als Striche (einzelne Elektronen immer noch als Punkt!); oft werden freie Elektronenpaare gar nicht angegeben wenn ihre Anwesenheit implizit erkennbar ist und sie keine besondere Rolle spielen (z.B. in Reaktionsmechanismen).
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Chemische Bindung – Kovalente Bindungen
Vereinfachte Lewis- oder Kekulé-Formeln
Bei der Abbildung von Lewis-Formeln werden nur die Valenzelektronen der äußeren Schale berücksichtigt, da die inneren Schalen und die darin enthaltenen Elektronen (z.B. das voll besetzte 1s 2 Orbital des Kohlenstoffs) für die Chemie sehr selten von Bedeutung sind:
Regeln zum Zeichnen von Formeln
1. Zeichnung des Molekülgerüstes mit korrekten Atompositionen (siehe oben CH4 , nicht H H C H H) unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Valenzelektronen (z.B. H = 1e- , C = 4e- , O = 6e- , usw.). Unter Umständen müssen je nach Gesamtladung des Moleküls Elektronen entfernt (positive Gesamtladung, Kationen) oder zusätzlich hinzugefügt (negative Gesamtladung, Anionen) werden. 2. Alle Bindungen werden mit 2-Elektronen-Strichen (Einfachbindungen) markiert, so dass sich die maximal mögliche Anzahl von Oktett-Konfigurationen für alle Atome ergibt (8 Außenelektronen, Ausnahme: H mit 2 Elektronen; siehe Beispiel CH4 ). 3. Unter Umständen müssen Mehrfachbindungen unter Verwendung ungepaarter Elektronen oder freier 4. Elektronenpaare gebildet werden (maximal zwei Doppelbindungen oder eine Dreifachbindung pro Atom, siehe unten, Beispiele C2H4 und C2H2 ; außer H: nur Einfachbindungen). Allen Atomen muss die korrekte Formalladung zugewiesen werden; durch den Zwang der Oktettregel können sich z.B. auch positive Ladungen an elektronegativen Atomen ergeben!
NH 3
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Chemische Bindung – Kovalente Bindungen
Beispiele
Anmerkung: Alle C-Atome weisen Oktett-Konfigurationen auf, aber Doppel- und Dreifachbindungen entsprechen chemisch nicht der entsprechenden Anzahl an Einfachbindungen, sondern zeigen durchaus sehr verschiedene Reaktivitäten (siehe unten)!
Stickstoff
CO 2
Kohlendioxid
Kohlenmonoxid
Ausgangssituation vollständige Formel Kurzform H H Summenformel H H
Formaldehyd
Essigsäure
HCO 3 -
Hydrogencarbonat
HNO 3
Salpetersäure
Name Bindungsordnung
Ethan
C-C-Einfachbindung
Ethen
C-C-Doppelbindung
Ethin
C-C-Dreifachbindung
HNO 2
Salpetrigesäure
NO 2 -
Nitrit
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Chemische Bindung – Kovalente Bindungen
Ausnahmen von der Oktettregel
Radikale (ungerade Elektronenanzahl)
Methyl-Radikal
Stickstoffmonoxid
Sauerstoff
Elektronenmangel-Verbindungen
BH 3
Boran
BeH 2
Berylliumhydrid
Oktett-Erweiterung
HPO 4 2-
Hydrogenphosphat
1. Moleküle mit ungerader Elektronenanzahl müssen ungepaarte Elektronen aufweisen (? Radikale). 2. Frühe Elemente der 2. Periode (d.h. der 1. Achterperiode, insbesondere Li, Be, B) besitzen zu wenige Elektronen, um Oktettkonfiguration erreichen zu können, sie bilden reaktive Verbindungen mit 6 (Sextett) oder 4 (Quartett) Außenelektronen (? Elektronenmangel-Verbindungen). 3. Elemente jenseits der 2. Periode (insbesondere Schwefel und Phosphor) können unter Oktett-Erweiterung auch 10 oder 12 Valenzelektronen aufnehmen (? Besetzung von freien d-Orbitalen). Anmerkung: Elemente der 2. Periode (insbesondere C, N, O, F) besitzen diese Möglichkeit der Erweiterung nicht (die 2. Schale mit n = 2 kann maximal 8 Elektronen aufnehmen), hier muss die Oktettregel als Maximum exakt beachtet werden; H kann generell nur 2 Elektronen aufnehmen.
Spezialfall
Sauerstoff
nicht: O O hochreaktive Spezies!
Singulett-Sauerstoff
Schwefelsäure
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Oktettregel, Formalladungen und Oxidationszahlen
Abzählen der Oktettregel
Für jedes Atom wird die Summe aller Elektronen bestimmt (freie, nicht-bindende und gemeinsame Elektronen werden addiert), die Summe sollte nach der Oktettregel 8 betragen (Ausnahme: H ? 2 Elektronen). Elektronen in Bindungen werden für beide Bindungspartner (doppelt) gezählt.
Bestimmung der Formalladungen
Ausgehend von der Lewis-Formel werden alle Bindungen eines Moleküls homolytisch gespalten (d.h. alle Bindungen werden zu gleichen Teilen auf die jeweiligen Bindungspartner aufgeteilt, freie Elektronenpaare verbleiben an den zugehörigen Atomen). Für die resultierenden Einzelatome werden die Formalladungen durch Vergleich mit der Anzahl der Valenzelektronen der ungeladenen Atome bestimmt (? Periodensystem, Gruppenzugehörigkeit der Elemente). Die Summe aller Formalladungen muss der Gesamtladung des Moleküls entsprechen.
HCO 3 -
Hydrogencarbonat
homolytischer Bindungsbruch
Oktettregel erfüllt für alle Atome C, N und O
Formalladungen
HCO 3 -
Hydrogencarbonat
HNO 3
Salpetersäure
Anmerkung: Nicht explizit angegebene freie Eletronenpaare sind vor jeder Bestimmung der Oktettregel, Formalladung oder der Oxidationszahlen zu ergänzen!
HNO 3
-Ladung -Ladung Salpetersäure Gesamtladung = -1 Gesamtladung = (-1) + (+1) = 0
homolytischer Bindungsbruch
Formalladungen
-Ladung
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Oktettregel, Formalladungen und Oxidationszahlen
Bestimmung von Oxidationszahlen
Formaldehyd
heterolytischer Bindungsbruch
Oxidationszahlen Oxidationszahlen
homolytischer Bindungsbruch
Essigsäure
heterolytischer Bindungsbruch
Die angegebenen Oxidationszahlen ergeben sich durch Vergleich mit den Elementen (H: 1, C: 4; O: 6 Valenzelektronen)
Ausgehend von der Lewis-Formel werden alle Bindungen eines Moleküls heterolytisch gespalten (d.h. alle Bindungen werden nur dem jeweils elektronegativeren Bindungspartner zugeordnet, Bindungen zwischen gleichen Atomen werden homolytisch (gleichmäßig) verteilt, freie Elektronenpaare verbleiben an den zugehörigen Atomen). Analog zur Bestimmung der Formalladungen ergeben sich hieraus die Oxidationszahlen durch Vergleich mit den Elementen. Die Summe aller Oxidationszahlen muss der Gesamtladung des Moleküls entsprechen (analog zu den Formalladungen); Formalladungen und Oxidationszahlen müssen aber nicht übereinstimmen. Zu beachten ist der Unterschied beider Kohlenstoffatome von Essigsäure bezüglich ihrer Oxidationszahlen!
Anmerkung
Die Formalladungen die sich aus den Lewis-Formeln ergeben, zeigen die Polarität eines Moleküls an, und geben damit wichtige Hinweise auf dessen Reaktivität (Nucleophilie oder Elektrophilie). Die Oxidationszahlen spielen eine wichtige Rolle bei der Interpretation von Reaktionsmechanismen (Oxidationen und Reduktionen, Elektronenübertragungen). Für Kohlenstoff variieren die Oxidationszahlen zwischen -4 (CH4 ) und +4 (CO2 ), und zeigen damit “direkt” die Oxidationsstufe eines C-Atoms an.
Anmerkung: Die Regeln gelten für H, C, N, O, und Halogene. Bei C-S und C-P Bindungen wird der Schwefel bzw. Phosphor als der „elektronegativere“ Partner interpretiert.
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Oktettregel, Formalladungen und Oxidationszahlen
Beispiele von Oxidationszahlen
Die Ordnung von Substanzklassen nach Oxidationszahlen erlaubt die rasche Klassifizierung von Strukturen die sich ohne Verwendung von Oxidations- oder Reduktionsmitteln ineinander überführen lassen (z.B. durch Hydrolyse), jeder Anstieg (Abfall) der Oxidationsstufe deutet auf eine durchzuführende Oxidation (Reduktion) hin:
Oxidation
Reduktion
Methan
Methanol
Formaldehyd
Ameisensäure
Kohlendioxid
Alkane
R C OH
Alkohol
R C H
Aldehyd
R C O
Ether
R C H
Acetal
R C NH2 R Amin C F R C Cl R Alkylhalogenid C R R Br C C H Alken
R C O
Carbonsäure
R C O
Ester
R C H
Imin
HO C OH
Kohlensäure
RO C OR
Kohlensäureester
Oxidationszahlen für die markierten C-Atome
R C NH 2
Amid
Harnstoff
R C H R C H
Alkyldihalogenide
R C F R C Cl
Carbonsäurehalogenid
R C H
Cl C Cl
Phosgen
R = Alkylrest (z.B. -CH 3) Oxidationszahlen (fett) Substanzklassen (kursiv) Substanzen (normal)
R C Br
Wenn mir jemand verraten könnte wie man diesen verfluchten Office-Assistenten abstellt, der mir die Zwischenablage immer in „Times New Roman“, Schriftgröße 24 einfügt wäre ich dankbar!
Nitril
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Induktiver Effekt und Polarisation
Unpolare Bindungen
Kovalente Bindungen zwischen Elementen ähnlicher Elektronegativität sind unpolar, d.h. die gemeinsamen Bindungselektronen tendieren weder zu dem einen, noch zu dem anderen Bindungspartner (C-C und C-H Bindungen):
Butan
Polare Bindungen
H2O Wasser H O H d d C2H6O d Ethanol C O H d Zwischen Atomen stark unterschiedlicher Elektronegativität bilden sich polare Bindungen aus, die Elektronen halten sich bevorzugt in der Nähe des elektronegativeren Bindungspartners auf. Durch diesen induktiven Effekt erhalten die gebundenen Atome eine positive bzw. negative Partialladung. Der induktive Effekt kann sich über mehr als eine Bindung auch auf weiter entfernte Nachbarpositionen auswirken, jedoch nimmt der Effekt mit steigender Entfernung rasch ab. H H H H H d C4H9F d d C d H C C C C F H Fluor-butan H H H H H H H
Moleküle verhalten sich wie Dipole (? hoher Siedepunkt!)
Cyclohexan
rasche Abnahme des induktiven Effekts
Die Polarisation von Bindungen bestimmt die Reaktivität vieler Moleküle und funktioneller Gruppen. Der induktive Effekt kann durch den mesomeren Effekt verstärkt, abgeschwächt, oder vollständig umgekehrt werden (siehe unten, Beispiel Kohlenmonoxid CO). Reaktionsmechanismen lassen sich häufig als Wechselspiel zwischen induktiven und mesomeren Effekt interpretieren, Enzyme nutzen beide Effekte um Reaktionen zu katalysieren.
Benzol
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Resonanzformeln und Mesomerie
Resonanzformeln
CO 3 2-
Carbonat
analog:
PO 4 3-
Phosphat
SO 4 2-
Sulfat
Gleichgewichtspfeil Reaktionspfeil Mesomeriepfeil
In vielen Fällen können für Moleküle oder reaktive Zwischenstufen gleichwertige Lewis-Formeln (Resonanzformeln) aufgestellt werden. Strukturen, die sich ausschließlich durch Verschiebung von einzelnen Elektronen oder Elektronenpaaren ineinander überführen lassen (mesomere Grenzstrukturen), während das Grundgerüst des Moleküls unverändert erhalten bleibt (Positionen der Atomkerne), tragen zu einer Stabilisierung des Systems durch Mesomerie bei.
Zu beachten ist, dass in den oben gezeigten Beispielen alle Grenzformeln exakt äquivalent sind. Mesomere Formeln sind experimentell nicht unterscheidbar, die Realität ergibt sich durch gewichtete Überlagerung aller Formulierungen (Carbonat: 2 negative Ladungen verteilen sich gleichmäßig auf 3 Sauerstoffatome, so dass sich in der Summe eine Partialladung von -2/3 ergibt). Gleiches gilt für die Bindungslängen (alle C-O Bindungen sind in der Realität gleich lang). Keine Formel beschreibt das System alleine, nur eine Kombination kann die Realität beschreiben.* Achtung: Mesomere Formeln werden mit einem Doppelpfeil (?) gekennzeichnet, der sich vom Reaktionspfeil (?) oder dem Gleichgewichtspfeil zwischen unterscheidbaren Strukturen unterscheidet! Die Verschiebungsrichtung von Elektronenpaaren wird durch gebogene Pfeile mit Doppelspitze angezeigt (einzelne Elektronen: einfache Spitze). Da der Verlauf aller chemischen Reaktionen durch die Stabilisierung (oder Destabilisierung) von Zwischenstufen beeinflusst wird, ist das Konzept der Mesomerie von grundlegender Bedeutung bei der Interpretation von Reaktionsmechanismen.
* Prinzipiell spiegelt das Konzept der Mesomerie die Unzulänglichkeit wieder, die Quantenwelt der Atome und Moleküle mit einfachen Strichformeln darstellen zu wollen.
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Resonanzformeln und Mesomerie
Regeln zu Resonanzformeln
Nicht in allen Fällen sind Mesomere Strukturen exakt identisch, sondern tragen mit unterschiedlicher Bedeutung zur Beschreibung einer chemischen Struktur bei. Mit folgenden Regeln lässt sich die Relevanz von Resonanzstrukturen qualitativ abschätzen (in fallender Priorität): 1. Strukturen mit maximaler Anzahl von Elektronenoktetts (gegenüber z.B. Sextetts) sind bevorzugt. 2. Strukturen mit möglichst geringer Ladungstrennung sind bevorzugt; Ladungstrennung kann aber durch die Oktettregel erzwungen werden. 3. Bei Strukturen mit unterschiedlicher Ladungsverteilung sind negative Ladungen an elektronegativen Atomen bevorzugt, und positive Ladungen an elektropositiven Positionen.
Kohlenmonoxid
Stickstoffmonoxid
Distickstoffoxid
Oktett Sextett
keine Formalladung Ladungstrennung
Negative Ladung Negative Ladung
abnehmende Bedeutung der Grenzstrukturen
Oktettregel erzwingt Ladungstrennung
"Ungünstige" Ladungstrennung
Negative Ladung bevorzugt am elektronegativeren Sauerstoff
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Vereinfachte Formelschreibweisen
Chemische Strukturformeln
Ein paar Regeln zur effizienten und übersichtlichen Darstellung von chemischen Strukturen: 1. Wasserstoffatome und freie Elektronenpaare können weggelassen werden, wenn sie keine besondere Bedeutung haben und implizit erkennbar sind (Heteroatome außer C und H, sowie Ladungen und einzelne Elektronen werden immer gekennzeichnet). 2. Kohlenstoff-Ketten und Ringe werden durch Zick-Zack-Linien und n-Ecke dargestellt. 3. Funktionelle Gruppen können „zusammengefasst“ und abgekürzt werden, wobei die Gesamtladung angegeben werden muss.
C4H10 Butan
Essigsäure
Glycerin
Cyclohexan
= HO OH
Benzol
Glucose
Funktionelle Gruppen mit Angabe der Gesamtladung:
= -OH
Alkohol
= -COO -
Carboxylat
HO HO
= -NO 2
Nitro
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Vereinfachte Formelschreibweisen
Die Anzahl der gebundenen H-Atome ist erkennbar, da Kohlenstoff immer 4 Bindungen hat:
C3H8 Propan C C H H = H C H H H H H
Anion
C3H6 Propen C C = H C H H H H
Gegebenenfalls müssen Ladungen (Anionen und Kationen) und Radikale mit berücksichtigt werden (Ersatz von je einem Wasserstoffatom):
Kation
Radikal
Propin
Spezialfall:
Carben
= H C C C
In den vereinfachten Formelschreibweisen sind funktionelle Gruppen,* die die Reaktivität und Eigenschaften der Moleküle charakteristisch bestimmen, eindeutig und schnell vom Kohlenstoff-Grundgerüst zu unterscheiden:
Zur Veranschaulichung von Strukturen wird nachdrücklich die Verwendung eines Molekül- Baukastens empfohlen! Dies gilt vor allem für die Kapitel der Stereochemie (Konformation und Konfiguration).
NH 2
C-Gerüst
Funktionelle Gruppen
Aminosäure Lysin
* Funktionelle Gruppen und die daraus abgeleiteten Stoffklassen bilden die Grundlage der Unterteilung der Organischen Chemie und der Einteilung vieler Lehrbücher in Kapitel.
NH 2
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Vereinfachte Formelschreibweisen
Insbesondere komplexe Naturstoffe lassen sich nur mit vereinfachten Formeln übersichtlich darstellen (zu beachten sind die weggelassenen freien Elektronenpaare):
Strychnin Alkaloid
Funktionelle Gruppe
Sehr große oder komplexe Moleküle werden mit noch weitgehenderen Vereinfachungen dargestellt (Bandmodelle von Proteinen und Enzymen):
2.82
2.95
2.70
3.14
2.30
2.96
2.93
2.96
3.02
1.43
3.09
2.95 + 3.34
Kohlenstoffgrundgerüst 2.91
Brevetoxin B "Red Tide" Neurotoxin
H3C O
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Molekülmodelle
Häufig werden perspektivische Formelzeichnungen oder Molekülmodelle zur Verdeutlichung der drei-dimensionalen Struktur von Molekülen verwendet:
Saccharose (Haushaltszucker):
HO HO
Formel Kugel-Stab-Modell Corey-Pauling-Koltum (CPK) Modell
Tryptophan (Aminosäure):
NH 2
Oberflächenmodell (aufgeschnitten)
Oberflächenmodell (geschlossen)
Computermodelle können nicht die nachdrücklich empfohlene Verwendung eines Molekülbaukastens ersetzten!
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Quantenchemische Modelle und Atomorbitale
Welle-Teilchen Dualismus
Unter dem Welle-Teilchen-Dualismus versteht man einen klassischen Erklärungsansatz der Quantenmechanik, der besagt, dass Objekte aus der Quantenwelt sich in manchen Fällen nur als Wellen, in anderen als Teilchen behandeln lassen. Elektronen lassen sich demnach als Wellen beschreiben, die nicht auf festen Bahnen (klassisches Teilchen- Modell), sondern als drei-dimensionale stehende Wellen (Quantenchemisches Modell) den Atomkern umkreisen. Die dazugehörende Wellenfunktion ? hat ein (willkürliches) Vorzeichen* (Phase) und ist experimentell nicht messbar. Die aus der Wellenfunktion abgeleitete Elektronendichte s ist proportional zu ?2 (und damit unabhängig vom Vorzeichen von ?) und messbar. An den Knoten (Nulldurchgänge von ?; 1D Welle: Knotenpunkte, 3D: Knotenflächen) ist die Elektronendichte gleich Null. Je mehr Knotenebenen eine Wellenfunktion aufweist, desto energiereicher ist der dazugehörende Zustand.
Wellenfunktionen (d.h. Atomorbitale) können in Phase (gleiches Vorzeichen) überlappen und sich dabei verstärken („anziehende Wechselwirkung“ Stabilisierung). Die gegen-phasige Wechselwirkung (Überlagerung) führt zu Auslöschung (Abstoßung, Destabilisierung).
Abb.: © Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
* Das absolute Vorzeichen ist bedeutungslos, nur relative Vergleichswerte sind von Interesse.
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Atomorbitale
Orbitalmodelle
Ausführliche Informationen zur Atomorbitalen: http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/hydrogenic.html
Atomorbitale beschreiben drei-dimensionale, aus der Wellenfunktion abgeleitete Volumina, innerhalb derer sich Elektronen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit aufhalten. Orbitale selbst sind experimentell nicht zugänglich, allerdings ist die hieraus resultierende Elektronendichte direkt messbar (z.B. durch Röntgenbeugung).
s-Orbitale
(Kugel-förmig)
p-Orbitale
(Hantel-förmig)
d-Orbitale
(Kleeblatt-förmig)
1s 2s 3s
2p x 2p y 2p z
Die gezeigten Orbitale stellen die räumlichen Bereiche dar, innerhalb der die Elektronen mit 90%-iger Wahrscheinlichkeit anzutreffen sind; die gelben und blauen Farben der Orbitallappen zeigen die unterschiedlichen Vorzeichen der Wellenfunktion an, die orange-farbenen Ebenen bezeichnen die Knotenflächen (Nulldurchgänge der Wellenfunktion bzw. Nulllinie der Elektronendichte) der Orbitale.
3d xy 3d xz 3d yz 3d x2-y2 3d z2
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Atomorbitale
Eigenschaften der Atomorbitale
Ausführliche Informationen zur Molekülorbitalen: http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/molecular.html
Die Eigenschaften von Atomorbitalen werden durch Haupt- (Orbitalenergie), Neben- (Orbitalgestalt) , magnetische (räumliche Ausrichtung) und Spin-Quantenzahlen (up oder down) beschrieben (siehe vorne). s-Orbitale sind energieärmer als p- oder d-Orbitale der gleichen Schale (z.B. 2s günstiger als 2p). Die 2p x , 2p y , und 2p z Orbitale besitzen gleiche Energie (entartete Orbitale) und unterscheiden sich nur in der räumlichen Ausrichtung (jeweils paarweise senkrecht zueinander); gleiches gilt für die d-Orbitale.
1s-Orbital 2s-Orbital 2p-Orbitale
Chemische (kovalente) Bindungen (Molekülorbitale, MO) werden durch Überlappung von Atomorbitalen (AO) gebildet („Linear Combination of Atomic Orbitals“, LCAO). Je nach Vorzeichen der Wellenfunktion ? kann dies konstruktiv (Addition, stabilisierend, in Phase) oder destruktiv erfolgen (Subtraktion, destabilisierend, gegen-phasig).
Dabei gilt: ? N Atomorbitale (AO) ergeben N Molekülorbitale (MO). ? Addition ergibt bindende, Subtraktion anti-bindende MOs. ? Bindende MOs sind energetisch günstiger als anti-bindende. ? Die Elektronen der Atome werden in die MOs „einsortiert“ (max. 2 Elektronen pro Molekülorbital, Füllschema mit steigender Energie). Für Wasserstoff (H2 ) ergibt sich das nebenstehende Bild:
Abb.: © Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
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Molekülorbitale
Linear Combination of Atomic Orbitals (LCAO)
* Tatsächlich ist die Destabilisierung größer als die Stabilisierung, da neben der MO Bildung noch die Kern-Kern- und Elektron-Elektron-Abstoßung wirksam ist.
Die Überlappung von zwei s-Orbitalen führt dem unten abgebildeten Schema. Aus 2 AOs resultieren 2 MOs. Für H 2 sind diese mit insgesamt 2 Elektronen zu besetzen (je 1 Elektron von jedem H-Atom), das Energieschema unten zeigt das der resultierende Energiegewinn (2?E) für die Stabilisierung des Moleküls (Bindungsenergie) verantwortlich ist.
1s - 1s = anti-bindend
1s + 1s = bindend
Im Fall des (hypothetischen) Helium-Moleküls He 2 sind 4 Elektronen (je 2 von jedem He) auf die MOs zu verteilen, damit müssen beide MOs (bindend und anti-bindend) besetzt werden, die Stabilisierung wird damit durch die Destabilisierung kompensiert.* He 2 ist kein stabiles Molekül und unbekannt.
Das bindende MO von H 2 ist das energetisch höchst-liegende besetzte MO (im Fall von H 2 sogar das einzige besetzte MO), und bekommt die Bezeichnung „Highest Occupied Molecular Orbital“ (HOMO), während das anti-bindende MO das „Lowest Unoccupied Molecular Orbital“ (LUMO) darstellt. Diese HOMO und LUMO Grenzorbitale bestimmen maßgeblich die Chemie und das Reaktionsverhalten von Molekülen.
Abb.: © Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
He 2
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Kombinationen von Orbitalen und Bindungstypen
„Erlaubte“ Orbitalüberlappungen
s-Bindungen
p-Bindungen
d-Bindungen
Rotationssymmetrie (frei drehbare Bindung)
Bindungsachse (Elektronendichte s ? 0 zwischen den Kernen)
keine Rotationssymmetrie (Vorzeichenwechsel von ?)
keine Elektronendichte zwischen den Kernen oder entlang der Bindungsachse, keine Drehbarkeit der Bindung
analog:
Orbitalüberlappung oberund unterhalb der Knotenebene
Knotenebene (Elektronendichte s = 0)
s + p p + p
analog:
Orbitalüberlappung durch Stapelung der d-Orbitale
2 zueinander senkrechte Knotenebenen
* Die schematischen Abbildungen lassen keine Aussage über Bindungslängen zu!
p + d
d + d
d-Bindungen nur zwischen Übergangsmetallen
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Kombinationen von Orbitalen und Bindungstypen
„Verbotene“ Orbitalüberlappungen
attraktive Überlappung
repulsive Wechselwirkung
keine Bindungsbildung p
Nur die Überlappung zwischen Atomorbitalen „passender“ Symmetrie für zur Ausbildung von stabilen Bindungen. Die qualitative Betrachtung von Orbitalen ist von herausragender Bedeutung für die Beurteilung von Stabilität und Reaktivität von sehr vielen chemischen Verbindungen. Insbesondere im Fall von Resonanzstrukturen und mesomeren Formeln muss immer geprüft werden, ob eine Orbitalüberlappung möglich ist und ob diese auch zu einer Stabilisierung (oder Destabilisierung) beitragen kann. Eine Vielzahl chemischer Reaktionen lässt sich überdies ausschließlich durch Betrachtung von Orbitalsymmetrien verstehen.
Konstruktion von Molekülorbitalen
Molekülorbitale ergeben sich aus der linearen Kombination von AOs (LCAO, N Kombinationen von AOs ergeben N MOs). Dass dies schnell kompliziert werden kann, zeigen die Beispiele Methan und Ethan.
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Molekülorbitale
Methan und Ethan
Der vollständige (physikalisch exakte) Satz von besetzten MOs für Methan (unten) und Ethan (rechts) kann aus den AOs der beteiligten Wasserstoff und Kohlenstoffatome konstruiert werden (man beachte die Entartung verschiedener Orbitale gleicher Energie; die Schemata sind konsistent mit Orbitalenergien, die mittels Photo- Elektronen-Spektroskopie gemessen werden können):
valence orbitals
no node
core orbital
1s 2s
Eine wesentlich einfachere (physikalisch nicht ganz exakte, aber in der Praxis der OC meist völlig ausreichende) Methode die Bindungssituation in Molekülen abzuschätzen bietet das Konzept der Hybridisierung (Mischung von AOs durch Linearkombination).
(7a) p'z 2 nodes
(5a) pz no node
core orbitals
Ausführliche Informationen zur Molekülorbitalen, Graphiken + 3D Bilder: http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/molecular.html
1 node
valence orbitals
2p z
2p z
s' s
(7b) p'y C
(5b) py C
2p x
2p y
2p y
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Hybridisierung
sp 3 -Orbitale
Energie
„exakte“ Orbitalmodelle:
Methan
2p x 2p y 2p z
6C (4 Valenzelektronen)
?E > 0 LCAO 2px 2py 2pz 2s
Grundzustand sp 3-Hybridorbitale
sp 3
Abb.: © Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
Promotion Hybridisierung
+ 4 H
109,47°
sp 3
s p z sp 3 *
* Explosionsplot – Der Übersichtlichkeit halber wurden die AOs vom Ursprung auseinander gezogen. http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/hybrid/2sp3.html
4 C-H s-Bindungen perspektivische Formel
Molekülgeometrie:
Bindungswinkel
Tetraeder 4 gleichwertige C-H Bindungen 109.47°
LCAO
Orbitallappen kleiner großer
vier sp 3-Orbitale
(gezeigt ist nur ein Hybrid-Orbital)
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Hybridisierung
sp 2 -Orbitale
Energie
2p x 2p y 2p z
Grundzustand
5B (3 Valenzelektronen)
„exakte“ Orbitalmodelle:
Boran (Borhydrid)
sp 2
Promotion Hybridisierung
?E > 0 LCAO 2px 2py 2pz + 3 H
Das verbleibende "leere" p z-Orbital steht senkrecht auf der BH 3-Ebene
Abb.: © Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
120°
sp 2
2p z
sp 2-Hybridorbitale
+ ein leeres p z-Orbital
3 B-H s-Bindungen
LCAO
s sp 2 *
Molekülgeometrie:
Bindungswinkel
Orbitallappen kleiner großer
drei sp 2-Orbitale
* Explosionsplot – Der Übersichtlichkeit halber wurden die AOs vom Ursprung auseinander gezogen. http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/hybrid/2sp2.html
Sextett
trigonal-planar 3 gleichwertige B-H Bindungen 120°
(gezeigt ist nur ein Hybrid-Orbital)
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Hybridisierung
sp-Orbitale
Energie
2p x 2p y 2p z
Grundzustand
4Be (2 Valenzelektronen)
„exakte“ Orbitalmodelle:
Beryllan (Berylliumhydrid)
Promotion Hybridisierung
?E > 0 LCAO 2px 2py 2pz + 2 H
180°
Die verbleibenden "leeren" p y- und p z-Orbitale stehen senkrecht auf der BeH 2-Bindungsachse
Abb.: © Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
2p y 2p z
sp-Hybridorbitale
+ ein leeres p y + p z-Orbital
2 Be-H s-Bindungen Quartett
Molekülgeometrie:
Bindungswinkel
s px sp *
* Explosionsplot – Der Übersichtlichkeit halber wurden die AOs vom Ursprung auseinander gezogen. http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/hybrid/2sp1.html
linear 2 gleichwertige Be-H Bindungen 180°
LCAO
Orbitallappen kleiner großer
zwei sp-Orbitale
(gezeigt ist nur ein Hybrid-Orbital)
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Hybridisierung
Molekülgeometrie und Hybridisierung
Ausführliche Informationen zur Hybridorbitalen: http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/hybrid.html
Hybridorbitale können auch freie Elektronenpaare enthalten. So lassen sich unter Berücksichtigung der freien Elektronenpaare die Molekülgeometrien von CH 4 (Methan), NH 3 (Ammoniak), H 2 O (Wasser) und HF (Flusssäure) durch sp 3 -Hybridisierungen erklären, in den Formeln „sieht“ man allerdings nur die Positionen der Atomkerne:
Energie
2p x 2p y 2p z
Hybridisierung
LCAO
sp 3
6C (4 Valenzelektronen) sp 3-Hybridorbitale
109.47°
Molekülgeometrie:
Bindungswinkel
4 C-H s-Bindungen
tetraedrisch 4 C-H Bindungen 109.47°
sp 3
7N (5 Valenzelektronen)
sp 3
8O (6 Valenzelektronen)
freie Elektronen
107.3°
Molekülgeometrie:
Bindungswinkel
3 N-H s-Bindungen
pyramidal 3 N-H Bindungen 107.3°
freie Elektronen
104.5°
Molekülgeometrie:
Bindungswinkel
2 O-H s-Bindungen
gewinkelt 2 O-H Bindungen 104.5°
abnehmender Bindungswinkel H-X-H (X = C, N, O) durch stärkere Abstoßung zwischen freien Elektronenpaaren
freie Elektronen
Unter Einbeziehung der freien Elektronenpaare zeigen all diese Moleküle die tetraedrische sp 3-Hybridisierung.
sp 3
9F (7 Valenzelektronen)
1 F-H s-Bindung
Molekülgeometrie: linear 1 F-H Bindung
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Hybridisierung
Molekülgeometrie
Hier sind noch einmal die Pseudo- Tetraeder von CH 4 , NH 3 und H 2 O abgebildet:
Ergänzung
Ausführliche Informationen zur Hybridorbitalen: http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/hybrid.html
Die vorne gezeigten Geometrien für BH 3 (Boran) und BeH 2 (Beryllan) gelten genau nur für die isolierten Moleküle (im Vakuum), im „Normalzustand“ finden diese Elektronenmangel-Verbindungen einen „cleveren“ Ausweg aus dem Dilemma des Elektronen-Sextetts bzw. Quartetts: die Zweielektronen-Mehrzentren-Bindung. Hier teilen sich die Wasserstoff-Atome ihre 2 Elektronen mit jeweils zwei B bzw. Be Atomen (BH 3 ist ein giftiges Gas bei dem die Moleküle dimerisiert als B 2 H 6 vorliegen, BeH 2 – hier nicht gezeigt – ein polymerer Feststoff).
Abb.: © Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
Boran-Dimer (Diboran):
(BH 3) 2 = B 2H 6
Oktett
2-Elektronen-3-Zentrenbindung (B-H-B)
= H H B H H B
Seite Type Orbitals n Orientation Shape Examples
sp s, px 2 linear (digonal) sp 2 s, px,y 3 trigonalplanar sp 3 s, px,y,z 4 tetrahedral
sd 3 s, dxy,xz,yz 4 tetrahedral sp 2 d s, px,y, dx 2 -y 2 4 squareplanar sp 3 d s, px,y,z, dx 2 -y 2 5 squarepyramidal sp 3 d s, px,y,z, dz 2 5 trigonalbipyramidal sp 3 d 2 s, px,y,z, dx 2 - y 2 ,z 2
01-36
Hybridisierung
Zusatzinformation für Experten
Es gibt noch eine Reihe weiterer Hybridisierungsschemata, die vor allem die Metalle der Anorganischen Chemie und ihre d-Orbitale betreffen. Hier nur eine Teilübersicht der Möglichkeiten (nur zum Nachschlagen, falls die Koordination z.B. in metallhaltigen Enzymen von Interesse ist):
6 octahedral
sp 3 d 3 7 pentagonalbipyramidal sp 3 d 4 8 squareantiprismatic BeCl2 (g), CO2, HCN, HgCl2, [Cu I (CN)2] -
BCl3 (g), CO3 2- , NO3 - , HgI3 - , CdCl3 -
BF4 - , CH4, NH4 + , HgI4 - , XeO4
CrO42- , MnO4 -
[Ni II (CN)4] 2- , [Pt II Cl4] 2-
Sb(C6HC5)5, Ni(PR3)2Br3 (rare) PF5, PCl5, SbCl5, [Fe 0 (CO)5] 0 SF6, PF6 - , SiF6 2- , XeO6 4- , [Mn III Cl6] 3- , [Fe III (CN)6] 3-
IF7, ZrF7 3- , UF7 3-
TaF8 3-
Beispiele für Metallkomplexe
Compound ZLn
Electron Configuration (Z)
3s 3p 3d Hybrid Geometry
PCl5 sp 3 d trigonalbipyramidal SF6 sp 3 d 2 octahedral
Compound ZLn
Electron Configuration (Z)
3d 4s 4p 4d Spin Hybrid Geometry
[Fe II (H2O)6] 2+ high spin sp 3 d 2 octahedral [Fe II (CN)6] 4- low spin d 2 sp 3 [Fe octahedral III F6] 3- high spin sp 3 d 2 [Fe octahedral III (CN)6] 3- low spin d 2 sp 3 [Fe octahedral 0 (CO)5] 0 low spin dsp 3 trigonalbipyramidal [Co II (H2O)6] 2+ high spin sp 3 d 2 octahedral [Co II (NO2)6] 4low spin d 2 sp 3 octahedral [Co III F6] 3- high spin sp 3 d 2 [Co octahedral III (CN)6] 3- low spin d 2 sp 3 octahedral
[Ni II Cl4] 2- high spin sp 3 [Ni tetrahedral II (CN)4] 2- low spin dsp 2 squareplanar [Ni 0 (CO)6] 0 low spin sp 3 tetrahedral
[Cu I (CN)4] 3- sp 3 tetrahedral [Cu II (NH3)4] 2+ dsp 2 squareplanar Für die Organische Chemie spielen vor allem die sp 3 -, sp 2 -, und sp-Hybridisierung eine bedeutende Rolle. Diese Vorlesung wird immer wieder auf diesen ganz zentralen Punkt zurückkommen!
Ausführliche Informationen zur Hybridorbitalen: http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/hybrid.html
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Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen
s-Bindung
sp 3 sp 3
Geometrie an den C-Atomen: Bindungslänge: Bindungswinkel: Bindungsenergie:
Abb.: © Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
frei drehbare Bindung
Einfachbindung s(C sp3-C sp3)
tetraedrisch ~ 153 pm ~ 109.5° ~ 346 kJ / mol
p-Bindung
s-Bindung
sp 2 sp 2
Anmerkung: 1 pm (Picometer) = 10 -12 m; 1 Å (Ångström) = 10 -10 m = 100 pm http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/tutorials/orbitals/hybrid.html
nicht frei drehbar
Doppelbindung s(C sp2-C sp2) + p(C p-C p)
trigonal-planar ~ 134 pm ~ 120.0° ~ 602 kJ / mol
2 p-Bindungen
s-Bindung
sp sp
sp 2
Dreifachbindung s(C sp-C sp) + 2 x p(C p-C p)
linear ~ 121 pm ~ 180.0° ~ 836 kJ / mol