Seite 11-1 Organische Chemie für Biologen - Vom Methan zu Biomolekülen 11 – Carbonylverbindungen – Aldehyde und Ketone Empfehlung: Kapitel 17 + 18, Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005. Priv.-Doz. Dr. Stefan Immel Universität Leipzig, Wintersemester 2007/2008. Seite 11-2 Struktur von Carbonylverbindungen Aldehyde und Ketone Das gemeinsame Kennzeichen aller Carbonylverbindungen ist die Carbonylgruppe mit ihrer C=O-Doppelbindung. Diese funktionelle Gruppe ist vielleicht die wichtigste der gesamten Chemie und Biochemie, da sie mit vielen Gesichtern in Erscheinung treten kann und gleichzeitig eine breite Vielfalt an chemischen Transformationen am C-Atom der Carbonylgruppe ermöglicht. Je nach chemischer Umgebung der Carbonylgruppe wird zwischen Aldehyden und Ketonen (dieses Kapitel), sowie Carbonsäuren und deren Derivaten, oder Kohlensäure-Derivaten unterschieden (Kapitel 12):* In der Nomenklatur werden Aldehyde als Alkanale (Schreibweise: R-CHO, Endung „-al“), und Ketone als Alkanone (Schreibweise: R-CO-R, Endung „-on“), bezeichnet, es sind allerdings auch viele Trivialnamen (siehe auch Anhang B) gebräuchlich: O O Carbonylgruppe Methanal (Formaldehyd) Ethanal (Acetaldehyd) R = -Alkyl, -Aryl Propanal (Propionaldehyd) Aldehyde (Alkanale, R-CHO) Propanon (Aceton) 3-Hydroxy-butanal * Diese Unterteilung wird durch Reaktivitätsmuster und die Oxidationszahlen der Carbonyl-C-Atome gerechtfertigt. Ketone (Alkanone, R-CO-R) (allgemein: C-Reste) X = -OR, -SR, -NR2, -Hal, etc. (allgemein: Heteroatom-Reste) Carbonsäure- Derivate (R-COX) Benzaldehyd Kohlensäure- Derivate (XCOX) Benzophenon Seite 11-3 Eigenschaften von Carbonylverbindungen Bindung und Polarität Carbonylgruppe (Mesomerie) Wasserstoff-Brücken-Bindungen sp 2 sp 2 sp 2-Hybridisierung am C- und O-Atom (trigonal-planares C-Atom) p-Bindung s-Bindung sp 2 sp 2 Methanal (Formaldehyd) Bei der Carbonylgruppe handelt es sich um eine Doppelbindung C=O, deren Bindungsschema (Orbitalmodell) vergleichbar ist mit dem Modell der Alkene (siehe Kapitel 5 – Alkene und Alkine): sowohl das Kohlenstoff- wie auch das Sauerstoff-Atom der Carbonylgruppe sind sp2-hybridisiert, die Anordnung der Substituenten am C-Atom ist demnach trigonal-planar mit einem Bindungswinkel von jeweils ca. 120°. Aus der hohen Elektronegativitätsdifferenz zwischen Kohlenstoff (EN: 2.6) und Sauerstoff (EN: 3.5) resultiert eine hohe Polarität der C=O-Doppelbindung (Carbonylgruppe) in der gezeigten Art und Weise. Die positive Partialladung am C-Atom (elektrophiles C) und die negative Partialladung am O-Atom (nucleophiles O) sind im folgenden bestimmend für die Reaktivität aller Carbonylverbindungen. Gleichzeitig äußert sich die Polarität in erhöhten Siedepunkten gegenüber den unpolaren Alkanen (Siedepunkt CH4: -162°C, H2CO: -21°C), sowie in der Fähigkeit der C=O-Gruppe als einfacher oder zweifacher Wasserstoff-Brückenbindungs-Akzeptor zu fungieren (nicht aber als H- Brücken-Donor!). Die hohe Tendenz H-Brücken auszubilden äußert sich auch in der relativ guten Wasserlöslichkeit von Aldehyden und Ketonen, die erst ab ca. 6-C-Atomen deutlich abnimmt (Formaldehyd H2C=O, Aceton H3CCOCH3 , usw. sind vollständig mit Wasser mischbar).* * Die Ausbildung von H-Brückenbindungen durch Carbonylgruppen trägt auch wesentlich zur Stabilisierung der Tertiärstruktur von Proteinen und Enzymen bei (siehe Kapitel 14 – Aminosäuren). Seite 11-4 Addition an Carbonylgruppen – Mechanismus Säure- und Basen-katalysierte Addition an Carbonylgruppen d O d Carbonylgruppe Säurekatalyse Erhöhung der Elektrophilie des C-Atoms durch Protonierung der Carbonylgruppe Basenkatalyse + OH - H2O + H 2O - OH Erhöhung der Nucleophilie des Nucleophils durch Deprotonierung (Ladungserhöhung) Aufgrund ihrer Polarität wird die Reaktivität von Carbonylgruppen von nucleophilen Additionsreaktionen dominiert. Im Fall von weniger reaktiven Nucleophilen oder Carbonylverbindungen ist immer eine Säure- oder Basenkatalyse erforderlich, beide Varianten führen zum gleichen Additionsprodukt. Beide Reaktionswege sind häufig unter Umkehrung aller einzelnen Reaktionsschritte vollständig reversibel: nucleophile Addition H O Nu H - H H O Nu H Eliminierung + H Katalysator (H + ) Regeneration Katalysator (OH - ) Regeneration identisches Additionsprodukt Seite 11-5 Addition an Carbonylgruppen – Mechanismus Unkatalysierte Addition an Carbonylgruppen Direkte nucleophile Addition reaktiver Nucleophile an reaktive Carbonylgruppen: Carbonyl Gesamtreaktion trigonal-planare Carbonylgruppe oder kurz und prägnant ohne die freien Elektronenpaare: sp 2 nucleophile Addition Eliminierung nucleophile Addition Eliminierung Katalyse sp 3 HO Nu Reaktive Nucleophile können die C=O-Doppelbindung auch direkt angreifen (siehe unten, Addition metallorganischer Reagenzien oder Hydride), der oben beschriebene Fall der Säure- oder Basenkatalyse ist allerdings weitaus häufiger, und insbesondere in biochemischen Stoffwechsel-Reaktionen oft anzutreffen. Die Gesamtreaktion der Addition von Nucleophilen an eine Carbonylgruppe stellt sich dann wie folgt dar: tetraedrisches Additionsprodukt Seite 11-6 Addition an Carbonylgruppen – Reaktivität Reaktivität von Carbonylgruppen Die relative Reaktivität von Carbonylgruppen hängt stark von der chemischen Natur der Substituenten am Carbonyl-C- Atom ab. Da Alkyl-Reste allgemein einen elektronenliefernden +I-Effekt aufweisen, der die positive Partialladung am Carbonyl-Kohlenstoffatom abschwächt, und damit gleichzeitig die Polarität der C=O-Doppelbindung mindert, sind Ketone generell unreaktiver (weniger reaktionsfreudig) als Aldehyde. So ist Ethanal (Acetaldehyd, R 1 = CH 3 , R 2 = H) deutlich weniger reaktiv als Methanal (Formaldehyd, R 1 = R 2 = H). Des weiteren können stark elektronenziehende Substituenten die über einen starken –I-Effekt verfügen, zu einer Reaktivitätssteigerung führen (Chloral ist reaktiver als Acetaldehyd). Konjugationseffekte (+M-Effekt in a,ß-ungesättigten Carbonylverbindungen oder Aryl-substituierten Carbonylverbindungen) verringern die Partialladung und Reaktivität am Carbonyl-Kohlenstoffatom:* Reaktivität Od d H H Methanal (Formaldehyd) +I-Effekt Ethanal (Acetaldehyd) Aldehyde Ketone > +I-Effekt O +I-Effekt O +I-Effekt > > H3C H H3C CH3 > Ethanal (Acetaldehyd) +M-Effekt Propanon (Aceton) abnehmende Reaktivität durch +I-Effekt Benzaldehyd +M-Effekt +I-Effekt Benzophenon abnehmende Reaktivität durch +M-Effekt Ethanal (Acetaldehyd) -I-Effekt < Cl Cl 2,2,2-Trichlorethanal (Chloral) zunehmende Reaktivität durch -I-Effekt +M-Effekt * Formulieren Sie einmal alle möglichen mesomeren Grenzstrukturen ausführlich aus! Der Effekt von Heteroatomen, die direkt an C=O gebunden sind, wird in Kapitel 12 diskutiert! usw. Seite 11-7 Addition an Carbonylgruppen – Stereochemie Stereochemie der Addition Achirale Carbonylverbindung "Rückseiten"- Angriff trigonal-planare Carbonylgruppe "Vorderseiten"- Angriff Addition Addition tetraedrisches Additionsprodukt Bei der Addition des Nucleophils an die Carbonylgruppe ist zu beachten, dass aus einer planaren, sp 2 -hybridisierten und daher achiralen C=O-Gruppe ein tetraedrisches, sp 3 -hybridisiertes C-Atom hervorgeht, und damit unter Umständen ein Chiralitätszentrum generiert wird. Liegen nach der Addition an dem entsprechenden C-Atom vier unterschiedliche Substituenten vor, so ist die Bildung von Stereoisomeren (Enantiomere bzw. Diastereomere) zu berücksichtigen. Unterschiedliche Enantiomere werden hierbei aus einem „Vorderseiten“- bzw. „Rückseiten“-Angriff des Nucleophils auf die Carbonylgruppe gebildet, und entstehen (im Fall achiraler Ausgangsverbindungen und achiraler Nucleophile) immer im Verhältnis 1:1 als Racemat:* 1 : 1 Gemisch von Enantiomeren (= Racemat) Wenn allerdings einer der Reste R 1 oder R 2 der Carbonylverbindung selbst ein Chiralitätszentrum besitzt, oder wenn ein chirales Nucleophil in enantiomeren-reiner Form vorliegt, dann handelt es sich bei den Produkten nicht mehr um Enantiomere, sondern um Diastereomere, die unterschiedliche Eigenschaften (und damit auch unterschiedliche Energien oder Bildungstendenzen) besitzen. Die Bildung dieser Diastereomere erfolgt dann nicht mehr im Verhältnis 1:1, sondern es wird – von Fall zu Fall – das eine oder andere Diastereomer bevorzugt gebildet (eine genaue stereochemische Beschreibung der Additionen an a-chirale Aldehydgruppen liefert das Felkin-Anh-Modell, das hier nicht detailliert besprochen werden soll, sondern nur phänomenologisch angedeutet wird): * Überzeugen Sie sich von diesen Sachverhalten unbedingt an einem Molekülmodell! Seite 11-8 Addition an Carbonylgruppen – Stereochemie Chirale Carbonylverbindung Chiralitätszentrum H 3C "Rückseiten"- Angriff "Rückseiten"- Angriff Addition von der "Rückseite" H3C H3C * H sterische Abstoßung durch große Reste "Vorderseiten"- Nu H Angriff keine Addition "Vorderseiten"- Angriff Addition Addition HO H HO C B neues Chiralitätszentrum Nu tetraedrisches Additionsprodukt Addition ausschließlich von Nu der "Rückseite" möglich O H chirales Enzym Gemisch von Diastereomeren (Verhältnis ? 1 : 1) Analog der bevorzugten Bildung eines (von zwei möglichen) Diastereomeren bei der nucleophilen Addition an chirale Carbonylverbindungen (Schema oben und Beispiel unten links), schafft es die Natur mit den chiralen Werkzeugen der Enzyme, sowohl achirale wie auch chirale Carbonylverbindungen bevorzugt von einer bestimmten Seite aus anzugreifen, und damit neue Chiralitätszentren mit einer sehr hohen Stereoselektivität zu generieren (Bild unten rechts) – hier ist das aus dem Enzym heraus angreifende Nucleophil selbst chiral, woraus eine hohe Stereoselektivität resultiert (zu den Begriffen der Enantiomere und Diastereomere siehe auch Kapitel 3 – Stereochemie):* * Überzeugen Sie sich von diesen Sachverhalten unbedingt an einem Molekülmodell! Nucleophil am Enzym Seite 11-9 Prochiralität – Mehr als eine Ergänzung zur Stereochemie Stereochemie der Addition an Carbonylgruppen und Substitution an Methylengruppen Addition an achirale Carbonylverbindungen: prochirales C-Atom zwei enantiotope Seiten ("Vorder"- und "Rückseite") trigonal-planare Carbonylgruppe (C=O) Addition H-Y * + * zwei Enantiomere Substitution an achiralen Methylengruppen: prochirales C-Atom Ha R 1 tetraedrische Methylengruppe (-CH 2-) zwei enantiotope H-Atome ("vorne" und "hinten") Substitution H ? Y Wie oben gezeigt wurde, wird durch Addition von Nucleophilen an (planare, achirale) Carbonylgruppen, die zwei unterschiedliche Substituenten R 1 und R 2 tragen, ein neues Chiralitätszentrum erzeugt; gleiches gilt z.B. auch für die Substitution von H-Atomen an Methylengruppen (-CH 2 -). Ganz allgemein bezeichnet man daher ein Atomzentrum, das sich durch eine einfache Elementarreaktion in ein Chiralitätszentrum überführen lässt, als Prochiralitätszentrum (im Fall der Carbonylverbindung R 1 R 2 (C=O) ist das Carbonyl-C-Atom ein prochirales Zentrum, ebenso das C-Atom in Methylengruppen R 1 -CH 2 -R 2 , jeweils mit R 1 ? R 2 ).* + * * zwei Enantiomere Da die Addition (von Nucleophilen) an eine Carbonylgruppe von der „Vorderseite“ bzw. „Rückseite“, oder die Substitution des „vorderen“ bzw. „hinteren“ Wasserstoffatoms in Methylengruppen jeweils zu enantiomeren Produkten führt (siehe die Ausführungen oben, aber auch die Beispiele unten), spricht man von enantiotopen Seiten oder enantiotopen Atomen und Gruppen. Um die vom Betrachter und der Schreibweise abhängigen, und damit zweideutigen Begriffe „Vorderseite“ und „Rückseite“ exakter zu definieren (was nicht zuletzt in der Biochemie extrem wichtig wird!), bietet sich wiederum das Cahn-Ingold-Prelog (CIP) System der Gruppen-Prioritäten (siehe Kapitel 3) als Definitions-Grundlage an. Anmerkung: die meisten Lehrbücher geben nur eine oberflächliche, lückenhafte und ungenaue Beschreibung von dem für Biochemiker so wichtigen Konzept der Prochiralität. Daher folgt hier erst einmal ein längerer Einschub. * Die Bezeichnung „prochiral“ sollte eigentlich nicht mehr verwendet werden, ein besserer Ausdruck ist „prostereogen“, allerdings hat sich diese Meinung vor allem in der Biochemie nicht durchgesetzt! Seite CIP- Prioritäten: 11-10 Prochiralität Enantiotope Gruppen Ansicht der "Vorderseite": Re-Seite Drehung um 180° Ansicht der "Rückseite": Si-Seite Betrachtung von "H a": R 2 > R 1 > H a > H b ? "(R)-Konfiguration" ? pro-R-H-Atom Drehung um 180° Im Fall von trigonal-planaren Atomzentren (z.B. Carbonylgruppen) ordnet man die drei Substituenten nach abfallender CIP-Priorität (Ordnungszahlen, im Schema unten links z.B. O > R 2 > R 1 ). Blickt man auf das Atomzentrum, so dass der entsprechende Halbbogen O ? R 2 ? R 1 im Uhrzeigersinn erscheint, so wird diese „Vorderseite“ als „Re“-Seite (lat.: rectus, „rechts“) bezeichnet. Der Blick von der „Rückseite“ lässt den entsprechenden Halbbogen gegen den Uhrzeigersinn erscheinen, und man spricht von der „Si“-Seite (lat.: sinister, „links“): zwei enantiotope Seiten Im Fall von Methylengruppen (-CH 2 -) kann gedanklich einfach ein H-Atom gegen Deuterium (Priorität D > H) ausgetauscht werden. Bestimmung der absoluten Konfiguration nach CIP ergibt dann direkt, ob es sich bei dem ausgetauschten H-Atom um das pro-R- oder pro-S-H-Atom handelt:* pro-R-H-Atom zwei enantiotope H-Atome Betrachtung von "H b": Hb pro-S-H-Atom Ha R 1 R 2 > R 1 > H b > H a ? "(S)-Konfiguration" ? pro-S-H-Atom Die zwei Wasserstoffatome der Methylengruppe (Schema oben rechts) werden analysiert, indem das jeweils betrachtete H-Atom in der Priorität gegenüber dem anderen, nicht betrachteten als „höherwertig“ angesehen wird. Daraus ergibt sich nach den CIP-Regeln die Prioritäten-Reihenfolge R 2 > R 1 > H betrachtet >H nicht-betrachtet . Ergibt sich nun für das Prochiralitätszentrum formal die (R)-Konfiguration (siehe Kapitel 3!), so spricht man von dem „pro-R“-H- Atom, im Fall der (S)-Konfiguration vom „pro-S“-H-Atom. pro-R-H-Atom pro-S-H-Atom * Für Methylengruppen ist dieses einfache Verfahren anwendbar, da Wasserstoff immer die niedrigste Priorität im CIP-System hat; für komplexere Gruppen ist dieses Verfahren nicht möglich! achiral Substitution H ? D (S)-Konfiguration (R)-Konfiguration Seite 11-11 Prochiralität Enantiotope Gruppen: pro-R- und pro-S-Nomenklatur X A C prochirale Gruppe X(ABBC) X A C Definition Priorität B1 > B2 A CIP-Prioritäten A > B 1 > B 2 > C ? (S)-Konfiguration Die oben genannte Definition der pro-R- und pro-S-Deskriptoren erscheint auf den ersten Blick verwirrend, ist aber gut verständlich, wenn man systematisch vorgeht und den Fall mit normalen Chiralitätszentren vergleicht. Daher hier noch einmal Schritt für Schritt das nach der Definition einzige, wirklich exakte Verfahren im Vergleich: An einem Chiralitätszentrum X liegen vier unterschiedliche Substituenten – z.B. X(ABCD) – vor, die in abfallender Reihenfolge der CIP-Prioritäten (A > B > C > D) geordnet werden, dann wird von X die absolute Konfiguration (R) oder (S) bestimmt, wie es in Kapitel 3 (Stereochemie) ausführlich diskutiert wurde. An einem Prochiralitätszentrum X liegen nur drei unterschiedliche Substituenten vor, von denen einer „doppelt“ auftaucht – z.B. X(AABC), X(ABBC) oder X(ABCC) (Prioritäts-Reihenfolge A > B > C). Von den beiden doppelt vorhandenen Substituenten (z.B. zweimal „B“) pickt man einen beliebigen (B1 ) heraus, und gibt diesem eine nur gegenüber seinem „Doppelgänger“ (B2 ) höhere Priorität, ohne die Reihenfolge der anderen CIP-Prioritäten zu verändern (die Prioritäten A, B, und C dürfen nicht vertauscht werden!). Für den Fall X(ABBC) ergibt sich dann z.B. die (primär willkürliche) Reihenfolge A > B1 > B2 > C. Für exakt diese Reihenfolge bestimmt man anschließend die absolute Konfiguration (R) oder (S): Ergibt sich die (R)-Konfiguration, so handelt es sich bei dem selektierten Doppelsubstituenten (hier B1 ) um die pro-R-Gruppe, aus einer (S)-Konfiguration ergibt sich analog die pro-S-Gruppe. Hat man einen Substituenten (also hier B1 ) bestimmt, ergibt sich für den anderen (hier B2 ) automatisch die umgekehrte Bezeichnung. Die Zuordnung wird durch Indizes (B R ) oder (B S ) in den Formeln angezeigt: 1. Schritt: willkürliche Selektion B 1 und B 2 2. Schritt: Rotation ? niedrigste Priorität nach hinten 3. Schritt: Übertragen der absoluten Konfiguration Analog ist für die Fälle X(AABC) (Prioritäten A 1 > A 2 > B > C) und X(ABCC) (A > B > C 1 > C 2 ) zu verfahren.* pro-S pro-R X A C Gruppe B 1 ist pro-S ? B 2 muss pro-R sein * Beispiele kommen weiter unten. Ich höre das Stöhnen. Aber: Dieses System der pro-R- und pro-S- Nomenklatur ist in der Biochemie sehr weit verbreitet. Es kommt aber noch schlimmer. Sorry. Seite 11-12 Prochiralität Enantiotope Gruppen: Re- und Si-Nomenklatur prochirale Gruppe X(ABBC) Das System der pro-R- und pro-S-Deskriptoren wurde ausgearbeitet, um viele biochemisch relevante Fälle abzudecken, es hat jedoch einige gravierende Nachteile (die hier nicht diskutiert werden sollen), so dass sich in der neueren Literatur mehr und mehr ein anderes System der Nomenklatur durchsetzt (in der Organischen Chemie schneller als in der Biochemie). Anstatt der pro-R- und pro-S-Nomenklatur (z.B. B R und B S , siehe oben), wird auch die Re- und Si-Nomenklatur (z.B. B Re und B Si ) für prochirale Gruppen verwendet, und beide Systeme dürfen nicht verwechselt werden. Hier die Definition für den Fall X(ABBC):* X A C 1. Schritt: "plattdrücken", so dass ein Dreieck AB'C entsteht X A C Definition B' in der Winkelhalbierenden von B-X-B 2. Schritt: Bestimmen der Re- und Si- Seite des Dreiecks AB'C Re-Seite X A C CIP-Prioritäten A > B' > C ? Re- bzw. Si-Seiten des Dreiecks Si-Seite 3. Schritt: Übertragen der Re- und Si-Indizes auf die prochiralen Gruppen Analog ist für die Fälle X(AABC) (Prioritäten A‘ > B > C) und X(ABCC) (A > B > C‘) zu verfahren.* Re Si B Re B Si X A C B Re auf der Re-Seite B Si auf der Si-Seite Die zwei Fälle oben zeigen, dass die pro-R/pro-S- und Re/Si-Nomenklatur nicht übereinstimmen müssen.** Glücklicherweise stimmen für den häufigsten Fall enantiotoper H-Atome die Deskriptoren überein (X(ABCC), H hat immer die niedrigste Priorität, so dass pro-R oder H R = H Re und pro-S oder H S = H Si ), das gleiche gilt für enantiotope Substituenten höchster Priorität X(AABC), nicht aber für Substituenten mittlerer Priorität (X(ABBC), häufig Methylgruppen in Isopropyleinheiten wie z.B. in Isopropylalkohol oder der Aminosäure Valin). * Beispiele kommen weiter unten. Das Stöhnen wird lauter. Muss aber sein. ? Biochemie! ** Das macht es nicht einfacher. Im Zweifelsfall die Deskriptoren immer „per Hand“ neu bestimmen! Seite 11-13 Prochiralität Enantiotope Gruppen: Beispiele Substitutionsmuster X(ABCC) Prioritäten A > B > C pro-R oder HR oder HRe H pro-S oder HS oder HSi H Prioritäten OH > CH 3 > H (Ethanol) Substitutionsmuster X(AABC) Prioritäten A > B > C pro-S oder ClS oder ClSi Cl pro-R oder ClR oder ClRe Cl Prioritäten Cl > Phenyl > H (Benzalchlorid) Substitutionsmuster X(ABBC) Prioritäten A > B > C pro-R oder (CH3) R oder (CH3) Si H3C CH 3 Prioritäten OH > CH 3 > H (Isopropanol) Die folgenden Beispiele sollen die pro-R/pro-S- und Re/Si-Nomenklatur verdeutlichen, sowie für die drei unterschiedlichen Fälle Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen: pro-S oder (CH3) S oder (CH3) Re equivalente pro-R/pro-S- und Re/Si-Nomenklatur nicht-equivalente Nomenklatur Das rechte Beispiel oben zeigt weiterhin, dass nicht nur einzelne Atome, sondern auch ganze Atomgruppen enantiotop und damit prochiral sein können (zwei enantiotope Methylgruppen in Isopropanol). Weitere Beispiele sind:* pro-S oder Z S oder Z Si HO COO pro-R oder Z R oder Z Re Prioritäten OH > COO > CH 2COO (Citronensäure, Z = CH 2COO ) pro-S oder (CH 3) S oder (CH 3) Re pro-R oder (CH 3) R oder (CH 3) Si Prioritäten C 2H 5 > CH 3 > H (Isopentan) pro-R oder H R oder H Re Prioritäten COEt > CH 3 > H (3-Pentanon) pro-S oder H S oder H Si * Das ist nicht nur „Anschauungs“-Material, sondern „Übungs“-Material (Zaunpfahl). Und bitte schreiben Sie Re/Si nie klein (re/si) – das hat wieder andere Bedeutung. Wollen Sie wissen welche? Seite 11-14 Prochiralität Beispiel-Reaktionen prochirales C-Atom prochirales C-Atom 2-Butanon enantiotope Seiten enantiotope Seiten Propionaldehyd Reduktion LiAlH 4 Grignard CH 3MgBr Angriff von der Re-Seite Angriff von der Si-Seite Angriff von der Re-Seite Angriff von der Si-Seite (S)-2-Butanol (S)-2-Butanol enantiotope H-Atome prochirales C-Atom prochirales C-Atom Butan (CH3) Re pro-S CH3 Isopentan Bromierung Br 2 / h? Bromierung Br 2 / h? Substitution von H Re = pro-R Substitution von H Si = pro-S Substitution an (CH 3) Re = pro-S Auch das System der pro-R/pro-S- und Re/Si-Nomenklatur hat eingebaute Fallstricke: z.B. kann eine Addition an eine Carbonylgruppe von einer Re-Seite eine (R)-Konfiguration im Produkt zur Folge haben, muss aber nicht. Der eine Deskriptor bezieht sich auf das Edukt, der andere auf das Produkt – es gibt keine Korrelation, genauso wenig wie einen Zusammenhang zwischen der CIP-Nomenklatur (R/S), der Fischer-Projektion (D/L) und dem Drehwert (+/-) gibt:* enantiotope Methylgruppen (CH 3) Si pro-R Substitution an (CH 3) Si = pro-R * Natürlich sind dies nur die Nebenprodukte dieser Reaktion (was ist das Hauptprodukt?), aber sie zeigen, dass das Chiralitätszentrum auch an einem anderen Ort als dem Angriffsort der Reaktion entstehen kann! (R)-2-Brombutan (S)-2-Brombutan H2C * H3C (R)-1-Brom- 2-methylbutan Br H * Im Klartext heißt das ganz einfach, dass die stereochemischen Deskriptoren immer (!) jeweils neu bestimmt werden müssen. Leider vergessen auch erfahrene Chemiker dies immer wieder! Seite 11-15 Prochiralität Homotope und heterotope Gruppen Topizität homotop heterotop enantiotop diastereotop Beispiele HO Br Eigenschaften identisch achiral spiegelbildlich achiral (prochiral) unterschiedlich chiral achirale Umgebung / Reagenzien ? nicht unterscheidbare, achirale Produkte ? spiegelbildliche Produkte ? Enantiomere (Racemat = 1:1) ? nicht-spiegelbildliche Produkte ? Diastereomere (? 1:1) In Molekülen gleicher Konstitution können Atome, Atomgruppen, oder Flächen (Molekülseiten) homotop (identisch) oder heterotop (unterschiedlich) sein. Im letzteren Fall muss weiterhin zwischen enantiotopen (spiegelbildlichen) und diastereotopen (verschiedenen) Gruppen unterschieden werden (siehe Formelschema auf der nächsten Seite). Zur Unterscheidung der Fälle addiert oder substituiert man geeignete Positionen und untersucht die stereochemischen Beziehungen der möglichen Produkte untereinander (nächste Seite). Homotope Molekülseiten oder Atomgruppen sind identisch und nicht unterscheidbar, Reaktionen mit achiralen und chiralen Reagenzien ergeben immer identische Produkte (nächste Seite, oberstes Beispiel). Enantiotope Molekülseiten oder Atomgruppen sind spiegelbildlich zueinander, durch Addition oder Substitution ergeben sich enantiomere Produkte. Enantiotope Gruppen und Atome sind demnach typisch für prochirale Moleküle. Mit achiralen Reagenzien bildet sich immer das Racemat (beide möglichen Enantiomere im Verhältnis 1:1, nächste Seite, mittleres Beispiel). Mit chiralen Reagenzien (und die Enzyme der Biochemie sind „chirale“ Reagenzien in Form von Katalysatoren!) reagiert die eine Molekülseite oder Atomgruppe schneller, und die Bildung der möglichen Enantiomeren erfolgt in einem Verhältnis ? 1:1 (Bevorzugung einer Form durch diastereomere Übergangszustände). Diastereotope Molekülseiten oder Atomgruppen sind immer verschieden, mit achiralen und chiralen Reagenzien ergibt sich immer eine Bildung der möglichen Diastereomere in unterschiedlichen Verhältnissen (? 1:1; nächste Seite, unterstes Beispiel). Diastereotope Gruppen und Atome sind demnach typisch für chirale Moleküle. chirale Umgebung / Reagenzien ? nicht unterscheidbare, achirale Produkte ? spiegelbildliche Produkte ? Enantiomere (kein Racemat) ? nicht-spiegelbildliche Produkte ? Diastereomere (? 1:1) Experteninformation: homotope Elemente sind über Drehachsen (C n ) ineinander überführbar, enantiotope Elemente durch Spiegelebenen (s), und diastereotope Elemente sind nicht korreliert. Seite 11-16 Prochiralität Homotope Molekülseiten: Aceton Heterotope Molekülseiten: prochirales C-Atom prochirales C-Atom homotope Seiten Addition O H-Y enantiotope Seiten Addition O Re H-Y Acetaldehyd (S)-2-Hydroxypropanal identische Moleküle Drehung um 180° ein Chiralitätszentrum Y * H + * H3C Y H Enantiomere Diastereomere Homotope Atome und Gruppen: Propan Butan Substitution H ? Y Heterotope Atome und Gruppen: prochirales C-Atom Ha H a = pro-S oder H Si H b = pro-R oder H Re (S)-2-Brombutan homotope H-Atome Substitution H ? Y enantiotope H-Atome Drehung um 180° identische Moleküle ein Chiralitätszentrum Y Y H H Y + * * Enantiomere diastereotope diastereotope H-Atome Seiten zwei Chiralitäts- zwei Chiralitäts- * HO O Si Re H Addition H-Y * HO OH * H Y zentren + * HO OH * Y H prochirales C-Atom Ha * Br Substitution Hb H ? Y Ha = pro-S oder HSi Y H * * Br zentren + H Y * * Br Diastereomere Seite 11-17 Prochiralität in Biochemischen Reaktionen Biochemische Beispiele Citrat - Isocitrat Isomerisierung im Citrat-Cyclus (Aconitase): Eliminierung Hydratisierung HO COO - H2O 3 2 COO + H2O pro-R Hydratisierung COO OOC prochirales H COO OOC = COO COO H - H2O + H2O Eliminierung OOC Citrat (achiral) cis-Aconitat (achiral, aber prochiral) Sehr viele biochemische Reaktionswege sind eng mit der Tatsache verknüpft, dass die chiralen Enzyme der Natur zwischen prochiralen Gruppen von Substratmolekülen mit sehr hoher Selektivität differenzieren können. So erfolgt im Citronensäure-Cyclus die Dehydratisierung von Citrat zum cis-Aconitat ausschließlich unter Beteiligung der pro-R-CH2COO--Gruppe (chemisch wären beide Produkte nicht direkt unterscheidbar, dass aber nur eine der beiden Möglichkeiten auch tatsächlich abläuft, konnte mit Hilfe der Isotopenmarkierung bewiesen werden). Die Rehydratisierung von cis-Aconitat erfolgt dann nur durch Angriff von Wasser von der Re-Seite an Position C-2, und anti-Addition (H + und H2O) führt zum (2R,3S)-Isocitrat:* C-Atom Si-Seite Angriff nur von der Re-Seite COO * OH (2R,3S)-Isocitrat (chiral) Anmerkung: Sie haben diese Reaktion in Kapitel 5 – Alkene/Alkine (Additions- und Eliminierungs-Reaktionen) schon einmal gesehen – damals aber mit weniger Stereochemie. In Kapitel 5 waren zusätzlich die Fischer-Projektionen angegeben – nun versuchen Sie einmal diese Stereochemie anhand der Fischer-Schreibweise nachzuvollziehen. Wenn Ihnen das ohne Modell gelingt, sind Sie auf dem Weg den „stereochemischen Blick“ zubekommen. Wenn nicht, dann fragen Sie sich, warum Biochemiker immer noch diese alte, unübersichtliche Schreibweise verwenden. * Ich würde nie verlangen, dass man das auswendig lernt. Als Biochemiker oder Pharmazeut müssen Sie aber in der Lage sein, diesen stereochemischen Text in Formeln übersetzen zu können. Seite 11-18 Prochiralität in Biochemischen Reaktionen Ebenfalls im Citronensäure-Cyclus findet die Addition von Wasser an die Si-Seite von Fumarat statt, wobei (S)-Malat (das Salz der Äpfelsäure) gebildet wird: Fumarat (achiral) Re-Seite Hydratisierung + H 2O (S)-Malat (chiral) Ein weiteres Beispiel bietet die Hefe-Alkohol-Dehydrogenase, die ausschließlich das pro-R-Wasserstoffatom von Ethanol stereospezifisch auf die Re-Seite von NAD + übertragt, welches dabei zu NADH reduziert wird. Zufall (bezüglich der Nomenklatur) ist, dass dieses H-Atom dort als pro-R-H-Atom endet. Ist dieses pro-R-H-Atom dann enantiotop oder diastereotop zu dem pro-S-H-Atom in NADH? Achtung: stereochemische Falle! Schauen Sie sich die Struktur von NADH genau an! R R N NH2 N NH2 NAD O NADH H O pro-R H H3C pro-S pro-R H H H = 3C OH O H H pro-S Ethanol (achiral) H Angriff nur von der Re-Seite - H O H = 3C H3C H O Acetaldehyd (achiral) H H pro-S pro-R Nach diesem längeren (aber in meinen Augen sehr wichtigen) Exkurs in die Stereochemie biologischer Reaktionen soll jetzt wieder zur Chemie der Carbonylverbindungen zurückgekehrt werden. Seite 11-19 Chemie der Carbonylverbindungen – Addition von Wasser Addition von Wasser d O d Carbonylgruppe Säurekatalyse Erhöhung der Elektrophilie des C-Atoms durch Protonierung der Carbonylgruppe Basenkatalyse Erhöhung der Nucleophilie des Nucleophils durch Deprotonierung (Ladungserhöhung) nucleophile Addition Eliminierung Eliminierung Die Addition von Wasser –einem schwachen Nucleophil – verläuft unkatalysiert langsam, wird aber durch Säureoder Basenkatalyse erheblich beschleunigt. Der Mechanismus folgt exakt dem oben angegebenen allgemeinen Mechanismus: Katalysator (H + ) Regeneration Katalysator (OH - ) Regeneration identisches Additionsprodukt + H2O H - OH H O O H Der Mechanismus zeigt, dass die nucleophile Addition von Wasser an Carbonylverbindungen einen vollständig reversiblen Prozess darstellt – alle Teilschritte sind exakt umkehrbar! Wichtige Konsequenz hieraus ist, dass es sich um eine Gleichgewichtsreaktion handelt. * Anstatt von Brönstedt-Säuren (H + ) können auch Lewis-Säuren (ZnCl 2 , FeCl 3 , etc.) zur Aktivierung von C=O verwendet werden: + OH - H2O d d 2 O ZnCl2 d d Seite Energie 11-20 Addition von Wasser – Hydratisierung Gleichgewichtslage zwischen Carbonylverbindung und Hydrat Edukte (Carbonyl) + H 2O Produkte (Hydrat) HO OH ?G > 0 ? K < 1 Gleichgewichtslage links: energetisch günstigere Edukte bevorzugt ?G < 0 ? K > 1 Gleichgewichtslage rechts: energetisch günstigere Produkte bevorzugt Die Reversibilität der Wasser-Addition unter Säure- oder Basen-katalysierten Bedingungen führt zu einer Gleichgewichtslage, die von der thermodynamischen Stabilität (d.h. dem relativen Energiegehalt) der Edukte (Carbonylverbindung + Wasser) und Produkte (Hydrat = geminales Diol mit zwei Hydroxylgruppen am selben C- Atom) abhängig ist:* Wasser-Addition an Carbonylverbindungen (Hydratisierung) Carbonyl Wasser (H 2O) Wiederholung: Gleichgewichtslage und Stabilität Gleichgewichtskonstante K und relative Stabilität ?G K = e Gleichgewichtsreaktion mit der Gleichgewichtskonstanten K [ Hydrat ] [ R 2C=O ] [ H 2O ] ?G R T ?G R T Hydrat (geminales Diol) Energiedifferenz [kJ/mol] Avogadrokonst. 8.314 J/mol/K Temperatur [K] * Die Säure- oder Basenkatalyse beschleunigt nur die Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung, die Gleichgewichtslage wird durch die Katalyse NICHT beeinflusst. Seite 11-21 Addition von Wasser – Hydratisierung Gleichgewichtslage zwischen Carbonylverbindung und Hydrat Gleichgewichtslage Die Gleichgewichtslage zwischen einer Carbonylverbindung und ihrem Hydrat ist abhängig von der Polarisierung der Carbonylgruppe, und damit auch abhängig von den Substituenten: der -I-Effekt eines Substituenten führt zu einer Erhöhung der positiven Partialladung am Carbonyl-Kohlenstoffatom, und daher zur Stabilisierung des Hydrats. Umgekehrt führt der +I-Effekt von Substituenten zu einer Erniedrigung der positiven Partialladung, und damit zu einer Destabilisierung des Hydrats (siehe auch die Kommentare oben zur Reaktivität von Carbonylverbindungen):* Carbonylverbindung O H K > 10000 Hydrat -I-Effekt HO OH + O Chloral Cl Cl Chloralhydrat C H Cl H C H Cl Formaldehyd K ~ 1000 HO OH Methandiol Seite 11-22 Isotopenmarkierung von Carbonylgruppen Isotopenmarkierung am Carbonyl-Sauerstoffatom nicht-markierte Verbindung - H2 18 O - H + H + H 2 18 O Isotopen-Austausch Reaktion "halb-seitig" Isotopen-markiertes Hydrat - H 2O - H + H + H 2O Die (vor allem durch von Säure- oder Basenkatalyse) sehr schnelle und reversible Bildung von Hydraten führt zu einem Austausch der Sauerstoffatome zwischen Carbonylverbindungen und Wasser. Dieser normalerweise „nichtbeobachtbare“ Effekt wird dann sichtbar, wenn anstatt „normalem“ Wasser (H 2 16 O mit dem „normalen“ Sauerstoff- Isotop 16 O), die mit dem Sauerstoff-Isotop 18 O „markierte“ Form (H 2 18 O) eingesetzt wird, und erlaubt dann die genaue „Verfolgung“ einzelner Atome im Verlauf von chemischen Reaktionen (Mechanismenaufklärung, für weitere Beispiele zur Isotopenmarkierung siehe auch Kapitel 6 zur Markierung von Isopren):* * Der Übersichtlichkeit halber wird in dem Formelschema nur das Isotop 18 O „markiert“! Der Austausch kann auch Basen-katalysiert stattfinden, formulieren Sie den Mechanismus! markierte Verbindung Seite O O R O R H H + H H O O R O R - H2O Halbacetal 11-23 Addition von Alkoholen – Halbacetale und Acetale Bildung von Halbacetalen und Acetalen Wasser-Addition an Carbonylverbindungen (Hydratisierung) + H 2O Carbonyl Wasser (H 2O) Alkohol Gleichgewichtsreaktion Da Alkohole als „substituiertes Wasser“ aufgefasst werden können, verläuft die erste Stufe ihrer Addition an Carbonylverbindungen nach exakt dem gleichen Mechanismus wie die oben beschriebene Hydratisierung. Sowohl die Säure- wie auch die Basen-katalysierte Addition von Alkoholen führt zur Ausbildung von Halbacetalen:* Alkohol-Addition an Carbonylverbindungen (Halbacetal Bildung) Hydrat (geminales Diol) Carbonyl Alkohol (ROH) Gleichgewichtsreaktion Halbacetal Ausschließlich unter Säurekatalyse – nicht aber unter Basenkatalyse – bilden sich aus Halbacetalen mit einem zweiten Equivalent Alkohol die so genannten Acetale (= Vollacetale): (Voll-) Acetal * Formulieren Sie den ausführlichen Mechanismus indem Sie H-O-H (H 2 O, Wasser) durch R-O-H (Alkohol) ersetzen! Verdeutlichen Sie sich diese Analogie zwischen Hydrat und Halbacetal! Seite d O d Carbonyl 11-24 Halbacetale und Acetale – Detaillierter Mechanismus Halbacetal- und Acetal-Bildung im Detail betrachtet Säurekatalyse Basenkatalyse + ROH + ROH + OH - H 2O + H 2O - OH Halbacetal Beispiele: Säurekatalyse + ROH - H2O + H Basenkatalyse Säurekatalyse: + OH Basenkatalyse: Na OH keine Reaktion bzw. keine Rückreaktion + OH verdünnte H 2SO 4, katalytisch TosOH = Die Bildung von Halbacetalen und Acetalen (ausgehend von Ketonen auch seltener als Halbketale oder Ketale bezeichnet) stellt eine extrem wichtige Reaktion dar, die vor allem die gesamte Organische Chemie und Biochemie der Kohlenhydrate dominiert (siehe unten und Kapitel 15). Diese Reaktion soll daher hier sehr ausführlich betrachtet werden, wobei hier nur die entscheidenden Zwischenstufen gezeigt sind (für eine vollständige Formulierung aller Zwischenstufen siehe die Mechanismen oben):* (Toluolsulfonsäure) * Der Übersichtlichkeit halber sind die Reagenzien zur Vervollständigung der Stöchiometrie nur auf den „Vorwärtspfeilen“ angegeben. R O O R Vollacetal SO 3H Seite 11-25 Halbacetale und Acetale – Reversibilität und Stabilität 1. Reversibilität und Katalyse Alle Reaktionen zur Bildung von Halbacetalen und Acetalen sind vollständig reversibel, d.h. es handelt sich um Gleichgewichtsreaktionen. Säure-Labilität der Halbacetale: - ROH Basen-Labilität der Halbacetale: ? angreifbare OH-Protonen ? Protonierung an H den O-Atomen (b) (a) ? E2-Eliminnierung von ROH - H 2O Carbonyl Vollacetale - ROH Carbonyl - ROH Säure-Labilität der Vollacetale: ? Protonierung an den Acetal-O-Atomen Basen-Stabilität der Vollacetale: ? keine angreifbaren OH-Protonen Halbacetal R O O R R O O R nur H Kat. + ROH, - H2O - ROH, - H 2O - ROH R O O R Vollacetal ? Die Bildung von Halbacetalen verläuft sowohl Säure- wie auch Basen-katalysiert; umgekehrt können Halbacetale sowohl im sauren, wie auch im basischen Milieu zu den Carbonylverbindungen abreagieren, und stehen mit diesem im Gleichgewicht: Halbacetale sind Säure- und Basen-labil. ? Die Bildung der Acetale (oder Vollacetale) verläuft ausschließlich Säure-katalysiert, aber nicht unter basischen Bedingungen; umgekehrt können Vollacetale nur unter sauren Bedingen zu Halbacetalen und Carbonylverbindungen abreagieren: Vollacetale sind Säure-labil und Basen-stabil. ? keine S N-Reaktionen, da RO eine sehr schlechte Abgangsgruppe ist (pK s ROH ~ 15-16) Halbacetale Seite 11-26 Addition von Alkoholen – Gleichgewichtslage 2. Mesomerie-Stabilisierung Entscheidender Faktor der Säure-katalysierten Reaktionen der Halb- und Vollacetale ist die hohe Mesomerie-Stabilisierung der Oxoniumionen-Zwischenstufe durch die freien Elektronenpaare des Sauerstoffs: obwohl der elektronegative Sauerstoff die positive Ladung trägt, haben alle Bindungspartner ein Elektronenoktett (besonders das C-Atom)! 3. Gleichgewichtslage und Entropie Oktett Sextett Die Reversibilität sowohl der Halb- wie auch der Vollacetal-Bildung bedingt, dass es sich um Gleichgewichtsreaktionen handelt (zum Zusammenhang zwischen Gleichgewichtslage und Stabilität siehe oben). Da die Halbacetal-Bildung unter Verminderung der Teilchenanzahl verläuft (Carbonyl + Alkohol = 2 Moleküle ? Halbacetal = 1 Molekül), und daher entropisch benachteiligt ist, liegt das Gleichgewicht häufig auf der Seite der Carbonylverbindung. Gleiches gilt für die Acetal-Bildung (Carbonyl + 2 x Alkohol = 3 Moleküle ? Vollacetal + Wasser = 2 Moleküle). Carbonyl Überschuss + ROH kat. H oder OH Halbacetal Die Gleichgewichtslage lässt sich über die Konzentrationen der beteiligten Stoffe direkt beeinflussen: Verwendung eines Überschusses an Alkohol ROH verschiebt das Gleichgewicht nach rechts zugunsten der Halb- und Vollacetale (Massenwirkungsgesetz und das „Prinzip des kleinsten Zwangs“). Analog kann die Bildung der Vollacetale erzwungen werden, wenn man möglichst wasserfreie Ausgangsmaterialien verwendet, und gleichzeitig das im Verlauf der Reaktion entstehende Wasser aus dem Gleichgewicht „entfernt“ (Abdestillieren des Wassers aus der Reaktionsmischung durch azeotrope Destillation*). Carbonyl Überschuss kat. H + 2 ROH H 2O + * Hier wird ein Hilfslösungsmittel wie z.B. Toluol verwendet, das ein Dampfgemisch mit Wasser bildet, und damit beim Abdestillieren das Wasser aus dem Gleichgewicht azeotrop „herausschleppt“. SH 2 R O O R Vollacetal Seite 11-27 Ergänzung: Azeotrope Destillation Cyclohexan bildet mit Wasser ein Azeotrop, das abdestilliert wird (Dampfgemisch aus Cyclohexan und Wasser steigt aus der Reaktionsmischung auf) Heizbad Kühler ? Das Cyclohexan-Wasser Dampfgemisch kondensiert und tropft zurück in den Wasserabscheider. Reaktionsmischung HO + kat. H H2O + HO 24-48 h 3-Nitrobenzaldehyd 1,2-Ethandiol (Glykol) Vollacetal Lösungsmittel = Cyclohexan Wasser Dampf-Phase (Azeotrop) ? durch Destillation untrennbares Gemisch Wasserabscheider ? In flüssigem Zustand sind Cyclohexan und Wasser nicht mischbar ? Das leichte Cyclohexan schwimmt oben und fließt zurück in die Reaktionslösung ? Das schwere Wasser sinkt nach unten und tropft nicht zurück Cyclohexan Katalysator TosOH = Phasengrenze Flüssige Phase ? zwei unmischbare, getrennte Phasen Gleichgewichtsverschiebung ? Durch Entfernen des Wassers aus der Reaktionsmischung muss sich das Gleichgewicht der Reaktion nach rechts verschieben SO 3H Häufig verwendete Hilfslösungsmittel, die Azeotrope mit Wasser bilden, sind zum Beispiel Toluol, Cyclohexan, Petrolether, etc. Seite 11-28 Halbacetale und Acetale – Intramolekulare Reaktionen 4. Intramolekulare Halbacetale und Acetale HO HO ß-pyranoide Form HO OH a-pyranoide Form D-Fructose Die Bildung von Halb- und Vollacetalen ist immer dann entropisch günstig, wenn ein Schritt der Acetalisierung nicht intermolekular (d.h. zwischen verschiedenen Molekülen), sondern intramolekular (d.h. innerhalb ein und des selben Moleküls) stattfinden kann. So bilden Hydroxy-substituierte Aldehyde und Ketone bevorzugt intramolekulare Halbacetale, vor allem wenn sich ein Fünf- oder Sechs-Ring ausbilden kann (kleinere oder größere Ringe sind generell weniger bevorzugt, Aldehyde sind reaktiver als Ketone): Hydroxy-Aldehyd 5-Hydroxypentanal Kohlenhydrate (siehe Kapitel 15) sind Polyhydroxy-Aldehyde oder Ketone, und liegen in wässriger Lösung (also auch in der Zelle!) bevorzugt in Form von cyclischen Halbacetalen vor. Im Fall der Fructose (Fruchtzucker) bilden sich ausgehend von der offenkettigen Form (Hydroxy-keton) verschiedene Halbacetale (Fünf- und Sechs- Ringe) mit unterschiedlicher Stereochemie. Sehen Sie die Halbacetal-Strukturelemente? Welchen funktionellen Gruppen (C=O + OH) sind jeweils an der Cyclisierung beteiligt? Zur Orientierung sind die C-Atome nummeriert! Nehmen Sie ein Molekülmodell zur Hand und bauen Sie die Stereochemie nach!* intramolekulare Cyclisierung (Halbacetalbildung) kat. H oder OH offenkettige keto-Form cyclisches Halbacetal zwei Enantiomere (1:1 = Racemat) HO O ß-furanoide Form HO O 2 5 HO a a-furanoide Form * In Wasser stehen alle Formen im Gleichgewicht miteinander (zur Nomenklatur siehe Kapitel 15). Die „ß-pyranoide Form ist die stabilste Form des Fruchtzuckers, die auch am süßesten schmeckt! Seite 11-29 Halbacetale und Acetale – Intramolekulare Reaktionen Auch bei der Glucose (Traubenzucker) handelt es sich um einen Polyhydroxy- Aldehyd, der in wässriger Lösung ebenfalls bevorzugt als Fünf- oder Sechs-Ring Halbacetal vorliegt (hier sind die pyranoiden Sechs-Ring Formen auch bevorzugt, siehe dazu auch Kapitel 15 – Kohlenhydrate).* Sehen Sie auch hier die Halbacetal- Strukturelemente? Beachten Sie die Nummerierung der C-Atome! Betrachten Sie die Stereochemie anhand von Modellen und beschreiben Sie den stereochemischen Zusammenhang zwischen den einzelnen Formen mit den Begriffen Konstitution, Konfiguration, Konformation, Enantiomere, oder Diastereomere (nicht alle Begriffe müssen hier verwendet werden). HO HO HO HO ß-pyranoide Form a-pyranoide Form D-Glucose offenkettige aldo-Form ß-furanoide Form a OH a-furanoide Form In den oben gezeigten Beispielen Hydroxy-substituierter Carbonylverbindungen – und vor allem bei den Kohlenhydraten – ist die Bildung cyclischer Halbacetale durch das Vorliegen der Carbonyl- (C=O) und Hydroxygruppe (O-H) im selben Molekül begünstigt (keine Entropie-Einbuße, da die Halbacetal-Bildung unter Erhalt der Anzahl der Moleküle, und nicht unter Verminderung der Teilchenanzahl läuft). Ein analoger Effekt tritt auf, wenn cyclische Vollacetale aus Carbonylverbindungen und Diolen (siehe Beispiele auf der nächsten Seite) gebildet werden – diese Reaktion läuft ebenfalls ohne wesentlichen Entropieverlust unter Erhalt der Molekülanzahl – aus Carbonyl + Diol bildet sich das Vollacetal + Wasser – und ist damit begünstigt. Typisch an den folgenden – auf den ersten Blick sicher nicht ganz einfachen – Beispielen ist, dass Benzaldehyd (Ph- CHO) als Carbonylverbindung bevorzugt mit 1,3-Diolen (z.B. 1,3-Propandiol) zur Ausbildung von Sechs-Ring Vollacetalen tendiert, während Aceton (H3C-CO-CH3 ) bevorzugt mit 1,2-Diolen (z.B. 1,2-Ethandiol = Glykol) zu Fünf- Ring Vollacetalen umgesetzt werden kann. * In Wasser stehen alle Form im Gleichgewicht miteinander (zur Nomenklatur siehe Kapitel 15). Mit Modellen sollten Sie in der Lage sein, diese (nicht ganz einfachen) Beispiele zu verstehen! Seite 11-30 Halbacetale und Acetale – Carbonylverbindungen und Diole Sechs-Ring Acetale HO kat. H O + H HO H O Benzaldehyd 1,3-Propandiol Benzyliden-Acetal (1,3-Dioxan Ring) Fortgeschrittenen-Beispiel aus der Kohlenhydrat-Chemie: ? Analysieren Sie die Ringgrößen die bei der Acetal-Bildung entstehen können! HO HO Fünf-Ring Acetale O + HO kat. H O O H3C CH3 HO H3C CH3 Aceton Glykol Isopropyliden-Acetal = Acetonid (1,2-Ethandiol) (1,3-Dioxolan Ring) + H 2O + H 2O kat. H Anmerkungen zu den Namen: Anmerkungen zu den Namen: Benzyliden-Gruppe Isopropyliden-Gruppe 1,3-Dioxan 1,3-Dioxolan 2 OH H CH 2 H 3C 3 2O O 5 Experten-Beispiel aus der Kohlenhydrat-Chemie: 6 O 1 ? Analysieren Sie die Strukturen (Acetale,Alkohole)! 4 5 O kat. H 4 OH a HO 2 ? Die Reaktion liefert tatsächlich nur dieses HO 1 3 O 3 2 Produkt, und ist nur unter Zuhilfenahme des a CH O 3 OH Halbacetal-Gleichgewichts der Glucose erklärbar! OH CH3 ? Alle Reaktionsschritte sind Gleichgewichte! a-D-Glucose-Derivat Zwei Fünf-Ring Isopropyliden-Acetale H3C H3C Anmerkung: Halbacetale und Vollacetale sind sehr wichtige Stoffklassen (? Kohlenhydrate!). Der häufigste Fehler in Klausuren ist diese Strukturelemente mit Ethern zu verwechseln! Seite 11-31 Halbacetale und Acetale – Spiro-Acetale 5. Spiro-Acetale Cyclische Ketone bilden mit 1,2- oder 1,3-Diolen so genannte Spiro-Acetale, die sich durch zwei Ringe auszeichnen, die über ein einziges Kohlenstoffatom miteinander verknüpft sind: H2O OH O HO H2O O O O O kat. H 6. Acetale und Ether im Vergleich Cyclohexanon Die Stoffklassen der Carbonyl-Hydrate, Halbacetale und Vollacetale dürfen nicht mit den Stoffklassen der Alkohole oder Ether verwechselt werden. Ein sehr häufig gemachter Fehler ist, die Acetale als „Diether“ zu bezeichnen (ich möchte in diesem Zusammenhang dieses „Unwort“ nie hören). Neben den unten aufgeführten Unterschieden ergeben sich auch unterschiedliche Oxidationsstufen des zentralen C-Atoms (siehe nächster Abschnitt): Vollacetal kat. H kat. H Oxoniumion ? zwei Sauerstoffatome am selben C-Atom gebunden ? Säure-labile Gruppe, die über die Zwischenstufe von stark Mesomerie-stabilisierten Oxoniumionen gespalten und hydrolysiert werden kann Ether Carbeniumion Folgereaktionen ? nur ein Sauerstoffatom am C-Atom gebunden ? Säure-unempfindliche Gruppe, die nur durch sehr starke Säuren über die Zwischenstufe von Carbeniumionen gespalten wird (siehe Kapitel 8 - Etherspaltung) Seite 11-32 Halbacetale und Acetale – Oxidationsstufen 7. Oxidationszahlen Oxidationszahlen Aldehyd Keton HO OH +1 Hydrat HO OH +2 Hydrat HO O CH3 +1 Halbacetal HO O CH3 +2 Halbacetal Vollacetal Vollacetal primärer Alkohol sekundärer Alkohol Carbonylverbindungen (Aldehyde und Ketone) sowie die entsprechenden Hydrate, Halbacetale und Vollacetale besitzen am jeweiligen Kohlenstoffatom jeweils die gleiche Oxidationsstufe, sie lassen sich demnach durch Säurekatalysierte Umsetzung mit Alkoholen (? Acetal-Bildung) oder Wasser (? Hydrolyse) ineinander überführen, wobei keine Oxidation oder Reduktion des Carbonyl-C-Atoms erfolgt, und somit auch keine Oxidations- oder Reduktionsmittel benötigt werden. Alkohole und Ether müssen von den Carbonylverbindungen klar abgegrenzt werden: Reduktion (Hydrierung) Oxidation (Dehydrierung) Oxidation (Dehydrierung) Ether Reduktion (Hydrierung) Alkohole lassen sich nur durch Oxidation (Dehydrierung) in Aldehyde bzw. Ketone umwandeln, wobei die Oxidationsstufe des entsprechenden C-Atoms von -1 (primärer Alkohol) ? +1 (Aldehyd) bzw. ±0 (sekundärer Alkohol) ? +2 (Keton) wechseln muss – tertiäre Alkohole (Oxidationsstufe +1) lassen sich nicht ohne C-C- Bindungsspaltung oxidieren (siehe Diskussion in Kapitel 8). Umgekehrt lassen sich Aldehyde zu primären Alkoholen, und Ketone zu sekundären Alkoholen reduzieren (Hydrierung, siehe dieses Kapitel weiter hinten). Ether Seite 11-33 Halbacetale und Acetale – Schutzgruppen 8. Acetale als Schutzgruppen für Carbonylverbindungen 4-Brom-2-butanon Cyanhydrin Vollacetal Die relativ leichte und vor allem reversible Bildung von Acetalen wird in der Organischen Chemie häufig verwendet um Carbonylgruppen zu schützen, und damit im Verlauf von chemischen Reaktionen zu „maskieren“. Nach Abschluss einer Synthesesequenz – die andernfalls aufgrund der Reaktivität der Carbonylgruppe zu einem anderen Produkt führen würde – kann diese Acetal-Schutzgruppe leicht abgespalten werden und damit die Carbonylgruppe wieder freigesetzt werden: SN2 O + OH HO O O O O [ H ] + Na CN 1 2 3 4 Br - H Br C 2O - NaBr N ? das Cyanid-Ion (Nucleophil) greift Carbonylgruppen direkt unter Bildung von Cyanhydrinen an + Na CN H 2O ? schützen (maskieren) der - C=O-Gruppe als Vollacetal HO ? nucleophile Substitution von Br mit CN ? entfernen der Schutzgruppe durch Hydrolyse unterschiedliche Produkte Vollacetal [ H ] + H 2O Keto-Nitril Das Beispiel oben zeigt die Umwandlung der Carbonylgruppe in ein stabiles Acetal, das gegenüber nucleophilen Substitutionsreaktionen (SN-Reaktionen, siehe Kapitel 4) unempfindlich ist (RO- wäre eine sehr schlechte Abgangsgruppe), und damit den Weg zur Substitution des Bromids möglich macht. Durch Hydrolyse unter sauren Bedingungen (Überschuss Wasser) wird die Schutzgruppe wieder abgespalten und die Carbonylgruppe regeneriert. Das folgende Beispiel zeigt die Umwandlung eines Oxidations-empfindlichen Aldehyds in ein Oxidationsunempfindliches Acetal. Nachfolgende 1,2-Dihydroxylierung (siehe Kapitel 5) und Abspaltung der Schutzgruppe führt zum Dihydroxy-Aldehyd, während ohne die Schutzgruppen-Operation die Dihydroxycarbonsäure erhalten würde (zur Oxidation von Aldehyden siehe Kapitel 8 unter der stufenweisen Oxidation von Alkoholen). Seite 11-34 Halbacetale und Acetale – Schutzgruppen ? Aldehyde werden von Oxidationsmitteln leicht zu Carbonsäuren oxidiert, gleichzeitig erfolgt die oxidative Dihydroxylierung mit KMnO 4 (siehe Kapitel 5) KMnO 4 + OH HO [ H ] - H 2O Vollacetal ? schützen (maskieren) der - C=O-Gruppe als Vollacetal HO ? Dihydroxylierung der C=C-Doppelbindung ? entfernen der Schutzgruppe durch Hydrolyse unterschiedliche Produkte KMnO 4 [ H ] + H 2O Die Verwendung von Schutzgruppen muss mehrere Voraussetzungen erfüllen: ? Schutzgruppen müssen leicht und selektiv einführbar sein. ? Die Schutzgruppe muss unter den nachfolgenden Reaktionsbedingungen stabil sein. ? Schutzgruppen müssen auch wieder leicht abspaltbar sein, und damit die geschützte Funktion wieder freigeben. ? Schutzgruppen sollten billig und robust in der Anwendung sein. Acetale stellen sehr weit verbreitete Schutzgruppen für Aldehyde und Ketone dar – ihre Verwendung limitiert nachfolgende Reaktionsschritte allerdings auf Syntheseschritte unter basischen oder neutralen Bedingungen (allenfalls noch schwach saure oder Wasser-freie Bedingungen abhängig von der Stabilität der Acetale), da andernfalls Hydrolyse der Schutzgruppe erfolgt. * Die Verwendung von Schutzgruppen wird umso wichtiger, je komplizierter die Zielmoleküle werden. Besonders die Synthese von Peptiden und DNA Bausteinen kommt nicht ohne Schutzgruppen aus. 11-35 Halbacetale und Acetale – Schutzgruppen Carbonyl HO O Glykol H Aceton HO H 3C CH3 2O H3C kat. H Schutzgruppe für Carbonyle R R Vollacetal (1,3-Dioxolan- Schutzgruppe) entspricht R R R Vollacetal (Isopropyliden- Schutzgruppe) HO OH 1,2-Diol kat. H Schutzgruppe für Diole Aceton- CH3 CH3 dimethylacetal O O R R R R kat. H 2 CH 3OH Analog zum Schutz der Carbonylgruppe durch Acetalisierung mit Diolen, lassen sich umgekehrt auch Diole durch Acetalisierung mit Carbonylverbindungen schützen – die Frage was die „Schutzgruppe“ (engl.: „protecting group“) ist, und was als die zu „schützende Gruppe“ angesehen wird, ist nur eine Frage des Standpunktes des Chemikers, nicht der Moleküle. Die folgenden Beispiele zeigen exemplarisch ein paar Anwendungen für die Bildung von Acetalen, die auch häufig als Schutzgruppen Verwendung finden: Insbesondere die Isopropyliden-Schutzgruppe für 1,2- Diole lässt sich elegant durch umsetzen der Diole mit dem Dimethylacetal von Aceton erzielen: Da es sich bei allen Acetal-Bildungen und -Spaltungen um Gleichgewichts- Reaktionen handelt, findet hier nur ein Austausch der Alkohole am Carbonyl-Kohlenstoffatom (grau markiert im Aceton-dimethylacetal) statt (? „Um-acetalisierung“). Die bemerkenswert geschickte Wahl des Acetalisierungs- Reagenz bedingt, dass sich bei der Reaktion von links nach rechts die Teilchenzahl von 2 auf 3 erhöht, somit ist die Gleichgewichtslage auf der gewünschten rechten Seite Entropie-begünstigt! R R 1,2-Diol R R R R R R Vollacetal (Isopropyliden- Schutzgruppe) Seite 11-36 Halbacetale und Acetale – Schutzgruppen und Thioacetale HS 1,2-Ethandithiol Carbonyl kat. H R R Dithioacetal HO HO Ebenfalls eine sehr elegante Schutzgruppe ist die Tetrahydropyran-Schutzgruppe für Alkohole. Das „Aufziehen“ der Schutzgruppe wird allerdings nicht durch klassische Acetal-Bildung erzielt, sondern günstiger durch elektrophile Addition des zu schützenden Alkohols an die C=C-Doppelbindung von Dihydropyran.* Die spätere Freisetzung des Alkohols erfolgt durch einfache Säure-katalysierte Hydrolyse des Acetals in Gegenwart von Wasser (ein häufiger Nachteil der THP-Schutzgruppe ist die Generierung eines neuen Chiralitätszentrums. Wo?): R OH + Elektrophile Addition von ROH an eine C=C-Doppelbindung kat. H (ohne Gegenwart von Wasser) Alkohol Dihydropyran Tetrahydropyran- Schutzgruppe (THP) 9. Dithioacetale und Acetale im Vergleich Hydrolyse des Acetals und Freisetzung des Alkohols kat. H + H 2O = R-OTHP Dithioacetal der D-Glucose: R OH + Alkohol Da Thiole ähnliche Eigenschaften wie die Alkohole aufweisen (siehe Kapitel 9 – Schwefelverbindungen), ist es nicht verwunderlich, dass entsprechende Dithiole mit Carbonylverbindungen zu Dithioacetalen umgesetzt werden können. Die höhere Nucleophilie von Schwefel im Vergleich zu Sauerstoff bedingt, das sich Thioacetale im Vergleich zu den Acetalen sehr leicht bilden und auch deutlich stabiler gegen Hydrolyse sind: = THP * Warum entsteht bei dieser Reaktion ausschließlich das gezeigte Regioisomer? Wenn Sie diesen Mechanismus nicht erkennen, wiederholen Sie Kapitel 5 – Additionsreaktionen der Alkene! Seite 11-37 Halbacetale und Acetale – Beispiele 10. Verständnis-Beispiele aus dem Bereich der Kohlenhydrat-Chemie Analysieren Sie diese Reaktionen einmal auf die Carbonyl- und Alkohol-Komponenten der sehr unterschiedlichen Acetal-Strukturelemente, die in diesen Molekülen auftreten – in allen Fällen handelt es um Derivate der D-Galactose. Dies sind Beispiele und experimentelle Befunde aus der Chemie der Kohlenhydrate – man sollte nicht versuchen zu verstehen warum sich diese Acetale so wie gezeigt bilden, man kann aber gut nachvollziehen wie sie sich bilden müssen (alle grau markierten C-Atome bilden Acetale aus): H3C O ZnCl 2 95% [ H + ] 46% OCH3 OCH3 OCH3 OCH3 andere Schreibweisen: entspricht: Methyl a-D-Galactopyranosid * Die selektive Blockierung vicinaler Diole: Anwendungen in der Synthese. T. Ziegler, Angew. Chem. 1994, 106, 2362-2365. [ H + ] 93% OCH 3 OCH 3 OCH 3 Seite 11-38 Halbacetale und Acetale – Kohlenhydrate 11. Biochemische Bedeutung von Acetalen und Halbacetalen: Alle Kohlenhydrate! Die abgebildeten Strukturen stellen Kohlenhydrate dar, wie sie auch in biologischen Systemen auftreten. Erkennen Sie die Acetale und Halbacetale in den Strukturen? Die dominierenden Strukturelemente der Kohlenhydrate sind Hydroxylgruppen, Halb- und Vollacetale, dann kommt nur noch ein bisschen Stereochemie hinzu (siehe auch Kapitel 15, weitere Beispiele auch in Anhang B): HO HO D-Glucose (Traubenzucker) Amylose a-Lactose (Milchzucker) HO Saccharose HO (Haushaltszucker) HO Cellulose Seite 11-39 Imine (Schiff‘sche Basen) Bildung der Imine aus Carbonylverbindungen Neben den bisher besprochenen O-Nucleophilen (? Acetale etc.) sind vor allem auch N-Nucleophile geeignet Carbonylgruppen anzugreifen. Da Amine nucleophil sind (siehe Kapitel 9), reagieren sie auch mit Carbonylgruppen, in völliger Analogie zur Reaktion von Carbonylverbindungen mit Wasser (? Hydratisierung) oder Alkoholen (? Halb- und Vollacetale). Dabei ist Stickstoff deutlich nucleophiler als Sauerstoff, und eine Säurekatalyse ist nicht immer erforderlich.* Die Reaktion von primären Aminen ist exakt analog zur reversiblen Addition von Wasser, und verläuft über die Zwischenstufe der instabilen Halbaminale, die dann entweder wieder in die Carbonylverbindung + Amin, oder aber in ein Imin + Wasser zerfallen: H H N R O R Carbonyl- Verbindung - H + H - H2NR + H2NR H R H H H Carbonyl-Imin-Austausch Reaktion Halbaminal - H + H - H2O + H2O N R H H Imin (Schiff'sche Base) * Zu beachten ist, dass Amine auch deutlich basisch sind – mit starken Säuren erfolgt die Bildung von nicht mehr nucleophilen Ammoniumsalzen, und damit keine Reaktion mehr mit Carbonylen! Seite 11-40 Imine (Schiff‘sche Basen) Die Imine stellen die Stickstoff-Analoga (Aza-Analoga) der Carbonylverbindungen dar, und werden auch als Schiff‘sche Basen bezeichnet. Deren Hydrolyse liefert wiederum die Carbonylverbindung. Aufgrund der geringeren Elektronegativität von Stickstoff im Vergleich Sauerstoff findet – außer mit reaktiven Nucleophilen – kein weiterer nucleophiler Angriff auf das Kohlenstoff-Atom der Imine statt. Carbonyl hohe Polarität leichter Angriff Primare Amine (H2NR) reagieren wie beschrieben mit Carbonylverbindungen unter Bildung von Iminen. Der oben abgebildete Mechanismus entspricht exakt dem der reversiblen Addition von Wasser an Carbonylgruppen, und damit der weiter vorne beschriebenen Isotopen-Austausch-Reaktion an Carbonylgruppen – vergleichen Sie die Reaktions- Schemata, und es wird ersichtlich, dass HO(H) (= H2O, Wasser) exakt austauschbar mit HN(HR) (= H2NR, primäre Amine) ist. Einen wesentlichen Beitrag zur Triebkraft der Bildung von Iminen aus Carbonylverbindungen und primären Aminen ist die gleichzeitige Abspaltung des sehr stabilen Wassermoleküls. Sekundäre Amine (HNR2 ) reagieren mit Carbonylverbindungen analog bis zur Stufe der instabilen Halbaminale – eine weitere Reaktion ist dann aufgrund des Fehlens von weiteren N-H-Protonen nicht mehr möglich. Besteht die Möglichkeit zur Abspaltung von H2O aus benachbarten a-C-H Positionen, so zerfallen diese Halbaminale unter Abspaltung von Wasser in Enamine (= „Alken-Amine“), andernfalls findet nur Rückreaktion in die stabileren Ausgangsmaterialien (Amin + Carbonyl) statt (das Gleichgewicht liegt dann fast vollständig auf der Seite der Edukte). Tertiäre Amine (NR3 ) addieren zwar auch reversibel an Carbonylverbindungen, das Fehlen von N-H-Protonen verhindert die Ausbildung von weiteren Folgeprodukten, und die Edukte sind im Gleichgewicht bei weitem bevorzugt (? keine „wahrnehmbare“ Reaktion). Quartäre Amine ( + NR4 , Ammoniumsalze) können aufgrund des Fehlens eines freien Elektronenpaars am Stickstoffatom nicht an Carbonylverbindungen addieren (? keine Reaktion). Imin R N R R N d C C d niedrige Polarität schwerer Angriff Seite 11-41 Reaktion von Carbonylverbindungen mit Aminen primäre Amine: Carbonyl [ H ] Halbaminal [ H ] Carbonyl Halbaminal Imin Enamin quartäre Amine (Ammoniumsalze): Carbonyl Carbonyl [ H ] (nicht stabil) keine Reaktion Seite 11-42 Reaktion von Carbonylverbindungen mit Aminen N-Nucleophile Eine Reihe weiterer Verbindungsklassen wird durch Reaktion von Carbonylverbindungen mit Amin-analogen N- Nucleophilen gebildet, wobei der Mechanismus dem der Bildung von Iminen entspricht. Viele dieser Carbonylderivate (z.B. Oxime, Semicarbazone, Phenylhydrazone) zeichnen sich erfahrungsgemäß durch eine hohe Kristallisierungstendenz aus, und wurden daher vor allem in der Vergangenheit zur Reinigung und Charakterisierung von Carbonylverbindungen genutzt: O N OH H N H OH - H2O H H Hydroxylamin (H2NOH) N O (Stickstoff ist nucleophiler als Sauerstoff) H Carbonyl Oxim NHCONH 2 Carbonyl Semicarbazon Semicarbazid NH 2 NH 2 (nur das farbig markierte Stickstoffatom reagiert als Nucleophil) (nur das farbig markierte Stickstoffatom reagiert als Nucleophil) Seite 11-43 Imine in der Biochemie Biologische Bedeutung der Imine Hydrolyse Die biologische Bedeutung von Iminen liegt in der Tatsache begründet, dass viele Carbonylverbindungen reversibel an freie Aminogruppen in Enzymen und Proteinen gebunden werden. Auch in der „Chemie des Sehens“ wird das bereits in Kapitel 5 (Alkene und Alkine) angesprochene 11-cis-Retinal im Protein Opsin als Imin an die Seitenkette eines Lysin- Aminosäurerestes gebunden (? lichtempfindlicher Rhodopsin-Komplex). Die Licht-induzierte Isomerisierung von 11-cis-Retinal in die trans-Form bewirkt eine Konformationsänderung im Opsin, wodurch eine Kaskade von Enzymreaktionen in Gang gesetzt wird (chemische Verstärkung des Signals um den Faktor ~10.000), die letztendlich ein elektrisches Nervensignal auslöst. Zur Reaktivierung der Sehzelle wird das Imin zum Aldehyd und Amin (Lysin) hydrolysiert, und außerhalb der Zelle isomerisiert die Retinal-Isomerase das 11-trans-Retinal wieder in die cis-Form zurück. In der Zelle reagiert dieses wiederum mit der Aminogruppe des Lysins zum Imin, und der Cyclus startet erneut: 11-cis-Retinal 11-trans-Retinal Retinal-Isomerase Vitamin A Kovalente Bindung an Opsin h? (Licht) ? Geometrie-Änderung löst dann im Licht-Rezeptor den Nervenimpuls aus Protein Opsin Lysin Seite 11-44 Imine in der Biochemie Transaminierung Pyridoxin (Vitamin B 6) Oxidation und Phosphorylierung 2 O3PO H Lysin 2 O3PO 2 O3PO H Tautomerie Lysin Biochemisch spielen Schiff‘sche Basen (= Imine) bei der Transaminierung (d.h. der „Verschiebung“ von Aminogruppen zwischen a-Aminosäuren und a-Ketocarbonsäuren) eine entscheidende Rolle. Insbesondere wird in einem ersten Schritt das Coenzym Pyridoxalphosphat (aus Pyridoxin = Vitamin B6 ) kovalent an die terminale Aminogruppe eines Lysin-Restes der Transaminase gebunden, wobei es sich um die Bildung eines Imins wie oben beschrieben handelt: Lysin Kovalent an einen Lysin-Rest einer Transaminase (Aminotransferase) gebundenes PLP (Schiff'sche Base = Imin) Lysin basisches Imin saures Phenol * Die reversible Transaminierung stellt einen Schlüsselschritt im Aminosäure-Metabolismus (sowohl im Anabolismus wie auch im Katabolismus, da alle Reaktionen reversibel sind) dar. Seite 11-45 Reduktion von Carbonylverbindungen Hydrierung und reduktive Aminierung In Umkehrung zu der in Kapitel 8 ausführlich beschriebenen Oxidation (Dehydrierung) von primären und sekundären Alkoholen (? Aldehyde bzw. Ketone), resultieren aus der Reduktion von Carbonylverbindungen die entsprechenden Alkohole. Diese Reduktion kann katalytisch mit molekularem Wasserstoff (H 2 ) an Hydrierungs- Katalysatoren wie z.B. Platin (Pt), Palladium (Pd), oder Raney-Nickel (Ni) durchgeführt werden. Aldehyd Reduktion R C O H R C +1 + [ 2H ] OH -1 - [ 2H ] H H Keton primärer Alkohol R C O R R C +2 + [ 2H ] OH ±0 - [ 2H ] H R Oxidation sekundärer Alkohol R C H Aldehyd R C R Keton R OH primärer Alkohol sekundärer Alkohol Führt man die katalytische Hydrierung der Carbonylverbindungen in Gegenwart von Aminen durch, so bilden sich in einen vorgelagerten Gleichgewicht in einer schnellen Reaktion die oben beschriebenen Imine (Schiff‘sche Basen). Diese Aza-analogen Carbonylverbindungen werden dann in einer nachfolgenden, langsameren Hydrierung zu den entsprechenden Aminen reduziert (siehe Schema auf der nächsten Seite). In der Summe handelt es damit um eine reduktive Aminierung, in deren Verlauf die Carbonylgruppe in eine Aminofunktion umgewandelt wird. Je nach eingesetzter Stickstoffquelle entstehen so aus Carbonylen und Ammoniak die entsprechenden primären Amine, bei Reaktion von Carbonylverbindungen mit primären Aminen erfolgt reduktive Aminierung zu sekundären Aminen. 11-46 Reduktion von Carbonylverbindungen schnelle, reversible Bildung des Imins in einem vorgelagerten irreversible Hydrierung H Gleichgewicht (Aminierung) H (Reduktion) O N H H H H O N H O H N H H2 / Pt oder R H [ H ] R H [ H ] R H H2 / Raney-Nickel R N H H Aldehyd H Halbaminal H Imin primäres Amin O N H R H H O N R O H N R H2 / Pt oder R H [ H ] R H [ H ] R H H2 / Raney-Nickel R N R H Aldehyd Halbaminal Imin sekundäres Amin Praktisch kann diese reduktive Aminierung in einem Schritt und in einem Reaktionsgefäß durchgeführt werden (Carbonylverbindung + Amin + Hydrierungs-Katalysator + Wasserstoff); Aldehyde und Ketone reagieren analog. Im Fall der Reaktion von sekundären Aminen mit dem sehr reaktiven Formaldehyd können die intermediären Iminiumionen auch – anstatt katalytisch mit molekularem Wasserstoff – durch Zugabe von Ameisensäure (HCOOH ? CO2 + 2 [H]) reduziert werden (Leukart-Wallach-Reaktion:* reduktive Aminierung von Formaldehyd ? N-Methyl-Amin): Formaldehyd O Furfural NH 3 H 2 / Pt Furfurylamin NH 2 HCOOH - CO 2 * In der Leukart-Wallach-Reaktion wir ein Wasserstoff als Anion (Hydrid), ein anderes als Proton (H + ) von der Ameisensäure auf das C-Atom des Iminiumions übertragen (? Reduktion). Seite 11-47 Reduktion von Carbonylverbindungen Hydrid-Reduktionen Aldehyd LiAlH 4 Alkoholat "AlH 3" Al 3 wässrige Aufarbeitung mit verdünnter Säure Eine sehr elegante und häufig angewendete Methode zur Reduktion von Carbonylverbindungen ist die Reduktion durch Übertragung von Hydrid (Anion „H - “). Während Natriumhydrid (NaH = Na + H - ) für diesen Zweck aufgrund seiner sehr hohen Basizität (siehe unten zur Acidität von Carbonylverbindungen) nicht geeignet ist, kann diese Reaktion mit komplexen Hydriden wie z.B. Lithiumaluminiumhydrid (LiAlH 4 ) oder Natriumborhydrid (NaBH 4 ) durchgeführt werden, wobei jeweils vier Wasserstoffatome als Hydrid übertragen werden können: Natriumhydrid LiAlH 4 Na H Lithiumaluminiumhydrid = Li = H Al Natriumborhydrid NaBH 4 AlH 4 = Na = H B BH 4 ? 4 H Elektronegativitäten (EN) Na H Li Al 0.9 2.2 1.0 1.6 ?EN(Al-H) Na 0.9 ? 4 H B 2.0 ?EN(B-H) primärer Alkohol Ketone reagieren analog unter Bildung von sekundären Alkoholen. Allgemein müssen Reduktionen von Carbonylverbindungen immer daraufhin untersucht werden, ob sich möglicherweise durch die Übertragung von Hydrid auf die „Vorder“- bzw. „Rück“-Seite der Carbonylgruppe stereoisomere Produkte bilden können. ? höhere Reaktivität von LiAlH 4 ? niedrigere Reaktivität von NaBH 4 * Natriumhydrid (NaH) reagiert fast ausschließlich als sehr starke Base, die nucleophilen Eigenschaften des Hydrid-Ions treten nicht zutage. 11-48 Reduktion von Carbonylverbindungen Beispiele Aceton 2-Butanon 1.) LiAlH 4 2.) H 1.) NaBH4 O OH 2.) H (S)-2-Butanol 1 : 1 (Racemat) H + (R)-2-Butanol Cyclohexanon 2.) H Cyclohexanol Hier einige Beispiele zur Reduktion von Carbonylverbindungen mit komplexen Hydriden bzw. Wasserstoff unter besonderer Berücksichtigung der Stereochemie – machen Sie sich Gedanken, warum in einem Fall Enantiomere, im anderen Fall aber Diastereomere entstehen, und in welchem Verhältnis diese Stereoisomere jeweils gebildet werden (zum Halbacetal-Gleichgewicht der D-Fructose siehe dieses Kapitel, weiter vorne!): HO HO (achiral) Enantiomere (chiral) Diastereomere ß-pyranoide Form D-Fructose offenkettige keto-Form Glucitol (= Sorbitol, Sorbit) Zuckerersatzstoff für Diabetiker Mannitol * Glucitol (= Sorbitol, E 420) und Mannitol (E 421) sind Kalorienreduzierte Zuckerersatzstoffe, die in Bonbons für Diabetiker zu finden sind. Sind das jetzt Enantiomere oder Diastereomere? Seite 11-49 Biochemisches Equivalent zur Hydrid-Reduktion von C=O Das Biologische NaBH 4 -Equivalent Diphosphat NH 2 NADH (reduzierte Form) NH 2 NH 2 R' = -H 2 R' = -PO3 NH 2 + H H NAD entspricht formal "H2" (oxidierte Form) Nicotinamid Adenin (Ade) NADH NADPH Pyruvat (achiral) NADH (engl.: nicotinamide adenine dinucleotide) (engl.: nicotinamide adenine dinucleotide phosphate) Lactat- Dehydrogenase Das biochemische Equivalent zu NaBH4 (oder LiAlH4 ) ist das Wasserstoff transportierende Coenzym Nicotinamid- Adenin-Dinucleotid-Phosphat (NADP O Enzym-Cofaktor Pyruvat H H O H O Säuren H3C COO (achiral) + oder NAD + ):* Stereospezifische enzymatische Reduktion von Pyruvat: Lactat- Dehydrogenase (S)-Lactat (S)-Lactat * Die zusätzliche Phosphatgruppe ändert nicht am Wirkmechanismus von NADP + bzw. NAD + , wobei NADH wird im Katabolismus oxidiert wird, währen NADPH das Equivalent im Anabolismus ist. Seite 11-50 Stereochemie der Hydrid-Reduktion von C=O Stereospezifische (enzymatische) und unspezifische (NaBH 4 ) Reduktion von Pyruvat Stereospezifische enzymatische Reduktion von Pyruvat: Pyruvat (achiral) NH 2 NADH NADH Lactat- Dehydrogenase Enzym Mg 2 (S)-Lactat Enantiomeren-reines Produkt Hydrid-Übertragung (Reduktion) nur von einer Seite möglich ? das chirale Enzym fixiert das Coenzym und Pyruvat, so dass die Hydrid-Übertragung nur von einer Seite möglich ist ? es wird ausschließlich das Enantiomer (S)-Lactat gebildet, das (R)-Enantiomer kann nicht gebildet werden ? enantiospezifische (= stereospezifische) Reduktion Stereounspezifische Reduktion von Pyruvat: Pyruvat (achiral) "Rückseiten"- Angriff O BH 4 NaBH 4 BH 4 "Vorderseiten"- Angriff NaBH 4 (R/S)-Lactat (racemisch) 1 : 1 Mischung (Racemat) (R)-Lactat (S)-Lactat ? alle beteiligten Stoffe sind achiral ? "Vorder"- und "Rückseiten"-Angriff sind gleich wahrscheinlich ? die Enantiomere (R)- und (S)-Lactat werden exakt im Verhältnis 1:1 als Racemat gebildet ? keine Enantioselektivität der Reduktion (= stereounspezifisch) Anmerkung: Die Anordnung von Pyruvat und NADH im Enzym bedingt gleichzeitig, dass nur das „Vorderseiten“-H-Atom (in orange) von NADH auf Pyruvat übertragen wird, nicht das andere! Seite 11-51 Die Biomolekulare Homochiralität unserer Welt Die Welt in der wird leben (Enzyme aus L-Aminosäuren): Eine fiktive Spiegelwelt aus D-Aminosäuren: NH 2 NADH NH 2 Enzym Mg 2 Enzym ungünstige Orientierung ? das chirale Enzym der "normalen" Welt bindet Pyruvat nur in der oben gezeigten Art und Weise ? der unten abgebildete Enzym-Substrat-Komplex ist ein Diastereomer der oberen Form (nicht Bild-Spiegelbild!) und hat daher andere physikalische Eigenschaften: die Bindung von Pyruvat ist hier energetisch sehr ungünstig ? es wird ausschließlich das Enantiomer (S)-Lactat gebildet das (R)-Enantiomer kann nicht gebildet werden Spiegelebene Enzym* O O H COO Enantiomere OOC H NH2 H H H3C OH (S)-Lactat HO CH3 (R)-Lactat 2 O Mg O CH3 N Diastereomere Diastereomere NADH R Enzym-Substrat- Enzym-Substrat- Komplexe Komplexe Enzym* O O H COO Enantiomere OOC H ungünstige Orientierung NH2 H H HO CH3 (R)-Lactat H3C OH (S)-Lactat 2 O H3C Mg O N NADH R ? das Spiegel-Enzym* der Spiegelwelt bindet Pyruvat nur in spiegelbildlicher Weise ? der unten abgebildete Enzym-Substrat-Komplex ist ein Diastereomer der oberen Form (nicht Bild-Spiegelbild!) und hat daher andere physikalische Eigenschaften: die Bindung von Pyruvat ist hier energetisch sehr ungünstig ? es wird ausschließlich das Enantiomer (R)-Lactat gebildet das (S)-Enantiomer kann nicht gebildet werden Diese Betrachtung ist auf alle enzymatisch-katalysierten Reaktionen der gesamten Biochemie übertragbar. Verdeutlichen Sie sich das! Spiegel-Enzyme gibt es nicht, daher wird nur (S)-Lactat gebildet. Woher kommt aber die Chiralität der L-Aminosäuren unserer Welt? Viele Theorien, aber im Endeffekt: wir wissen es nicht! Seite 11-52 Nucleophile Addition an Carbonylverbindungen Addition von Organometall-Verbindungen R' C H Aldehyd R' C R'' Keton R-Li oder R-MgHal 2.) Aufarbeitung + H 1.) R-Li oder R-MgHal 2.) Aufarbeitung + H entspricht R M R' C sekundärer Alkohol R' C R'' R tertiärer Alkohol Benzaldehyd Et Et Diethylketon n-Bu n-BuLi + H EtMgBr Et Et + H Et MgBr OH Organo-Lithium oder Organo-Magnesium-Verbindungen (= Grignard-Reagenzien, zu deren Darstellung aus Halogenalkanen siehe Kapitel 4) stellen starke Nucleophile dar, die schnell und irreversibel Carbonylverbindungen (Aldehyde und Ketone) nucleophil angreifen (analog zur Reduktion durch Addition von Hydrid-Anionen). Bei dieser in der Organischen Chemie präparativ wichtigen Synthesemethode werden aus Aldehyden sekundäre Alkohole, und aus Ketonen tertiäre Alkohole gebildet: O O OH Addition von Cyanid (racemisch) Cyanid-Ionen greifen Carbonylgruppen (bevorzugt die reaktiveren Aldehyde) ebenfalls schnell und nucleophil, aber reversibel an, wobei die so genannten Cyanhydrine gebildet werden:* * Die Reversibilität dieser Reaktion ist Ursache für eine hohe Toxizität von Cyanhydrinen! n-Bu Seite 11-53 C-H-Acidität von Carbonylverbindungen C-H-Acidität R R a Aldehyde / Ketone Aldehyde: Ketone: pK s ˜ 15-16 pK s ˜ 20 + Base - Base-H Enolat ("Alken-Alkoholat") (E/Z)-Isomere: planare Geometrie (sp 2-Hybridisierung) Alkohole / Ether Eine Besonderheit von Carbonylgruppen ist der starke „Elektronenzug“ des sehr elektronegativen Sauerstoffatoms, der sich vor allem auch auf direkt benachbarte C-H-Bindungen (a-C-H) auswirkt, und dadurch die entsprechenden C- H-Protonen (schwach) acide werden lässt. Neben der Elektronegativität von Sauerstoff trägt die Mesomerie- Stabilisierung der negativen Ladung in den Enolaten hauptursächlich zu dieser auffallenden C-H-Acidität bei, Systeme bei denen eine solche Mesomerie nicht möglich ist zeigen keine C-H-Acidität (Alkane, Alkohole, Ether, etc.).* + Base (vergleiche Alkene) Aufgrund der zwei mesomeren Grenzstrukturen sind Enolate ambidente Nucleophile: erneute Protonierung kann entweder am C-Atom oder alternativ am O-Atom erfolgen. Es stellt sich so ein Gleichgewicht zwischen der Keto-Form und der Enol-Form („Alken-Alkohol“) von Carbonylverbindungen ein (Keto-Enol-Tautomerie, siehe nächste Seite). Hierbei beschreibt eine Tautomerie die Wanderung eines einzelnen Protons unter gleichzeitiger Verschiebung von Elektronen; eine Tautomerie ist daher nicht zu verwechseln ist mit einer Mesomerie, bei der ausschließlich Elektronen verschoben werden (Tautomerien sind Gleichgewichte, während eine Mesomerie kein Gleichgewicht ist). Neben der Basen-katalysierten Enolisierung kann diese auch Säure-katalysiert ablaufen (allgemeine Säure-Basen-Katalyse). Die Lage des Keto-Enol-Gleichgewichts wird durch die relativen thermodynamischen Stabilitäten (relativen Energien) der Keto- und Enol-Form bestimmt, und liegt in der Regel auf der Seite der Carbonylverbindung. * Auch das Proton der Aldehyd-Gruppe (-CHO) oder ß-C-H-Atome können infolge der fehlenden Mesomerie-Stabilisierung des resultierenden Anions nicht durch Deprotonierung entfernt werden! Seite 11-54 C-H-Acidität von Carbonylverbindungen Keto-Enol-Tautomerie Basen-katalysierte Enolisierung: R R a Base Base-H Base-H Keto-Form Enolat Enol-Form R R a Deprotonierung von C-H Säure-katalysierte Enolisierung: Säure-H Säure Protonierung von O Base Säure Säure-H Keto-Form Oxoniumion Enol-Form Protonierung von O Deprotonierung von C-H R'' R'' N kat. H R R a R R' oder OH Die Gleichgewichtseinstellung zwischen der Keto- und der Enol-Form einer Carbonylverbindung verläuft unter neutralen Bedingungen sehr langsam, sie kann aber sowohl durch Basen- wie auch durch Säurekatalyse beschleunigt werden: Die Katalyse beeinflusst nur die Geschwindigkeit (Kinetik) der Gleichgewichtseinstellung, nicht aber die Gleichgewichtslage (Thermodynamik). Letztere wird nur durch die Stabilität der Ketogegenüber der Enol-Form bestimmt (ein Katalysator macht eine thermodynamisch ungünstige Reaktion nicht besser, nur schneller).* Analog verläuft die Aza-analoge Imin-Enamin-Tautomerisierung: Imin Enamin * Tatsächlich verläuft die Protonierung von Enolaten schneller am Sauerstoff als am Kohlenstoff, erst dann verschiebt sich das Gleichgewicht langsam auf die Seite der Carbonylverbindung. Seite 11-55 C-H-Acidität von Carbonylverbindungen Gleichgewichtslage der Keto-Enol-Tautomerie -I-Effekt von C=O O K ~ 5 OH auf eine CH3-Gruppe Acetaldehyd H3C H H2C H . 10-6 Das Gleichgewicht der Keto-Enol-Tautomerie liegt in der Regel auf der Seite der Keto-Form. Aldehyde enolisieren leichter als Ketone (der +I-Effekt verringert die Reaktivität und Polarisierung der C=O-Gruppe in Ketonen). Insbesondere 1,3-Dicarbonylverbindungen enolisieren sehr leicht, da der doppelte Elektronenzug von zwei benachbarten C=O-Gruppen die zentralen C-H-Protonen stark acidifiziert, und die Enole besonders stabilisiert sind: ?G ~ +38 kJ/mol Vinylalkohol = Enolisierbare Positionen -I-Effekt von C=O O auf zwei CH3-Gruppen Aceton H3C CH3 O O 10% 2,4-Pentandion H3C CH3 H H -I-Effekt von zwei C=O wirkt auf eine CH2-Gruppe Phenole Tautomerie würde den Verlust der Aromatizität durch sp 3-Hybridisierung der CH 2-Gruppe bedeuten K ~ 6 . 10 -9 ?G ~ +46 kJ/mol (in Hexan) Stabilisierung durch H-Brückenbindung und Konjugation (keine Mesomerie, hier wandert ein H-Atom) Formaldehyd NICHT: nicht enolisierbar (fehlende a-C-H-Bindungen): Benzaldehyd Furfural Cyclohexanon 11-56 C-H-Acidität von Carbonylverbindungen Beispiele zur Keto-Enol-Tautomerie a-Hydroxy-keton Endiol Dimedon HO OH HO H O 1,2-Cyclopentadion Barbitursäure Keto-Form Vitamin C (L-Ascorbinsäure) Endiol-Form Pyruvat Enol-Pyruvat Seite 11-57 C-H-Acidität von Carbonylverbindungen Racemisierung durch Keto-Enol-Tautomerie (D)-(+)-Glycerinaldehyd Basenkatalyse 2 HO O Enolat HO OH Enol PO O Glycerinaldehydphosphat PO OH Triosephosphat-Isomerase Die im neutralen Milieu langsame, unter stark basischen oder stark sauren Bedingungen allerdings stark beschleunigte Einstellung der Keto-Enol-Tautomerie kann eine Racemisierung von Chiralitätszentren in a-Position zu Carbonylgruppen zur Folge haben. Im Basischen wird das planare, und damit achirale Enolat-Anion, im Sauren das entsprechende planare Enol gebildet. Umkehr dieser Reaktion im Gleichgewicht liefert wieder die Carbonylverbindung (Keto-Form). Das planare Enol kann aber sowohl von der Vorder-, wie auch von der Rückseite protoniert werden, so dass Verlust der Chiralität (Racemisierung) der a-Position eintritt: OH Säurekatalyse Anmerkung: Die biochemische Isomerisierung von Glycerinaldehyd und Dihydroxyaceton im Verlauf der Glycolyse verläuft mechanistisch ebenfalls über eine Keto-Enol-Tautomerie, das chirale Enzym führt allerdings nicht zur Racemisierung, sondern zur bevorzugten Bildung von D-Glycerinaldehyd: Basenkatalyse Säurekatalyse achirale Zwischenstufe ? Racemisierung (L)-(-)-Glycerinaldehyd HO * H -OP 2 = PO OH Dihydroxyacetonphosphat Seite 11-58 C-H-Acidität von Carbonylverbindungen a-Halogenierung von Carbonylverbindungen Basen-katalysierte Halogenierung: Base - Base-H Enolat Br Br Carbonylverbindungen mit Wasserstoffatomen in a-Stellung können durch Reaktion mit elementaren Halogenen (Cl 2 , Br 2 , I 2 ) in a-Position halogeniert werden, wobei je nach Reaktionsbedingungen unterschiedliche Produkte gebildet werden. Die Reaktion kann Basen-katalysiert über die Zwischenstufe des Enolats ablaufen, und führt dann zu einer Mehrfach-Halogenierung (Überschuss Base + Halogen ? Haloform-Reaktion, hier nicht behandelt). Diese Reaktion kann auch Säure-katalysiert über das Enol stattfinden, und stoppt dann auf der Stufe der Einfach-Halogenierung: (langsam) Säure-katalysierte Halogenierung: H-Säure - Säure (langsam) starkes Nucleophil (Anion) Enol elektronenreiches Alken (+M-Effekt der OH-Gruppe) - Br Beschleunigung der Folgereaktion für R = H Br Br - HBr autokatalytisch wirkende Säure Verlangsamung der Folgereaktion für R = H Mehrfach- Halogenierung durch den -I-Effekt des Halogens werden eventuell weitere H-Atome stärker acide ? schnellere Enolat-Bildung Einfach- Halogenierung durch den -I-Effekt des Halogens wird die Protonierung am Carbonyl-O-Atom erschwert ? langsamere Enolat-Bildung * Bei flüchtigen a-Brom-Ketonen handelt es sich häufig um stark Tränenreizende Verbindungen, und insbesondere Bromaceton (H 3 C-CO-CH 2 Br, Weißkreuz) fand früher als Tränengas Verwendung. R = H R = H Seite 11-59 C-H-Acidität von Carbonylverbindungen Alkylierungen von Enolaten Cyclohexanon LDA pK s ~ 17 pK s ~ 25 Li O Li O Li SN2' O Br H H H - HN(iPr) 2 Natrium-Enolat Lithium-Enolat Na O Na - H 2 ? - NaBr pK s ~ 37 pK s ~ 35 - LiBr C-Alkylierung C-Alkylierung Mit starken, nicht nucleophilen Basen wie z.B. Natriumhydrid (NaH) oder Lithiumdiisopropylamid (LDA, sterisch stark gehinderte, und daher wenig nucleophile Base, siehe Kapitel 10 – Amine) können Ketone quantitativ (vollständig) in die entsprechenden Enolate übergeführt werden.* Das Enolat-Anion kann als Nucleophil reagieren und S N 2- Reaktionen mit Alkylhalogeniden eingehen. Durch den ambidenten Charakter des Enolat-Anions kann es sowohl zu einer C- bzw. zur O-Alkylierung kommen, wobei in der Regel die C-Alkylierung dominiert (höhere Nucleophilie des Kohlenstoffs). Eine wichtige Anwendung dieser Reaktion ist die Knüpfung neuer C-C-Bindungen (Anmerkung: die reaktiveren Aldehyde neigen aber allgemein zur Addition von LDA oder Hydrid an die C=O-Doppelbindungen – daher sind die hier gezeigten Beispiele auf Anwendungen an Ketonen limitiert): (mit NaH ? irreversible Deprotonierung da H 2 ?) * Bei starken, aber nucleophilen Basen wie den oben beschriebenen Organo-Lithium oder Organo-Magnesium (Grignard) Verbindungen dominiert der nucleophile Angriff auf die C=O-Gruppe. S N 2' Seite 11-60 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Aldol-Reaktionen Allgemeines Prinzip der Aldol-Reaktion Schematisch: sehr elektrophiles C-Atom O H O H elektrophiles C-Atom O O + H oder + OH , - H2O R R Carbonyl starker +M-Effekt Enol nucleophiles C-Atom Carbonyl sehr starker +M-Effekt Enolat sehr nucleophiles C-Atom Säurekatalyse Basenkatalyse - H + H Carbonyl- Komponente enolisierbares Proton in der a-Position Methylen- Komponente Eine in der Organischen Chemie – aber auch in der Biochemie – sehr wichtige Reaktion ist die Aldol-Reaktion: zum einen führt die Aldol-Reaktion zur Knüpfung von C-C-Bindungen und es kann der Aufbau von Kohlenstoffgerüsten auch komplexer Moleküle erfolgen, zum anderen ist die Reaktion in (mechanistisch) analogen Varianten auf eine sehr breite Vielfalt verschiedener Ausgangsstoffe anwendbar (Knoevenagel-Kondensation, Michael-Addition, Robinson- Anellierung, Claisen-Esterkondensation, Diekmann-Cyclisierung, uvm.). Weiterhin eröffnen die Produkte der Aldol- Reaktion vielfältige Möglichkeiten für weitere chemische (oder biochemische) Modifikationen. Die Aldol-Reaktion ist die Addition eines elektronenreichen, nucleophilen Enols oder Enolats an ein elektrophiles Carbonyl-Kohlenstoffatom – da die Enole und Enolate selbst aus Carbonylverbindungen generiert werden, entspricht dies der Selbstaddition von Carbonylverbindungen:* Produkt ist eine ß-Hydroxycarbonylverbindung (oder 3-Hydroxycarbonyl): ? im Fall von Aldehyden als Edukte sind dies Aldehydalkohole, allgemein als "Aldol" bezeichnet * Die Aldol-Reaktion ist aber nicht nur auf die Selbstaddition beschränkt, es lassen sich – mit ein paar Einschränkungen – auch unterschiedliche Carbonylverbindungen „gekreuzt“ umsetzen. Seite 11-61 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Aldol-Reaktionen Die Aldol-Reaktion ist – wie viele andere Reaktionen der Carbonylverbindungen auch – vollständig reversibel und daher eine Gleichgewichtsreaktion. In der Gesamtsumme wird im Verlauf der Aldol-Reaktion eine C-H-acide „Methylen-Komponente“ an eine „Carbonyl-Komponente“ addiert. Unkatalysiert läuft die Aldol-Reaktion sehr langsam ab, da unter neutralen Bedingungen auch die Keto-Enol-Tautomerisierung ein langsamer Prozess ist, die Aldol-Reaktion mechanistisch aber über Enol oder Enolat verlaufen muss. Aus diesem Zusammenhang heraus ist erkennbar, dass die Aldol-Reaktion wie auch die Keto-Enol-Tautomerie durch Säuren oder Basen stark beschleunigt (katalysiert) wird. Obwohl beide Varianten in vielen Teilschritten sehr ähnlich verlaufen, sind ein paar Details unterschiedlich: Aldol-Addition Bei der Basen-katalysierten Aldol-Reaktion bildet sich aus der Carbonylverbindung primär das sehr nucleophile Enolat (siehe oben zum Mechanismus der Basen-katalysierten Enolisierung; verwendete Basen LDA oder NaH). Da die Enolat-Bildung ein Gleichgewichts-Schritt ist, liegt neben dem Enolat immer auch noch die Keto-Form (C=O-Gruppe) im System vor. Diese elektrophile C=O-Gruppe kann daher von dem nucleophilen Enolat angegriffen werden. Protonierung des Additionsprodukts regeneriert den Basenkatalysator und ergibt die ß-Hydroxycarbonyl-Verbindung (Aldol-Additionsprodukt). Die Säure-katalysierte Aldol-Reaktion verläuft ähnlich, nur dass in diesem Fall hier, die durch Protonierung aktivierte elektrophile Carbonylverbindung von dem nucleophilen Enol angegriffen wird; das Reaktionsprodukt ist identisch zu dem durch Basenkatalyse erhaltenen Produkt.* Ein Nachteil der sauren Aldol-Addition ist aber die geringe Nucleophilie des Enols im Vergleich zu der des Enolats und die damit verbundene schlechte Gleichgewichtslage, so dass die Aldol-Addition üblicherweise unter basischen Bedingungen durchgeführt wird. Weiterhin tritt unter sauren Bedingungen häufig die deutlich schnellere Folgereaktion der a,ß-Wassereliminierung ein (siehe unten ? Aldol-Kondensation) die oft unerwünscht sein kann, und die sich unter basischen Bedingungen leichter vermeiden lässt. Die detaillierten Mechanismen beider Varianten der Aldol-Addition sind auf der nächsten Seite zusammengefasst: * Beachten Sie die kleinen, aber feinen und bedeutsamen Unterschiede in der chemischen Natur von Nucleophil und Elektrophil, sowie die Unterschiede der Protonierungs/Deprotonierungs-Schritte! Seite 11-62 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Basen-katalysierte Aldol-Reaktion: Carbonyl- Komponente Methylen- Komponente Säure-katalysierte Aldol-Reaktion: Carbonyl- Komponente Methylen- Komponente Base Base-H Deprotonierung von C-H ? Aktivierung der Methylen-Komponente Säure-H Säure H O O H Protonierung von O ? Aktivierung der Carbonyl-Komponente Enolat Enol Aldol-Kondensationsprodukt OH Aldol-Kondensationsprodukt O Base-H Base Katalysator Regeneration Katalysator Regeneration Aldol-Additionsprodukt - H2O schwer, nur unter drastischen Bedingungen (erhöhte Temperatur) Aldol-Additionsprodukt - H 2O leichte Eliminierung, häufige Folgereaktion unter Säurekatalyse * Die „normalen Endprodukte der Aldol-Reaktion sind durch orange Boxen markiert (siehe nächste Seite (Basenkatalyse: ? Aldol-Addition; Säurekatalyse: ? Aldol-Kondensation). Seite 11-63 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Aldol-Kondensation Basen-katalysierte Aldol-Reaktion: Säure-katalysierte Aldol-Reaktion: Base Säure-H Aldol-Addition Aldol-Addition Base Base-H Säure-H Säure Unter sauren, wie unter basischen Bedingungen kann die ß-Hydroxycarbonyl-Verbindung (Aldol-Additionsprodukt) unter Verlust von Wasser zu einer a,ß-ungesättigten Carbonylverbindung weiterreagieren (Grundvoraussetzung: ein zweites Proton in a-Position der Methylen-Komponente!). Diese Dehydratisierung verläuft nur Säure-katalysiert einfach und schnell ab, da die Hydroxylgruppe in protonierter Form (? Wasser) eine gute Abgangsgruppe darstellt. Die Abfolge von Aldol-Addition + Dehydratisierung wird als Aldol-Kondensation bezeichnet. Basen-katalysiert muss zur Dehydratisierung die schlechte Abgangsgruppe OH- (? Hydroxid) abgespalten werden, wofür deutlich drastischere Bedingungen benötigt werden. Dieser seltene Fall der basischen Eliminierung verläuft nach einem so genannten E1cb-Mechanismus („elimination, unimolecular, conjugate base“, siehe Kapitel 5). Er stellt die Umkehrung des E1-Mechanismus dar; bei E1cb kommt es zuerst zur Abspaltung des Protons unter Ausbildung eines (Mesomerie-stabilisierten, und damit hier überhaupt erst möglichen) Carbanions, und erst dann zur Abspaltung der schlechten Abgangsgruppe. Voraussetzung für den seltenen E1cb-Mechanismus sind eine schlechte Abgangsgruppe und ein leicht abzuspaltendes acides Proton. E1cb-Mechanismus - OH schwer, nur unter drastischen Bedingungen, irreversibel Eliminierung - H 2O, - H leicht, schnell und irreversibel Aldol-Kondensation Aldol-Kondensation Seite 11-64 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Basen-katalysierte Aldol-Addition (Dimerisierung) von Acetaldehyd: O (kat. NaOH) O OH Acetaldehyd (Enolat) Säure-katalysierte Aldol-Kondensation (Dimerisierung) von Aceton: Aceton (kat. H 2SO 4) Ergänzende Anmerkung: Kondensation Enolisierung - H 2O + H - H2O H (Enol) Säure-katalysierte H 2O-Eliminierung "Acetaldol" (3-Hydroxy-butanal) H3C H3C OH ein drittes Molekül Aceton Aldol-Addition Aldol-Additionsprodukt (Racemat) (kat. H2SO4) CH3 O Aldol-Kondensations- - H2O (irreversibel) H3C CH3 produkt "Mesityloxid", "Diacetonalkohol" (4-Methylpent-3-en-2-on) Enolisierung Energie-Senke der Aromatisierung * (R) * (S) "Mesitylen" Anmerkung: der unten gezeigte Mechanismus der Trimerisierung von Aceton (- 3 H 2 O) über das Mesityloxid zum Mesitylen läuft beim Destillieren von Aceton über konz. Schwefelsäure ab! Seite 11-65 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Gleichgewichtslage 15% Isobutyraldehyd (kat. NaOH) (kat. NaOH) 85% ~ 100% Diisopropylketon (Spuren) Die Säure- oder Basen-katalysierte Aldol-Addition ist eine reversible Gleichgewichtsreaktion, die Rückreaktion wird auch als Retro-Aldol-Reaktion bezeichnet. Lediglich die unter Säurekatalyse bevorzugte Folgereaktion der Aldol- Kondensation (H 2 O-Eliminierung) ist irreversibel. Die Gleichgewichtslage der Aldol-Addition wird wieder bestimmt durch die Stabilität der Produkte und Edukte: im allgemeinen sind Aldehyde reaktiver als Ketone, und daher ist der Aldol- Anteil im Gleichgewicht für Aldehyde höher als für Ketone. Ketone zeigen die geringere C=O-Reaktivität (2 x +I- Effekt) und höher sterische Hinderung im Produkt, so dass sich das Aldol nur in geringer Menge bildet wenn das Gleichgewicht nicht durch eine spezielle Reaktionsführung in Richtung der Aldol-Verbindung verschoben wird. Aldehyde: ? reaktivere C=O-Gruppe, aber weniger reaktives Enol oder Enolat (kein +I-Effekt des Aldehyd-Protons) ? weniger sterische Hinderung Ketone: ? weniger reaktivere C=O-Gruppe, aber reaktiveres Enol oder Enolat (elektronenreiches Enol durch +I-Effekt) ? stärkere sterische Hinderung (? tertiärer Alkohol) ~ 95% Aceton (kat. NaOH) Die Reaktivitätsunterschiede zwischen Aldehyden und Ketonen werden bedeutungsvoll, wenn die Aldol-Reaktion nicht als Dimerisierung, sondern als „gekreuzte Aldol-Reaktion“ zwischen zwei unterschiedlichen Carbonylverbindungen durchgeführt werden soll. ~ 5% Seite 11-66 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Gekreuzte Aldol-Reaktion und Regioselektivität Benzaldehyd Aceton (NaOH) Hauptprodukt Nebenprodukt Formaldehyd (NaOH) Die gleichzeitige „gekreuzte“ Umsetzung unterschiedlicher Carbonylverbindungen in Aldol-Reaktionen führt in der Regel zu Produktgemischen und ist präparativ wenig brauchbar, wenn nicht spezielle Voraussetzungen erfüllt sind. Gleiches gilt für Carbonylverbindungen, die unterschiedliche C-H-acide a-Protonen besitzen, und daher regioisomere Enole oder Enolate bilden können (hier nicht behandelte Auswege: Aza-analoge Reaktionen unter Verwendung von Iminen, oder Verwendung von Silylenolethern ? Mukayama-Aldol-Additionen):* 3-Pentanon 2-Butanon (kat. NaOH) Aceton Produktgemisch (kat. NaOH) Produktgemisch Solche „gekreuzten“ Umsetzungen werden dann brauchbar, wenn z.B. eine der Komponenten keine C-H-aciden a- Protonen besitzt (z.B. Formaldehyd, Benzaldehyd), und daher automatisch nur als Carbonyl-Komponente reagieren kann (z.B. aromatische Aldehyde + Carbonylverbindung ? Claisen-Schmidt-Reaktion):* * Formulieren Sie die Zwischenstufen, die zu den gezeigten Produkten führen! Welche Methylen- bzw. Carbonyl-Komponenten reagieren in welcher Art und Weise miteinander? Seite 11-67 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Lithium-Enolate H3C CH3 O O Malonsäuredimethylester Amin-Basen Bei Carbonylverbindungen mit unterschiedlichen C-H-aciden a-Protonen, kann mit sterisch sehr stark gehinderten (sperrigen) Basen wie z.B. Lithiumdiisopropylamid (LDA, siehe oben und Kapitel 10) die Regioselektivität der Enolisierung (d.h. die Enolisierungs-Richtung) bei tiefen Temperaturen in die sterisch weniger gehinderte Position gedrängt werden (praktisch irreversible Bildung des Enolats durch die sehr starke Base LDA, kinetische Reaktionskontrolle). Anschließende Zugabe einer Carbonyl-Komponente und Aufarbeitung durch vorsichtiges ansäuern (andernfalls: Aldol-Kondensation) ergibt dann ein bevorzugtes Aldol-Additionsprodukt in oft guten Ausbeuten: 1.) O 2-Butanon Eine ganze Reihe von Aldol-analogen Reaktionen nutzt die Tatsache aus, dass stark C-H-acide Verbindungen nach Deprotonierung nucleophil an Carbonylgruppen addieren, so auch die Knoevenagel-Kondensation (für weitere Beispiele siehe auch Kapitel 12 und 13): O (-78°C) Knoevenagel-Kondensation* z.B. Piperidin Li O Li stabiler, aber sterisch gehindert H3C CH3 O O bevorzugt Mesomerie-stabilisiertes Carbanion 2.) + H Benzaldehyd Acetaldehyd OCH 3 OCH 3 * H. E. A. Knoevenagel (1865-1921), ab 1896 Professor für Chemie an der Universität Heidelberg. Seite 11-68 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Intramolekulare Aldol-Reaktionen NaOH 100°C NaOH 100°C ? 6-Ring ? 4-Ring ? 7-Ring ? 5-Ring HO CH3 - H 2O Die Aldol-Reaktion kann auch intramolekular an Dialdehyden oder Diketonen ausgeführt werden, wobei sich bevorzugt Fünf- oder Sechs-Ringe bilden, die bei erhöhter Temperatur unter Wasser-Eliminierung leicht in die entsprechenden a,ß-ungesättigten Carbonylverbindungen übergehen: 2,6-Heptandion 2,7-Octandion HO CH3 - H O 2O O Im Gleichgewicht liegen alle möglichen Enolate nebeneinander vor, von denen jedoch nur diejenigen rasch weiterreagieren, die zu Fünf- oder Sechs-Ringen führen. Die abschließende, irreversible Wassereliminierung führt dann zu den gezeigten Produkten, und zieht gleichzeitig die vorgelagerten Keto-Enol-Tautomeren-Gleichgewichte nach. * Andere Ringgrößen, insbesondere kleine (n = 3,4) und mittlere Ringe (n = 7) bilden sich nicht. Formulieren Sie einmal die mesomeren Grenzstrukturen aller Zwischenstufen aus! Seite 11-69 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation (E/Z)-Stereoselektivität der Aldol-Kondensation Bei der Aldol-Kondensation (Säure-katalysierte Aldol-Reaktion mit nachfolgender Wasser-Eliminierung) entstehen a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen, die selbst synthetisch interessante Bausteine für Michael-Additionen darstellen (siehe unten). Zu berücksichtigen ist die Stereochemie der generierten C=C-Doppelbindung (siehe Kapitel 5 – Alkene + Alkine), wobei im allgemeinen die thermodynamisch stabilere (E)-Konfiguration bevorzugt gebildet wird („trans“-Hauptprodukt), neben der weniger stabilen (Z)-Form („cis“-Nebenprodukt).* Sind beide Formen energetisch ähnlich, so können auch Produktgemische entstehen: Benzaldehyd Furfural + H3C CH 3 Aceton Propionaldehyd (H2SO4) (E) O 2 O (H2SO4) - H2O H3C H - H2O (H 2SO 4) - H 2O Aceton Crotonaldehyd * Die Angabe der (E)-Konfiguration („trans“) als die thermodynamisch stabilere Form bezieht sich auf Alkene R-CH=CH-R, bei anderen Substitutionsmustern (R-CH=CR 2 ) ist sinngemäß vorzugehen. (E/Z)-Produktgemisch der a,ß-ungesättigten Aldehyde Seite 11-70 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Enantio- und Diastereoselektivität der Aldol-Kondensation Basen-katalysierte Aldol-Addition (Dimerisierung) von Propionaldehyd: Propionaldehyd (kat. NaOH) (E/Z)-Enolat (vier Stereoisomere) (R) * * (Racemat 1 : 1) O OH Da im Verlauf der Aldol-Addition bis zu zwei Chiralitätszentren neu generiert werden, ist eine kurze Diskussion der Stereoselektivität interessant. Beispielhaft zeigt die Basen-katalysierte Dimerisierung von Propionaldehyd, dass maximal 2 2 = 4 Stereoisomere entstehen können, von denen jeweils zwei Verbindungen unterschiedliche Paare von Enantiomeren darstellen. Die so genannten „anti“-Aldol-Additionsprodukte verhalten sich zu den „syn“-Aldol- Produkten wie Diastereomere. Während bei achiralen Ausgangsmaterialien (Propionaldehyd ist achiral) die Enantiomeren jeweils im gleichen Verhältnis (1:1) als Racemat entstehen, muss dies für Diastereomere nicht gelten: tatsächlich ist hier die Bildung der „anti“-Produkte gegenüber den diastereomeren „syn“-Produkten ca. 9:1 bevorzugt. "anti"-Aldol- Additionsprodukte: "syn"-Aldol- Additionsprodukte: (S) * * Enantiomere (S ca. 90%) Diastereomere (Racemat 1 : 1) (S) * * (R) * * Enantiomere (S ca. 10%) Eine Betrachtung der Übergangszustände der Aldol-Addition (nächste Seite) liefert die Erklärung für diesen Befund: Seite 11-71 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation (R) * * (S) * * zwei Enantiomere als Racemat (1 : 1) Die Aldol-Addition verläuft nach dem Zimmermann-Traxler-Modell über einen sechsgliedrigen Übergangszustand, in dem das Enolat und die Carbonylverbindung an ein Metallion koordiniert sind. Spiegelbildliche (enantiomorphe) und daher equivalente Übergangszustände gleicher Energie liefern die Enantiomeren im Verhältnis 1:1 als Racemat. Die Übergangszustände, die zu den „anti“- bzw. „syn“-Diastereomeren führen unterscheiden sich aber in ihren Energien (beachten Sie die Stellung der markierten Methyl-Gruppe des Enolats): in der oberen Reihe nimmt die Methyl-Gruppe eine energetisch günstigere equatoriale Position ein (= (E)-Enolat), in der unteren Reihe die ungünstigere axiale Position (= (Z)-Enolat): nicht-equivalente Übergangszustände führen zur Bildung der Diastereomeren in einem Verhältnis ? 1:1. (E)-Enolat (E)-Enolat H ‡ "anti"-Aldol-Additionsprodukte (S ca. 90%): H H O Na OH O OH O Na O H Et Me Aldehyd (S) * * zwei Enantiomere als Racemat (1 : 1) Aldehyd Diastereomere Diastereomere (Z)-Enolat (Z)-Enolat H ‡ "syn"-Aldol-Additionsprodukte (S ca. 10%): H H O Na OH O OH O Na O H Aldehyd (R) * * Aldehyd Anmerkung: Fortgeschrittenen-Faustregel der Aldol-Additionen (nach der Aldol-Nomenklatur): Ester-Enolate ? (E)-Enolate ? anti-Addition; Amid-Enolate ? (Z)-Enolate ? syn-Addition. Seite 11-72 Aldol-Addition und Aldol-Kondensation Take-Home Message:* ? Alle chemischen Reaktionen, die ausschließlich achirale Edukte, Reagenzien und Hilfsstoffe (Lösungsmittel, etc.) verwenden, liefern immer racemische Produkte. Jedes Enantiomeren-Paar wird immer exakt im Verhältnis 1:1 als Racemat gebildet, da spiegelbildliche (enantiomorphe), energetisch equivalente Übergangszustände durchlaufen werden. ? Das Verhältnis zwischen Diastereomeren kann von der 1:1 Mischung abweichen, da nicht-equivalente, energetisch unterschiedliche Übergangszustände durchlaufen werden. ? Das Verhältnis zwischen Diastereomeren (die Diastereoselektivität) kann durch einfache Maßnahmen (Reaktions- Zeit und Temperatur, Lösungsmittel, etc.) beeinflusst werden. ? Das Verhältnis zwischen Enantiomeren (die Enantioselektivität) kann ausschließlich durch Verwendung enantiomeren-reiner (nicht racemischer!) chiraler Hilfsstoffe (Katalysatoren, Liganden, etc.) beeinflusst werden, die die Bild-Spiegelbild-Symmetrie der Übergangszustände aufheben (diese Übergangszustände werden dann diastereomorph zueinander). ? Die chiralen Hilfsstoffe und Katalysatoren der Natur sind die Enzyme, die ausschließlich aus L-Aminosäuren aufgebaut sind (siehe auch oben die Kommentare zu fiktiven Spiegel-Enzymen!). Nur mit Hilfe der Enzyme kann die Natur bestimmte Enantiomere bevorzugt synthetisieren, so dass viele Naturstoffe ausschließlich in einer bestimmten Enantiomeren-Form (d.h. enantiomeren-rein) vorkommen (L-Aminosäuren, D-Kohlenhydrate, etc.). Anmerkungen: ? Für die Aldol-Addition hat die moderne Organische Chemie chirale Reagenzien und stereoselektive Methoden entwickelt, mit dem Ziel jedes gewünschte Stereoisomer mehr oder weniger gezielt zu synthetisieren. ? Wenn die Ursuppe auf der Erde nach ihrer Bildung vor mehr als 4 Milliarden Jahren achiral war, wie konnte sich relativ schnell die „Chiralität des Lebens“ auf der Erde entwickeln? Wie oben bereits erwähnt wurde: es gibt viele Theorien, aber im Endeffekt wissen wir es nicht! ? Wenn gewünscht, kann ich in der letzten Semesterwoche nach der Klausur etwas dazu erzählen! Sprechen Sie mich einfach auf dieses Thema an – ich halte es für sehr interessant für jeden, der sich mit der Natur beschäftigt! * Sie sollen dieses Beispiel nicht für die Klausur auswendig lernen, Sie müssen dieses Fazit aber verstehen, weil es das grundlegende Prinzip der gesamten modernen Stereochemie darstellt! Seite 11-73 Aldol-Additionen der Biochemie Biochemische Beispiele Schema der Aldolase-Reaktion: D-Fructose- 1,6-diphosphat Glycolyse Retro-Aldol-Reaktion Aldol-Addition Gluconeogenese Methylen- Komponente Carbonyl- Komponente Keto-Enol- Tautomerie D-Glycerinaldehyd- 3-phosphat Die Aldol-Reaktion, und mechanistisch verwandte Additions-Reaktionen an Carbonylverbindungen, sind von immenser biologischer Bedeutung, und lassen sich unter anderen in den Mechanismen der Glycolyse, dem Pentosephosphat Weg, dem Citrat-Cyclus, und der Fettsäure-Synthese wieder finden, um hier nur einige Beispiele zu nennen. Die Glycolyse ist ein Stoffwechsel-Weg, den praktisch sämtliche modernen Organismen gemein haben, was auf eine sehr frühe Entstehung hinweist; die Glycolyse entstand möglicherweise in den ersten Prokaryonten vor 3,5 Milliarden Jahren. Zentraler Schritt der Glycolyse ist Umwandlung der Glucose in Fructose-1,6-diphosphat, und die nachfolgende Aldolase-Reaktion: die Spaltung des Fructose-Rings (C6-Körper) erfolgt im Verlauf einer Retro-Aldol- Reaktion in Glycerinaldehyd-3-phosphat und Dihydroxyacetonphosphat (zwei C3-Körper). Letzteres wird von der Triosephosphat-Isomerase in Glycerinaldehyd-3-phosphat umgewandelt („tautomerisiert“, siehe oben), so dass die Folgeschritte an beiden C3-Bruchstücken identisch ablaufen können. Obwohl es sich bei der Aldolase-Reaktion um eine Gleichgewichtsreaktion handelt, die bevorzugt auf der Seite des Aldol-Produkts (Fructose-1,6-diphosphat) liegt, läuft die Retro-Aldol-Reaktion ohne zusätzliche Energiezufuhr ab, da die Reaktionsprodukte rasch durch Folgereaktionen aus dem Gleichgewicht entfernt werden, und so das Aldolase-Gleichgewicht „nachziehen“. Im Umkehrschritt, der so genannten Gluconeogenese, wird Glucose durch eine Aldol-Reaktion aus Glycerinaldehyd-3-phosphat und Dihydroxyacetonphosphat aufgebaut. Dihydroxyacetonphosphat -OP = Seite 11-74 Aldol-Additionen der Biochemie Schema der Aldolase-Reaktion der Glycolyse und Gluconeogenese: Phosphorylierung verhindert die Ausbildung von 6-Ring Halbacetalen! cyclisches Halbacetal ungünstige, offenkettige Keto-Form der Fructose Dihydroxyacetonphosphat H 2N Lysin Gluconeogenese + H 2O Schiff'sche Base (Imin) Triosephosphat-Isomerase Glycolyse Lysin Schiff'sche Base (Imin) - H 2O Hydrolyse HO H entspricht der Imin-Enamin- Tautomerie Folgereaktionen der Glycolyse Lysin Enol und Enamin Retro-Aldol- Reaktion Aldol- Addition D-Glycerinaldehyd- 3-phosphat Lysin Lysin Fixierung der offenkettigen Form durch Bildung eines Imins (Schiff'sche Base in protonierter Form) zu einem Lysin-Rest in der Bindungstasche der Aldolase Tyrosin basisches Phenolat Spaltung der C 6-Fructose in zwei C 3-Fragmente Tyrosin saures Phenol Anmerkung: Kommentare zu diesen Reaktionen entnehmen Sie bitte Standard-Lehrbüchern zur Biochemie. Bekommen Sie den Blick für die Einfachheit der chemischen Reaktionen der Biochemie! Seite 11-75 Aldol-Additionen der Biochemie Enzyme – die komplizierten „feinmechanischen“ Werkzeuge der Natur für Organische Chemie: Thorell, S., Schürmann, M., Sprenger, G.A. and Schneider, G. (2002): Crystal structure of decameric fructose-6phosphate aldolase from Escherichia coli reveals inter-subunit helix swapping as the structural basis for assembly differences in the transaldolase family. J. Mol. Biol. 2002, 319, 161-171. Seite 11-76 Aldol-Additionen der Biochemie Weitere zentrale Aldol-Reaktionen der Biochemie Schema der Transaldolase-Reaktion im Pentosephosphat-Cyclus: (reversible Umwandlung von C 7 + C 3 Kohlenhydraten in C 4 + C 6-Zucker) -OP = Schiff'sche Base (Imin) - H 2O Lysin D-Sedoheptulose- 7-phosphat Lysin Retro-Aldol- Reaktion Lysin D-Erythrose- 4-phosphat Aldol- Addition D-Glycerinaldehyd- 3-phosphat Lysin + H 2O Hydrolyse D-Fructose- 6-phosphat Seite 11-77 Aldol-analoge Reaktionen der Biochemie Schema der Citrat-Synthase-Reaktion im Citrat-Cyclus: (Acetyl-SR als "Methylen"-Komponente in einer Aldol-analogen Reaktion) Oxalacetat entspricht: "Enol"-Form S CoA "Keto"-Form S CoA Acetyl-Coenzym A Citrat-Synthase Schema der 3-Keto-acyl-ACP-Synthase-Reaktion im Fettsäure-Cyclus: (Acetyl-SR als "Carbonyl"-Komponente in einer Aldol-analogen Reaktion) ACP = engl.: acyl carrier protein S Cys S-Acetyl-cystein entspricht: ? entspricht S Cys Fettsäure-Cyclus "Enol"-Form S ACP "Keto"-Form Malonyl-ACP Aldol-analoge Addition Aldol-analoge Addition 3-Keto-acyl- ACP-Synthase Hydrierung Decarboxylierung - CO 2 Eliminierung Citrat Acetoacetyl-ACP Reduktion Und mit nur drei weiteren Reaktionen (Reduktion, Eliminierung und Hydrierung) haben Sie das Prinzip des gesamten Fettsäure-Cyclus zusammen, und Sie wissen warum Fettsäuren immer eine gerade Anzahl von C-Atomen enthalten! S ACP Seite 11-78 Addition an a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen Carbonylgruppe d d O O Polaritäten d d d Beispiele Acrolein (Propenal) Bei a,ß-ungesättigten Carbonylverbindungen handelt es sich um elektronenarme C=C-Doppelbindungen und konjugierte p-Systeme, die prinzipiell ähnliche Reaktionen eingehen wie normale Carbonylverbindungen, mit der Erweiterung, dass ein nucleophiler Angriff direkt an der Carbonylgruppe (? 1,2-Addition), aber auch in der positiv polarisierten (siehe mesomere Grenzstrukturen) ß-Position (? 1,4-Addition) möglich ist. 1,2-Addition 1,4-Addition 1 O O Methylvinylketon (But-3-en-2-on) Keto-Enol- Tautomerie Mesityloxid Seite 11-79 Addition an a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen 1,2-Additionen Methylvinylketon (schnell, irreversibel) 1.) LiAlH4 O OH 2.) H Bei der 1,4-Addition (Michael-Addition) ist die Keto-Enol-Tautomerie des primär gebildeten Additionsproduktes zu berücksichtigen, die in einem Folgeschritt zur stabileren Carbonylverbindung führt. In Analogie zu der in Kapitel 6 ausführlich diskutierten 1,2- und 1,4-Addition an konjugierte Alkene, muss auch hier zwischen einer kinetischen und einer thermodynamischen Reaktionskontrolle der Addition unterschieden werden: Kinetische Reaktions-Kontrolle ? Sehr starke Nucleophile wie Hydride oder Alkyllithium-Verbindungen addieren schnell und irreversibel unter Nicht-Gleichgewichtsbedingungen (niedrige Reaktionstemperatur und kurze Reaktionszeit) an die polarere C=O- Doppelbindung (1,2-Addition). Thermodynamische Reaktions-Kontrolle ? Mit weniger reaktiven Nucleophilen (Alkohole, Thiole, Amine, etc.), oder unter Gleichgewichtsbedingungen (hohe Reaktionstemperatur und lange Reaktionszeit) bildet sich das thermodynamisch stabilere Reaktionsprodukt durch Angriff an der C=C-Doppelbindung, und unter Erhalt der stabileren C=O-Doppelbindung (1,4-Addition mit Keto- Enol-Tautomerie). Beispiele 2.) H Seite 11-80 Addition an a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen 1,4-Additionen 1,4-Addition 1,2-Addition 1,4-Addition 1,2-Addition + CH 3OH - CH 3O Halbacetal 1,4-Addition 1,2-Addition Halbaminal ? schnell und reversibel ? Rückreaktion liefert wieder die Edukte Keto-Enol- Tautomerie ? schnell und reversibel ? Rückreaktion liefert wieder die Edukte Keto-Enol- Tautomerie ? Thermodynamisch stabilstes Produkt ? Thermodynamisch stabilstes Produkt