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Organische Chemie für Biologen - Vom Methan zu Biomolekülen
12 – Carbonsäuren und Carbonsäure-Derivate
Empfehlung: Kapitel 19+ 20, Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005.
Priv.-Doz. Dr. Stefan Immel Universität Leipzig, Wintersemester 2007/2008.
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Carbonsäuren und Carbonsäure-Derivate
Carbonsäuren
Carboxylgruppe
R = -Alkyl, -Aryl
(allgemein: C-Reste)
X = -OR, -SR, -NR2, -Hal, etc. (allgemein: Heteroatom-Reste)
Carbonsäure- Derivate (R-COX)
Charakteristisches Strukturelement der Carbonsäuren ist die Carboxylgruppe (-COOH oder -CO2H), die in gewisser Hinsicht als Hydroxycarbonylgruppe aufgefasst werden kann. In einigen Reaktionen verhalten sich Carbonsäuren demnach wie Alkohole (ROH), in anderen aber auch ähnlich wie Ketone (R2C=O). Die räumliche Nachbarschaft bedingt aber auch den eigenständigen Charakter der Carbonsäuren mit ihrer eigenen, unverwechselbaren Chemie. Carbonsäuren sind einerseits in der Natur weit verbreitet, und andererseits wichtige Industriechemikalien. O O O O O O
Carbonsäuren (R-COOH oder R-CO 2H)
aliphatische Carbonsäuren
aromatische Carbonsäuren
Kohlensäure- Derivate (XCOX)
Von den Carbonsäuren leiten sich eine ganze Reihe weiterer Derivate wie z.B. Ester, Amide, Anhydride, etc. ab (siehe unten). Die Carbonsäuren selbst werden nach den IUPAC Regeln als Alkansäuren bezeichnet (z.B. Methansäure, Ethansäure, usw.).* Die weite Verbreitung von Carbonsäuren in der Natur, sowie deren oft leichte Extrahierbarkeit aus pflanzlichen Quellen (im Gegensatz zu neutralen Verbindungen reagieren Carbonsäuren – wie der Name schon impliziert – sauer, und können daher mit Basen oft gut kristallisierende Salze bilden), hat jedoch dazu geführt, dass viele Carbonsäuren seit langem bekannt sind. In der Folge sind Trivialnamen (die häufig auf die Quelle der Erstisolierung zurückgehen) in der Stoffklasse der Carbonsäuren sehr weit verbreitet (und Chemiker wie auch Biologen sollten die wichtigsten Namen kennen, da insbesondere die Stoffwechselcyclen hierdurch leichter erlernbar werden, und die systematischen Namen unüblich sind und sehr selten verwendet werden). Es kommt erschwerend hinzu, dass die Salze der Carbonsäuren (siehe unten) oft andere, nicht notwendigerweise logisch zusammenhängende Trivialnamen besitzen.
* Die Bezeichnung „Alkansäure“ ist zu unterscheiden von „Alkancarbonsäure“, da der Zusatz „carbon“ ein C-Atom mehr impliziert (Methancarbonsäure entspricht der Ethansäure = CH 3 COOH).
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Gesamtzahl der C-Atome (n)
Systematischer Name Trivialname
Salze
Gesamtzahl der C-Atome (n)
HOOC
HOOC
HOOC
Carbonsäuren – Systematische Namen und Trivialnamen
COOH Glyoxalsäure (Glyoxalat)
COOH Milchsäure (Lactat)
COOH Glykolsäure (Glykolat)
COOH Weinsäure (Tartrat)
COOH Brenztraubensäure (Pyruvat)
COOH Oxalessigsäure (Oxalacetat)
HOOC
HOOC
HOOC
HOOC
COOH Citronensäure COOH (Citrat)
COOH
trans
COOH
Isocitronensäure (Isocitrat)
COOH Acrylsäure (Acrylat)
COOH Crotonsäure (Crotonat)
COOH Fumarsäure (Fumarat)
COOH
Maleinsäure (Maleinat)
2 3 4 5 6 7 …
Systematischer Name Trivialname
Ethandisäure Propandisäure Butandisäure Pentandisäure Hexandisäure Heptandisäure …
COOH
COOH
NH 2
COOH
COOH
o m p
Benzoesäure (Benzoat)
COOH
Salicylsäure (Salicylat)
Anthranilsäure (Anthranilat)
Oxalsäure Malonsäure Bernsteinsäure Glutarsäure Adipinsäure Pimelinsäure
Zimtsäure (Cinnamat)
Salze
Oxalat Malonat Succinat Glutarat Adipat
Phthalsäure (Phthalat) Isophthalsäure (Isophthalat) Terephthalsäure (Terephthalat)
* Um nur die wichtigsten zu nennen – viele Carbonsäuren sind Bestandteil zentraler Stoffwechselcyclen wie z.B. dem Citrat-Cyclus und der Glycolyse (Trivialnamen der Salze in Klammern).
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Carbonsäuren – Systematische Namen und Trivialnamen
Carbonsäuren und Fettsäuren
Fettsäuren
Palmitinsäure
Ölsäure
gesättigt
ungesättigt
Kürzel Systematischer Name Trivialname
10:0 12:0 14:0 16:0 18:0 20:0 22:0 24:0
16:1 ?9 18:1 ?9 18:1 ?9trans 18:1 ?11 18:2 ?9,12 18:3 ?9,12,15 18:3 ?6,9,12 20:3 ?8,11,14 20:4 ?5,8,11,14 22:1 ?13 24:1 ?15
Decansäure Dodecansäure Tetradecansäure Hexadecansäure Octadecansäure Eicosansäure Docosansäure Tetracosansäure
(Z)-9-Hexadecensäure (Z)-9-Octadecensäure (E)-9-Octadecensäure (Z)-11-Octadecensäure (9Z,12Z)-9,12-Octadecadiensäure (9Z,12Z,15Z)-9,12,15-Octadecatriensäure (6Z,9Z,12Z)-6,9,12-Octadecatriensäure (8Z,11Z,14Z)-8,11,14-Eicosatriensäure (5Z,8Z,11Z,14Z)-5,8,11,14-Eicosatetraensäure (Z)-13-Docosensäure (Z)-15-Tetracosensäure
Caprinsäure Laurinsäure Myristinsäure Palmitinsäure Stearinsäure Arachinsäure Behensäure Lignocerinsäure
Einige der wichtigsten Vertreter der Carbonsäuren sind oben aufgelistet – für eine breitere Übersicht der wichtigsten Carbonsäuren siehe auch Anhang B. So ist Essigsäure (CH 3 COOH, Ethansäure) der organische Hauptbestandteil des Speise- oder Weinessigs. Buttersäure (CH 3 CH 2 CH 2 COOH, Butansäure) ist verantwortlich für den (widerlichen und lange anhaftenden) ranzigen Geruch von verdorbener Butter, Capronsäure (CH 3 (CH 2 ) 4 COOH, Hexansäure) ist der unangenehme (und unbeschreibliche) Geruch beispielsweise von Ziegen und (getragenen) Sportsocken zu verdanken. Langkettige aliphatische Säuren (gesättigte und ungesättigte Fettsäuren) sind biologisch bedeutsam, z.B. die Palmitinsäure (CH 3 (CH 2 ) 14 COOH) als biologische Vorstufe für Fette und andere Lipide, und die Ölsäure (systematischer IUPAC Name: (Z)-9-Octadecensäure) als ein Hauptbestandteil vieler pflanzlicher Öle.
Palmitölsäure Ölsäure Elaidinsäure cis-Vaccensäure Linolsäure a-Linolensäure ?-Linolensäure Di-homo-?-Linolensäure Arachidonsäure Erucasäure Nervonsäure
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Carbonsäuren – Systematische Namen und Trivialnamen
Herkunft der Namen
Hier eine kleine Zusammenstellung der Herkunft einiger Trivialnamen, sofern die Quelle der Erstisolierung nicht direkt aus dem Namen ersichtlich ist (z.B. Traubensäure = Weinsäure, Zitronensäure, etc.):*
Ameisensäure Isolierung aus Ameisen (Salze: Formiate, von lat.: acidum formicum, engl.: formic acid) Essigsäure Isolierung aus Essig (Salze: Acetate, von lat.: acidum aceticum, engl.: acetic acid) Propionsäure Isolierung aus Milchprodukten (griech.: pro, „das Erste“ und griech.: pion, „Fett“) Buttersäure Isolierung aus (ranziger) Butter Valeriansäure Isolierung aus Baldrianwurzeln (Gattung Valeriana, Familie Baldriangewächse Valerianaceae) Capronsäure Isolierung aus Ziegenmilch (lat.: caper, „Ziege“) Caprylsäure Isolierung aus Ziegenmilch (lat.: caper, „Ziege“) Pelargonsäure Isolierung aus Estern in den Blättern von Geranien (Pelargonium roseum) Caprinsäure Isolierung aus Ziegenmilch (lat.: caper, „Ziege“)
Linolsäure Isolierung aus Flachs (griech.: linos, „Lein, Flachs“)
Oxalsäure Isolierung aus Sauerklee (Oxalis acetosella) Malonsäure Darstellung durch Oxidation von Äpfelsäure (lat.: malum, „Apfel“) Bernsteinsäure Entdeckung durch Erhitzen von Bernstein (Salze: Succinate, von lat.: sucinum, „Bernstein“)
Milchsäure Isolierung aus Milch und Milchprodukten (Salze: Lactate, von lat.: acidum lacticum) Brenztraubensäure Darstellung durch trockenes Erhitzen („brenzen") von Traubensäure Fumarsäure Isolierung aus Gewöhnlichen Erdrauch (Fumaria officinalis)
Salicylsäure Isolierung aus der Rinde verschiedener Weiden (Salix spec.)
* Wenn Sie mehr Herkunftshinweise finden, lassen Sie es mich bitte wissen! Für die Strukturformeln der Carbonsäuren siehe oben bzw. Anhang B – Trivialnamen.
Ameisensäure Salz: Formiat Konservierungsmittel E 236
Ameisen
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Carbonsäuren – Verbreitung und Verwendung
Brennnessel
Essigsäure Salz: Acetat Konservierungsmittel E 260
Balsamico-Essig
Essigsaure-Gurken
Propionsäure Salz: Propionat Schimmelverhütung E 280
Käseherstellung
Brotschimmel
Valeriansäure Salz: Valeriat
Baldrian
Baldrian (Valeriana officinalis)
Seite H 3C
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Carbonsäuren – Verbreitung und Verwendung
14 Palmitinsäure
16 Stearinsäure
Palmitinsäure aus Ölpalmen (Elaeis guineensis)
Stearinkerzen
Gel aus Aluminiumseife von Napthensäuren und Palmitinsäure + Benzin: Napalm
Napalm
Phan Thi Kim Phuc
Ölsäure (einfach ungesättigte Fettsäure)
Ölsäure aus Oliven (nach Verseifung*)
Ölsäure aus Raps (nach Verseifung*)
Linolsäure (zweifach ungesättigte Fettsäure)
Linolsäure aus Distelöl (nach Verseifung*)
Linolsäure aus Sonnenblumenöl (nach Verseifung*)
* In pflanzlichen Ölen sind die Carbonsäuren als Triester des Glycerins gebunden – die „Verseifung“ bezeichnet die hydrolytische Spaltung dieser Lipide (Triglyceride, für Details siehe unten).
Seite H 3C *
D-(-)- und L-(+)-Milchsäure Salz: Lactat Lebensmittelzusatzstoff E 270
Quark
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Carbonsäuren – Verbreitung und Verwendung
Milchsäure (lat. acidum lacticum) aus Milch und Milchprodukten
Äpfelsäure (natürl.: (S)-Form) Salz: Malat Lebensmittelzusatzstoff E 296
Äpfel (Malus)
Quitte (Cydonia oblonga)
Weinsäure (natürl.: (R,R)-Form) Salz: Tartrat Lebensmittelzusatzstoff E 334
Weintrauben
Rotwein
Zitronensäure Salz: Citrat Säuerungsmittel E 330
Zitronen
Johannisbeeren
Oxalsäure Salz: Oxalat (unlösliche Ca2+ O -Salze!)
Spinat
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Carbonsäuren – Verbreitung und Verwendung
Gemeiner Rhabarber (Rheum rhabarbarum)
Fumarsäure Salz: Fumarat Konservierungsmittel E 297
Gewöhnlicher Erdrauch (Fumaria officinalis)
Gewöhnlicher Erdrauch (Fumaria officinalis)
trans-Zimtsäure Salz: Cinnamat
Echter Zimtbaum (Cinnamomum verum)
Zimtstangen
Salicylsäure Salz: Salicylat
Weiden (Salix)
Aspirin (als Acetylsalicylsäure)
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Carbonsäuren – Eigenschaften
Struktur, Polarität und Eigenschaften
Wasserstoff-Brücken- Bindungen
hydrophob (unpolar)
hydrophil (polar)
Gute Wasserlöslichkeit der niedrigen Carbonsäuren bis ca. C 5, darüber hinaus amphiphiler Character (Fettsäuren)
Carbonsäure- Dimere
Die planare Carboxylgruppe stellt eine stark polare und Mesomerie-stabilisierte funktionelle Gruppe dar. Die Fähigkeit der Carbonsäuren sowohl zu Wassermolekülen, wie auch untereinander (siehe unten, dimere Strukturen) Wasserstoff-Brückenbindungen auszubilden, bedingt hohe Siedepunkte, die noch höher, als die der Alkohole liegen. Wie bei anderen Kohlenwasserstoffen auch, steigen die Siedepunkte der Monocarbonsäuren mit zunehmender Kettenlänge an. Da jedoch gleichzeitig die unpolaren Kohlenwasserstoffketten an Bedeutung gewinnen und der Einfluss der schwächeren Van-der-Waals-Kräfte zunimmt, sind die niedrigen Carbonsäuren bis zur Buttersäure wasserlöslich bzw. flüssig, während die höheren Homologen viskos-flüssig (C7-C9 ) oder fest (= C10 ), sowie schlecht (= C5 ) oder gar nicht wasserlöslich sind (amphiphile, Grenzflächen-aktive Strukturen, die in Wasser Micellen bilden). H O O O O Tautomerie O = d d C H C H C H C C H C O sp O O O O O 2 O sp2 sp2 H Carboxygruppe (Mesomerie) sp2-Hybridisierung am C-Atom und den O-Atomen (trigonal-planares C-Atom, planare -COOH Gruppe)
Dimere-Strukturen vor allem im Reinstoff, in polaren aprotischen Lösungsmitteln, sowie in der Gasphase (Stabilisierung ca. 20-30 kJ/mol pro Wasserstoff-Brückenbindung)
* Was versteht man unter Grenzflächen-aktiven Substanzen und Micellen? Erklären Sie aus diesem Strukturmodell die Bildung biologischer Membranen!
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Carbonsäuren – Acidität
Acidität
Vergleiche:
Carbonsäuren (R-COOH oder R-CO 2H)
Salzbildung mit Basen:
Ameisensäure
Salzbildung mit Aminen:
Essigsäure
pK S ~ +3 - +6
Acidität von O pK O O S ~ +3 - +6 Carbonsäuren Carboxylat H R O R O R O
Carboxylat (R-COO - oder R-CO 2 - )
zwei equivalente Sauerstoffatome
pK S = +3.77 pK S = +15.7
NH 4
pK S = +4.76 pK S = +9.25
Die auffälligste Eigenschaft der Carbonsäuren ist ihre Acidität: Carbonsäuren (pK S -Werte ˜ +3 bis +6) sind viel stärkere Säuren als Alkohole (pK S ˜ +15 – +17) oder Aldehyde bzw. Ketone (pK S ˜ +14 – +20). Sie reagieren deshalb mit starken bis mittel-starken Basen wie NaOH oder NaHCO 3 zum Carboxylat (Carbonsäuresalz, RCOO - M + ). Zum einen erhöht der induktive-Effekt (–I-Effekt) der benachbarten C=O-Gruppe die Acidität der benachbarten OH-Protonen beträchtlich (vgl. die a-C-H-Acidität der Carbonylverbindungen in Kapitel 11), zum anderen ist das Carboxylat-Anion durch zwei equivalente mesomere Grenzstrukturen stark stabilisiert. Während Carbonsäuren mit mehr als sechs Kohlenstoffatomen nur noch schlecht in Wasser löslich sind, sind die entsprechenden Alkalisalze wesentlich besser löslich, da es sich um geladene Ionen handelt.
+ H 3O
saure Reaktion in Wasser
Natriumformiat
Ammoniumacetat
Acidität von O pK O O S ~ +19 - +21 Ketonen Enolat
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Carbonsäuren – Acidität
Die Acidität der Carbonsäuren hängt vom Substitutionsmuster am benachbarten Kohlenstoffatom ab: Substituenten mit einem elektronenliefernden +I-Effekt erniedrigen die Acidität der Carboxylgruppe (steigender pK S -Wert), während elektronenziehende Substituenten mit –I-Effekt die Acidität erhöhen (sinkender pK S -Wert):*
Acidität
Ameisensäure pK S = +3.77
Trifluoressigsäure pK S = +0.23
+I-Effekt
Oxalsäure pK S = +1.23 und +4.19
Essigsäure pK S = +4.76
+I-Effekt O > H3C H3C C OH
H3C Pivalinsäure pKS = +5.05
abnehmende Acidität durch +I-Effekt
Milchsäure pK S = +3.86
Malonsäure pK S = +2.83 und +5.69
-I-Effekt H O Cl C OH
Weinsäure pK S = +2.89 und +4.40 (R/R und S/S) pK S = +3.22 und +4.85 (meso)
Fumarsäure pK S = +3.03 und +4.54
-I-Effekt
Cl Cl
-I-Effekt
Cl Cl
Cl Trichloressigsäure pKS = +0.65
zunehmende Acidität durch -I-Effekt
Zitronensäure pK S = +3.09, +4.75 und +5.41
Maleinsäure pK S = +1.93 und +6.58
Benzoesäure pK S = +4.2
HO OH Vitamin C (L-Ascorbinsäure) pKS = +4.2 und +11.5!
* Die pK s -Werte zeigen, dass bei physiologischen pH-Werten von ca. 6-8 die Carbonsäuren in Form der Carboxylate vorliegen (biochemisch: Oxalat, Malonat, Fumarat, etc.). Warum?
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Carbonsäuren, Phosphonsäuren und Sulfonsäuren
Strukturell verwandte Verbindungsklassen und funktionelle Gruppen
Carbonsäuren (R-CO 2H)
Carboxylat (R-CO 2 - )
Strukturell eng verwandt mit den Carbonsäuren sind die Phosphonsäuren und Sulfonsäuren. Das analoge Strukturelement X(=O)-OH (X = C, P, oder S) bedingt die Acidität aller Verbindungsklassen (in abgestufter Form S > P > C, vergleiche die pK s -Werte), sowie andere, ähnlich verlaufende Reaktionsmuster wie z.B. die Bildung von Estern (siehe dieses Kapitel, weiter hinten: ? Carbonsäureester, Phosphonsäureester, und Sulfonsäureester) oder Amiden (? Carbonsäureamide, Phosphonamide, Sulfonamide):
RO C
Phosphonsäuren (R-PO 3H 2)
Phosphonat (R-PO 3H - )
Sulfonsäuren (R-SO 3H)
pKS ˜ +3 bis +6 pKS ˜ +2 bis +3 und +6 bis +9 pKS ˜ -1 bis +1 steigende Acidität in der ersten Dissoziationsstufe
Achtung - Verwechslungsgefahr:
"Carbonate"
Kohlensäuremonoester (R-O-CO 2H, instabil)
RO C
Kohlensäurediester ((RO) 2CO)
pK s-Werte Kohlensäure H 2CO 3 pK S = +6.5 und + 10.5
"Phosphate" wichtig: DNA "Sulfate"
RO OH P RO OH S RO OR OH O P RO S RO OR OH O P OR
Phosphorsäuremonoester (R-O-PO 3H 2)
Phosphorsäurediester ((RO) 2PO 2H)
Phosphorsäuretriester ((RO) 3PO)
Phosphorsäure H 3PO 4 pK S = +2.15, +7.21 und + 12.4
Schwefelsäuremonoester (R-O-SO 3H)
Sulfonat (R-SO 3 - )
Schwefelsäurediester ((RO) 2SO 2)
Schwefelsäure H 2SO 4 pK S = -3 und + 1.9
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Carbonsäuren – Synthesen
Darstellung von Carbonsäuren
Oxidation von primären Alkoholen:
primärer Alkohol (R-CH 2OH)
Oxidations- -1 stufen Oxidation
- 2 [ H ] R H R H - 2 [ H ]
Aldehyd (R-CHO)
Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Carbonsäuren – neben der Isolierung aus natürlichen Quellen – stellen die Oxidation primärer Alkohole (nur in Gegenwart von Wasser über die Zwischenstufe der Hydrate; zur Oxidation und Reduktion von Alkoholen bzw. Carbonylverbindungen siehe auch die ausführlichen Beschreibungen in Kapitel 8 und 11), die Umsetzung von Grignard Reagenzien mit Kohlendioxid (Kapitel 4), sowie die Hydrolyse von Nitrilen (Cyaniden) dar (detaillierter Mechanismus in diesem Kapitel, weiter hinten):
d d Mg (metallisch) d d R Hal R MgHal
Grignard-Reagenz (R-MgBr)
Oxidationsmittel: CrO 3 in H 2O, KMnO 4 (in wässriger NaOH), oder Salpetersäure (HNO 3)
+1 HO OH O +3 H2O Oxidation
Carbonyl-Hydrat Gleichgewicht nur in Gegenwart von Wasser
Aldehyd-Hydrat (R-CH(OH) 2)
Umsetzung von Grignard-Reagenzien mit Kohlendioxid (CO 2) in einer "Eintopf-Reaktion":
Alkyl- oder Arylhalogenid (R-Hal)
Umpolung am Rest R Elektrophil ? Nucleophil
CO 2
nucleophiler Angriff auf das C-Atom von CO 2
Carboxylat (R-COO - )
MgBr
schnelle Weiteroxidation erfolgt nur über das Hydrat Verschiebung des vorgelagerten Gleichgewichts nach rechts
+ HBr
- MgBr 2
ansäuern durch Zugabe von Säuren (auch HCl, etc.) im Verlauf der Aufarbeitung der Reaktionslösung
Verlängerung um ein C-Atom!
Carbonsäure (R-CO 2H)
Carbonsäure (R-CO 2H)
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Carbonsäuren – Synthesen
Hydrolyse von Nitrilen (erfordert stark saure Bedingungen + Erhitzen):
d d NaCN d R Hal R C
Alkylhalogenid (R-Hal)
Aldehyd (R-CHO)
nucleophile Substitution mit Cyanid (nicht an Aryl-Hal)
NaCN, H 2O
Nitril (R-CN)
Hydrolyse (Katalyse durch starke Säuren + Erhitzen)
Hydrolyse von Nitrilen in Cyanhydrinen (? a-Hydroxycarbonsäuren)
NaHSO 3 (schwache Säure)
+ NaHSO 3
- Na 2SO 3
Carbonsäure (R-CO 2H)
Verlängerung um ein C-Atom!
Cyanhydrin (R-CH(OH)(CN))
Variation in Gegenwart von Ammoniak: (Strecker Synthese ? a-Aminocarbonsäuren)
R H -H2O R H
Aldehyd (R-CHO)
Beispiele: O
NH 3
1.) NaCN, H 2O NaHSO 3
2.) HCl, H 2O, ?
Imin (R-CH(NH))
(Kat.: NH 3 als Base!)
+ HCN
(Eintopf-Reaktion)
COOH
Benzaldehyd Mandelsäure
Amino-nitril (R-CH(NH)(CN))
Oxidationsstufen (Nitril = Carbonsäure) ? die Hydrolyse ist keine Oxidation!
HCl, H 2O, 12h, ?
Hydrolyse
HCl, H 2O, ?
Hydrolyse
1.) NH 3 / HCN H 2O
2.) HCl, H 2O, ?
Verlängerung um ein C-Atom! OH
NH 2
Acetaldehyd Alanin
Anmerkung: der Mechanismus der Hydrolyse von Nitrilen wird weiter unten diskutiert!
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Carbonsäure-Derivate
Carbonsäure-Derivate
Carbonsäure- Derivate (R-COX)
R C d d O X
mit X = -Halogen -O-CO-R -OR und -SR -NR 2
Carbonsäurehalogenid Carbonsäureanhydrid Carbonsäureester und -thioester Carbonsäureamide
Wichtigster Reaktionsmechanismus: Nucleophile Substitution am Carbonyl-C-Atom nach dem Additions-Eliminierungs-Mechanismus
Addition tetraedrisches Intermediat Eliminierung
Nu X O
R C Nu X
Carbonsäure-Derivate
R C Nu
Qualität der vorhandenen Abgangsgruppe X bestimmt die Reaktivität ? Addition an C=O und anschließende Eliminierung von X
nicht mit X = -H -Alkyl und -Aryl -OH -O
R C H
Aldehyde
Von den Carbonsäuren leiten sich eine Reihe weiterer, sehr bedeutender Substanzklassen ab, die alle die gleiche Oxidationsstufe (+3) am Carbonyl-Kohlenstoffatom aufweisen:*
Aldehyde Ketone Carbonsäuren Carboxylate
Die Reaktivität der Carbonsäure-Derivate (R-COX) weist viele Gemeinsamkeiten mit der von Aldehyden (R-CHO) und Ketonen (R-CO-R) auf, vor allem kann auch hier das Carbonyl-C-Atom durch Nucleophile angegriffen werden.* Der entscheidende Unterschied zwischen Carbonsäure-Derivaten und Carbonylverbindungen besteht in der Möglichkeit, nach einem Additions-Eliminierungs-Mechanismus die Abgangsgruppe X aus dem primär entstehenden tetraedrischen Intermediat heraus zu eliminieren, so dass formal eine Substitutions-Reaktion stattfindet. Bei Aldehyden und Ketonen ist eine solche Substitution aufgrund des Fehlens einer Abgangsgruppe nicht möglich:
R C R
Ketone
-H und -R sind keine Abgangsgruppen ? nur Addition an C=O
* Insbesondere die Carbonsäureester („Ester“ ? Fette, Wachse und Lipide) und Carbonsäureamide („Amide“ ? Peptide, Proteine und Enzyme) stellen biologisch sehr wichtige Stoffklassen dar.
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Carbonsäure-Derivate – Reaktivität
Reaktivität
R C d d O X
Reaktivität steigt mit: Qualität der Abgangsgruppe Polarität der Carbonylgruppe
Addition Rückreaktion Eliminierung
Y X O
R C Y X
Vorwärtsreaktion
tetraedrisches Intermediat
R C Y
mit X ? Y ? O ? C X
Die Reaktivität der Carbonsäure-Derivate hängt im wesentlichen von dem elektronischen Einfluss von X (±I- und ±M-Effekt) auf die Polarität der C=O-Doppelbindung ab. Gleichzeitig ist die Qualität von X als Fluchtgruppe entscheidend. Wie die oben dargestellte Additions-Eliminierungs-Reaktion abläuft, hängt demnach größtenteils davon ab, wie leicht sich X eliminieren lässt:
möglichst gute Fluchtgruppe möglichst reaktives Nucleophil muss reaktiv genug sein um selbst angegriffen zu werden
Das Schema zeigt, dass es sich bei diesem Mechanismus um reversible Gleichgewichtsreaktionen handelt. Die Eliminierung von X - aus dem tetraedrischen Intermediat führt zur Vorwärtsreaktion, die Eliminierung von Y - entspricht der Rückreaktion. Die Reaktivität der Carbonsäure-Derivate (R-COX) verläuft parallel mit der Qualität von X als Fluchtgruppe, und sinkt in der folgenden Reihenfolge:
Carbonsäure-Derivat Bromid
Fluchtgruppe X
Chlorid Anhydrid Thioester Ester Amid
S R' O R'
konjugierte Säure H-X H Br H Cl H O R' H S R' H O R' R'' N R' Säurestärke von H-X -9 -7 ˜ + 5 ˜ +11 ˜ +16 ˜ + 35 (pKs-Werte) schwache Base X starke Säure H-X abnehmende Reaktivität von R-COX
starke Base X schwache Säure H-X gute Abgangsgruppe X schlechte Abgangsgruppe X
* Wichtige Erinnerung: die Qualität einer Fluchtgruppe X sinkt mit der Basizität von X - , und steigt demnach mit der Acidität der konjugierten Säure H-X (siehe Kapitel 4, 5 und 8).
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Carbonsäure-Derivate – Reaktivität
Carbonsäurechlorid O
starker -I-Effekt schwacher +M-Effekt (-Br noch reaktiver als -Cl)
R' R' R' > R O R' > R S > R O > R N >
+M-Effekt (aber verteilt auf zwei C=O-Gruppen)
Carbonsäureanhydrid O
kein I-Effekt sehr schwacher +M-Effekt EN: C ˜ S; S größer als C
Carbonsäurethioester R
-I-Effekt; aber stärkerer +M-Effekt (+M-Effekt dominiert)
Carbonsäureester R
schwächerer -I-Effekt und deutlich stärkerer +M-Effekt; EN: O > N
Carbonsäureamid R'
Die Eigenschaften der Fluchtgruppe X führen zu der folgenden Reaktivitäts-Abstufung der Carbonsäure-Derivate:*
R O R'
Fluchtgruppen und pK s-Werte der konjugierten Säuren:
hohe Reaktivität
zum Vergleich (Carbonyl-Reaktivität): Aldehyde > Ketone (zwischen Anhydriden und Estern)
˜ + 5 O ˜ +11 ˜ +16 ˜ + 35
S R' O R' N
? aber keine Abgangsgruppe X
kaum -I-Effekt sehr starker +M-Effekt (negative Ladung)
Carboxylat (Carbonsäuresalz)
geringe Reaktivität
* Die Additionsreaktionen der Carbonylverbindungen (Aldehyde und Ketone) wurden in Kapitel 11 eingehend diskutiert (z.B. Hydrat-, Halbacetal und Vollacetal-Bildung, Aldol-Reaktionen, etc.).
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Carbonsäure-Derivate – Reaktivität
R C d d O O
acides Proton
Nucleophil als Base Nu
Carboxylat (R-COO - )
R O R O
X = -OH ?
Im Allgemeinen erfolgt die Reaktion immer in Richtung von den reaktiveren Carbonsäure-Derivaten hin zu den unreaktiveren Verbindungen (Carbonsäureanhydrid ? Ester), nicht aber umgekehrt (solange nicht sehr reaktive Reagenzien eingesetzt werden).
Ähnlich wie bei den Aldehyden und Ketonen stellen viele Reaktionen der Carbonsäure-Derivate vollständig reversible Gleichgewichtsreaktionen dar, wobei die Gleichgewichtslage um so eindeutiger ist, je größer der Reaktivitäts- Unterschied der Edukte und Produkte ist. In manchen Fällen lässt sich aber die Gleichgewichtslage durch Entfernen oder zusätzliche Zugabe von Reaktionspartnern in die gewünschte Richtung verschieben (Ester-Bildung oder - Hydrolyse, siehe unten). In einigen Fällen kann auch ein praktisch irreversibler Schritt (oder ein sehr deutlich auf einer Seite liegendes Gleichgewicht) die Reaktion in eine bestimmte Richtung ziehen (z.B. Basen-katalysierte Ester- Spaltung).
Die Carbonsäuren unterscheiden sich vor allem in einer Hinsicht von den Carbonsäure-Derivaten: da starke Nucleophile immer auch mehr oder weniger starke Basen darstellen, findet bei den Carbonsäuren selbst (X = -OH) in der Regel (solange nicht Säure-katalysiert gearbeitet wird) erst die wesentlich schnellere Deprotonierung der Carboxylgruppe statt (einfache Säure-Base-Reaktion ? Carboxylat). Das resultierende Carboxylat-Anion (mit einer negativen Ladung!) stellt das am wenigsten reaktive Carbonsäure-Derivat dar (siehe vorherige Seite), und kann nur noch von extrem starken Nucleophilen (ebenfalls negativ geladene Reagenzien!) am Carbonyl-Kohlenstoffatom angegriffen werden (siehe unten z.B. Lithium-organische Verbindungen und Lithiumaluminiumhydrid LiAlH 4 ).
Säure-Base Reaktion als wesentlich schnellere Konkurrenzreaktion stark Mesomerie-stabilisiertes Carboxylat, das nicht nucleophil angegriffen wird (Anion) außerdem: Hydroxylgruppe als sehr schlechte Abgangsgruppe!
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Carbonsäure-Derivate – Katalyse
Säurekatalyse
Mesomerie-stabilisiertes Kation ? Protonierung ausschließlich am Carbonyl-O-Atom
Protonierung an -X ? keine Mesomerie-Stabilisierung
In Analogie zu den Reaktionen der Aldehyde und Ketone können auch die Reaktionen der Carbonsäuren und Carbonsäure-Derivate durch Säure- bzw. Basenkatalyse erheblich beschleunigt werden. Im Fall der Säurekatalyse erfolgt Protonierung am Carbonyl-O-Atom (R-COX und R-COOH), und damit eine Aktivierung der C=O-Gruppe selbst:
Säure-katalysierte Aktivierung des nucleophilen Angriffs
Zusätzlich kann unter Säurekatalyse die Aktivierung der Abgangsgruppe X im tetraedrischen Intermediat erfolgen (Umwandlung der Abgangsgruppe X in die bessere Fluchtgruppe X-H durch Protonierung):
ebenfalls Säure-katalysiert: Aktivierung der Fluchtgruppe im O tetraedrischen Intermediat: R X
Y H H O
Y X H
usw.
Umwandlung der Fluchtgruppe X in die bessere Abgangsgruppe X-H
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Carbonsäure-Derivate – Katalyse
Basenkatalyse
Carboxylat (sehr geringe C=O-Reaktivität):
(einfache + schnelle Säure-Base- Reaktion mit Carbonsäuren)
Basen
X = -OH
Basen
X ? -OH
Auf der anderen Seite kann Basenkatalyse zur Aktivierung des Nucleophils beitragen. Allgemein gilt dies allerdings nur für Reaktionen der Carbonsäure-Derivate (R-COX), nicht aber für die Carbonsäuren (R-COOH), da hier die viel schnellere Säure-Base-Reaktion zu den entsprechenden Carboxylaten bevorzugt ist: Y H
Basen-katalysierte Aktivierung des Nucleophils
Die Carbonyl-Reaktivität der Carboxylate ist drastisch herabgesetzt, so dass diese mit normalen Nucleophilen (Alkohole R-OH, Amine R-NH 2 , etc.) keine weiteren Reaktionen eingehen. Nur extrem reaktive Nucleophile (Metall-organische Verbindungen wie z.B. R-Li oder R-MgBr und Hydride wie z.B. LiAlH 4 ) sind in der Lage, auch Carboxylate nucleophil anzugreifen.
Allgemeiner Reaktionsmechanismus
Alle Carbonsäure-Derivate durchlaufen analoge nucleophile Acylsubstitutionen nach prinzipiell dem gleichen Additions- Eliminierungs-Reaktionsschema, mit einem tetraedrischen Intermediat als Zwischenstufe. Entscheidend für die Reaktivität der Carbonsäure-Derivate sind die Nucleophilie des angreifenden Reagenzes (Additions-Schritt), und die Abspaltung der besseren Fluchtgruppe (= schwächeren Base!) aus dem Intermediat (Eliminierungs-Schritt):
R C Cl
Addition Intermediat Eliminierung
OCH 3
starkes Nucleophil
Carbonsäurechlorid
R C OCH3 R Cl C sehr gute OCH3 Abgangsgruppe
Carbonsäureester
R C OCH 3
Carbonsäureester
keine Addition
schwaches Nucleophil
OCH 3
keine Reaktion
schlechte Abgangsgruppe
Fluchtgruppe Cl - wäre besser als - OCH3 ? allenfalls würde die Rückreaktion stattfinden!
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Carbonsäure-Derivate – Reaktionsschema
Acylsubstitution mit einem negativ geladenen Nucleophil Y und einer Abgangsgruppe X:
Addition Rückreaktion Eliminierung
Y X O
Vorwärtsreaktion
tetraedrisches Intermediat
Acylsubstitution mit einem elektrisch neutralen Nucleophil Y-H unter Säurekatalyse:
Protonierung der Carbonylgruppe (? Aktivierung von C=O)
Addition Y H
X H Eliminierung
mit X ? Y ?
Die einzelnen Schritte des allgemeinen Reaktionsschemas der Carbonsäure-Derivate unterscheiden sich im wesentlichen nur durch zusätzliche Protonierungs/Deprotonierungs-Schritte, je nach spezieller Reaktion die betrachtet wird, und je nach Art der Reaktionsbedingungen (Säure- oder Basenkatalyse, etc.):*
[ H ]
Beachten Sie die Analogie dieser Zwischenstufen!
Eliminierung der besseren Fluchtgruppe X-H statt X
Beispiel: Basische Ester-Verseifung
möglichst gute Fluchtgruppe möglichst reaktives Nucleophil
Beispiel: Säure-katalysierte Ester-Bildung
Protonierung zur Aktivierung der Fluchtgruppe Y ? Rückreaktion
tetraedrisches Intermediat
Protonierung zur Aktivierung der Fluchtgruppe X ? Vorwärtsreaktion
* Fast alle weiteren, in diesem Kapitel diskutierten Mechanismen verlaufen nach diesen Schemata, und unterscheiden sich im Wesentlichen nur in der Wahl der Edukte R-COX und Y.
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Carbonsäure-Derivate – Übersicht der Reaktionen
Reaktionen der Carbonsäure-Derivate R-COX:
Reaktion mit Y-H oder Y :
Carbonsäuren oder Carboxylate
Thiole
Alkohole
HS R''
HO R''
Alkoholyse (analog: Hydrolyse)
Amine
Aminolyse
hohe Reaktivität
Halogenid
(analog: Bromid)
Produkte:
Anhydrid
+ R-COX O O keine R O R'' Reaktion
Anhydride
Thioester Ester Amid
Anmerkung: Beachten Sie, dass die Reaktionen nur brauchbar von reaktiveren Carbonsäure- Derivaten hin zu weniger reaktiven Stoffklassen verlaufen (Umesterungen = Gleichgewichte!).
keine Reaktion
keine Reaktion
+ R-COX O O O keine R S R'' R S R'' R S R'' Reaktion
Thioester
Thioester
Thioester (Umesterung)
geringe Reaktivität
keine Reaktion
keine Reaktion
+ R-COX O O O O keine R O R'' R O R'' R O R'' R O R'' Reaktion
Ester
Ester
Ester
Ester (Umesterung)
+ R-COX O O O O keine R N H R'' R N H R'' R N H R'' R N H R'' Reaktion
Amide
Amide
Amide
Umesterung = Austausch der SR / OR-Komponente
Amide
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UNIVERSITÄT Carbonsäure-Derivate – Übersicht der Reaktivität (Hydrolyse) LEIPZIG
Reaktivität der Carbonsäure-Derivate R-COX:
hohe Reaktivität
geringe Reaktivität
Halogenid
Anhydrid
Ester
Amid
Geschwindigkeit der Hydrolyse
schnelle Reaktion
langsame Reaktion
sehr langsame Reaktion ? benötigt Katalysator und Erwärmen
extrem langsame Reaktion ? benötigt Katalysator und langes Erhitzen
Carbonsäure O
Anmerkung: Die Hydrolyse der Carbonsäure-Derivate kann sowohl durch Säure-, wie auch durch Basenkatalyse erheblich beschleunigt werden.
Carbonsäure O
Carbonsäure O
Carbonsäure
Produkte der Hydrolyse
Carbonsäure O
Salzsäure
Alkohol
Amin
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Carbonsäure-Derivate – Halogenide
Carbonsäurehalogenide (Acylhalogenide)
Carbonsäuren können in die Carbonsäurechloride (häufig auch als Acylchloride bezeichnet) überführt werden, indem sie mit reaktiven Halogenierungsreagenzien wie z.B. Thionylchlorid (SOCl2 ), Phosgen (COCl2 ), Oxalylchlorid (ClOC- COCl), Phosphorylchlorid (POCl3 ), PCl3 , oder PCl5 umgesetzt werden, wobei die drei erstgenannten Reagenzien den Vorteil haben, dass nur gasförmige Nebenprodukte entstehen, die anschließend nicht mühsam abgetrennt werden müssen (Mechanismus siehe nächste Seite). O PCl5 O O O O Cl Cl Phosphorpentachlorid Cl
Carbonsäurechlorid (Acylchlorid)
Acyl-Rest (R-CO-)
Cl S
Thionylchlorid (SOCl 2, Dichlorid der Schwefligen-Säure H 2SO 3)
Cl C
Phosgen (COCl 2, Dichlorid der Kohlensäure H 2CO 3)
Oxalylchlorid (Dichlorid der Oxalsäure)
Bemerkenswert ist, dass es sich bei Thionylchlorid, Phosgen, Oxalylchlorid und Phosphorylchlorid selbst um Säurechloride anorganischer Säuren handelt, die allesamt von der OH-Funktion der Carbonsäure nucleophil angegriffen werden. Die schlechte Abgangsgruppe OH wird dabei in eine sehr gute Abgangsgruppe (starke konjugierte Säure) umgewandelt, so dass anschließend der Austausch gegen Chlorid möglich wird. Die Bildung von gasförmigen Nebenprodukten, die aus der Reaktionsmischung entweichen, lässt die Reaktion irreversibel ablaufen.
Carbonsäurebromide sind noch reaktiver als die entsprechenden Carbonsäurechloride – sie lassen sich z.B. durch Umsetzung von Carbonsäuren mit Phosphortribromid (PBr 3 ) darstellen.
Anmerkung: bei allen oben genannten Reagenzien handelt es sich um extrem reaktive, sehr giftige, und z.T. gasförmige Substanzen, die mit extremer Vorsicht zu handhaben sind. In allen Fällen ist unter Wasserausschluss zu arbeiten, da alle Säurehalogenide durch Wasser hydrolysiert werden (siehe unten).
Cl P
Phosphorylchlorid (POCl 3, Trichlorid der Phosphorsäure H 3PO 4)
* „Phosgen“ ist ein extrem giftiges Kampfgas, dessen Name nicht von „Phosphor“ stammt, sondern auf die Reaktion von CO + Cl 2 ? COCl 2 unter Bestrahlung zurückgeht (griech.: „durch Licht erzeugt“).
PCl 3
Phosphortrichlorid
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Carbonsäure-Derivate – Halogenide
Mechanismus der Bildung von Carbonsäurechloriden
Carbonsäure
analog:
Cl C
Cl S
Thionylchlorid Cl
Phosgen
Oxalylchlorid Cl
- Cl
- CO 2 ? -HCl ?
? gasförmige Nebenprodukte
sehr gute Abgangsgruppe O
R Cl
? gasförmige Nebenprodukte
- CO2, -CO ? -HCl ? Cl
sehr gute Abgangsgruppe O
gemischtes Anhydrid
R Cl
Phosphorylchlorid PCl 3
Phosphortrichlorid R
? gasförmige Nebenprodukte
P Cl Cl
P Cl
- SO 2 ? -HCl ?
Chlorid
R Cl
R Cl
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Carbonsäure-Derivate – Halogenide
Reaktionen der Carbonsäurechloride
Carbonsäurechlorid
Carbonsäurechlorid
Carbonsäurechlorid
Carboxylat
Alkohol
Amin
oder:
R' O Cl H
- HCl
- NaCl
Ester
- HCl
- HCl
Durch Umsetzung der reaktiven Carbonsäurechloride (Acylhalogenide) mit geeigneten Nucleophilen kann eine breite Palette weiterer Carbonsäure-Derivate dargestellt werden (? Acylierung von Carboxylaten, Alkoholen, Aminen, etc.):*
analog: Hydrolyse O + Wasser R O + Thiole R
Alkoholyse
Carbonsäure OH
Aminolyse
Thioester
Achtung: Amine sind basisch, und hier wird HCl freigesetzt ? Es werden folglich zwei (!) Equivalente Amin benötigt, wobei nur ein Equivalent tatsächlich mit R-COCl zum Amid reagiert, das andere Equivalent bildet ein Ammoniumsalz:
übertragener Acyl-Rest aus Acylchlorid
übertragener Acyl-Rest aus Acylchlorid
übertragener Acyl-Rest aus Acylchlorid
Anhydrid
Ester
welcher Reihenfolge eher abläuft ist schwer zu sagen, und hängt auch von eventuell zugesetzten Basen ab
HCl + H2N R' Cl H3N R'
* Infolge der möglichen schnellen Hydrolyse von Carbonsäurenhalogeniden zu den Carbonsäuren muss hier unter Ausschluss von Wasser (wasserfreie Bedingungen) gearbeitet werden.
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Carbonsäure-Derivate – Anhydride
Reaktionen der Carbonsäureanhydride
Benzoesäure
Carbonsäureanhydrid (? Abgangsgruppe R-COO )
P 2O 5
- H 2O
Benzoesäureanhydrid
Maleinsäure
Fumarsäure
Carbonsäurechlorid (? Abgangsgruppe Cl )
Maleinsäureanhydrid
Fumarsäureanhydrid
Die Reaktionen der Carbonsäureanhydride verlaufen analog denen der oben beschriebenen Umsetzungen von Carbonsäurechloriden, mit dem Unterschied, dass die Anhydride weniger reaktiv sind. Statt einer Chlorid- Abgangsgruppe (sehr gute Fluchtgruppe) wird hier nach einem nucleophilen Angriff auf eines der beiden Carbonyl-C- Atome ein Carboxylat-Anion (gute Fluchtgruppe) eliminiert. Die höhere Basizität von Carboxylat gegenüber Chlorid bedingt die geringere Reaktivität der Anhydride (siehe oben). Die Problematik der Reaktions-Regioselektivität der Anhydride führt zur Bevorzugung von symmetrischen Anhydriden (R = R‘) gegenüber unsymmetrischen (R ? R‘):
oder
oder
R Cl Nu
usw. usw.
Anhydride lassen sich neben der oben genannten Umsetzung von Acylchloriden mit Carboxylaten auch durch Erhitzen von Carbonsäuren darstellen („trocknes“ Erhitzen oder Erhitzen in Gegenwart wasserentziehender Mittel wie z.B. P2O5 ). Insbesondere cyclische Anhydride (Fünf- und Sechs-Ringe) sind auf diesem Weg zugänglich.* O
* Warum gibt es das dem Maleinsäureanhydrid entsprechende Fumarsäureanhydrid nicht?
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Carbonsäure-Derivate – Acetylchlorid und Acetanhydrid
Acetylierungen
Die wichtigste Anwendung der Carbonsäurechloride und Anhydride ist die Übertragung von Acyl-Resten (R-C=O-) in Verlauf von Acylierungen. Im wichtigsten Fall der Essigsäure (lat.: acidum aceticum) spricht man speziell von Acetylierungen, bei denen der Acetyl-Rest (CH 3 -CO-) übertragen wird:
allgemein: Acyl-Rest
speziell (von Essigsäure abgeleitet): Acetyl-Rest (eigene Abkürzung "Ac")
Essigsäurechlorid (Acetylchlorid = AcCl)
Essigsäureanhydrid (Acetanhydrid = Ac 2O)
Um das oben kurz angesprochene Problem der Freisetzung der sehr starken Säure HCl (? u.U. unerwünschte Nebenreaktionen) bei der Umsetzung von Säurehalogeniden mit z.B. Aminen oder Alkoholen in den Griff zu bekommen, setzt man häufig tertiäre Amine wie z.B. Trimethylamin (NMe 3 ), Triethylamin (NEt 3 ), oder Pyridin (Py) zu. Diese Amine können zwar auch Carbonsäurechloride und Anhydride nucleophil angreifen, aufgrund des Fehlens von abspaltbaren N-H-Protonen sind diese Addukte nicht besonders stabil, und damit leicht weiter umsetzbar. Letztendlich dient das Amin als Säure-Fänger (ein Überschuss Pyridin ermöglicht damit Acetylierungen auch im basischen Milieu!):*
Acetylchlorid (AcCl)
Pyridin (= Py, Base)
AcCl / Py Acetylierungs-Reagenzien: Alkohol Essigsäure-Ester H (? O-Acetylierung) O N O HO R O O R O
N-Acetylpyridiniumchlorid
Pyridiniumchlorid (schwach sauer)
* Prinzipiell der gleiche Acetylierungs-Mechanismus liegt den sehr häufig verwendeten Reagenzien AcCl / NEt 3 oder Ac 2 O / Py bzw. Ac 2 O / NEt 3 zugrunde.
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Carbonsäure-Derivate – Beispiele für Acetylierungen
N-Acetylierung* von Aminosäuren: 1 Equivalent H H3N COO AcCl / Py H3C N COOH AcHN COOH = +
Alanin (Ala)
HO HO
a HO O
a-D-Glucosamin
Methyl a-D-glucopyranosid (ein Derivat der D-Glucose)
HO HO
a H2N OH
4 Equivalente Ac 2O / NEt 3
1 Equivalent Ac 2O / NEt 3
N-Acetyl-Schutzgruppe für die Amino-Gruppe
O- und N-Acetylierung von Kohlenhydraten:
vier Essigsäureester- Gruppierungen
HO HO
N-Acetyl-alanin
a NH OH
AcO AcO
ein Methyl-Acetal
Methyl-2,3,4,6-tetra-O-acetyla-D-glucopyranosid (ein Derivat der D-Glucose)
HO HO
AcO O
AcHN OH
N-Acetyl-a-D-glucosamin
Pyridiniumchlorid
Fragenkatalog: ? Welche Produkte sind bei der Acetylierung der Aminosäuren Cystein (Cys) und Asparagin (Asn) zu erwarten und warum?
? warum müssen hier stark saure Bedingungen vermieden werden?
? warum verläuft die hier gezeigte Reaktion mit hoher Selektivität in dieser Art und Weise?
* Man spricht von einer O-Acetylierung wenn der Acetyl-Rest (CH 3 -CO-) auf das Sauerstoffatom von Alkoholen (R-OH) übertragen wird. Analog sind N-Acetylierungen von Aminen (R-NH 2 ) zu verstehen.
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Biochemische Aktivierung von Carbonsäuren
Analoga der Carbonsäurehalogenide und Anhydride in der Biochemie
Säurehalogenide und Anhydride sind zu reaktiv, um von lebenden Zellen als Reagenzien eingesetzt werden zu können. Lebende Zellen haben andere, aber analoge Wege gefunden, um Carbonsäuren zu aktivieren und damit biochemisch nutzbar zu machen. Ein Weg besteht darin, Carbonsäuren in Acylphosphate, Acylpyrophosphate oder Acyladenylate zu überführen. Alle diese Derivate stellen gemischte Anhydride der Carbonsäuren mit Phosphorsäure oder Phosphorsäure- Derivaten dar, die durch enzymatische Umsetzung von Carbonsäuren mit Adenosintriphosphat (ATP) gebildet werden, wobei jeweils unterschiedliche Phosphoratome des ATP angegriffen werden.* Diese gemischten Anhydride reagieren wie die oben beschriebenen Carbonsäureanhydride, allerdings verhindern die vorhandenen negativen Ladungen den einfach Angriff von Nucleophilen, so dass sich Folgereaktionen nur mit der katalytischen Unterstützung von Enzymen vollziehen, die die vorhandenen Ladungen neutralisieren müssen: Acyl-Rest
Carboxylat
? P ß P a P O O O O O O
Triphosphat
Adenosintriphosphat (ATP)
NH 2
Adenin (Ade)
Adenosyl-Rest (Ad)
- PP i
(Pyrophosphat)
- AMP
(Adenosinmonophosphat)
- ADP
(Adenosindiphosphat)
gemischtes Anhydrid
gemischtes Anhydrid
gemischtes Anhydrid
P O O
Adenylat
P O O
P O O
Pyrophosphat
P O O
Phosphat
Acyladenylat
Acylpyrophosphat
Acylphosphat
* Analysieren Sie einmal genau die Bindungen, die gebrochen bzw. gebildet werden müssen! Was ist jeweils die abzuspaltende Fluchtgruppe? Woher kommt die benötigte Energie?
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Biochemische Aktivierung von Carbonsäuren
Thioester
Thioester stellen die am weitesten verbreitete Form aktivierter Carbonsäure-Derivate in lebenden Zellen dar. Das Carbonyl-C-Atom von Thioestern (R-CO-SR) wird leichter nucleophil angegriffen (geringerer +M-Effekt des viel größeren Schwefels) als das C-Atom von „normalen“ Estern (R-CO-OR), zudem ist das Thiolat-Anion eine schwächere Base und damit eine besseren Abgangsgruppe als ein Alkoholat (pKs (Et-SH) = 10.5 vs. pKs (Et-OH) = 15.9). In biochemischen Systemen verwendete Thiole sind z.B. das Coenzym A oder auch die Seitenkette der Aminosäure Cystein (siehe Kapitel 9 – Thiole und Thioether). Der erste Reaktionsschritt zur biochemischen Darstellung von Thioestern ist die Umsetzung einer Carbonsäure mit ATP zu einem Acyladenylat (siehe oben), anschließend wird der Acyl-Rest z.B. auf das Coenzym A übertragen (? Acyl-S-CoA). Der am häufigsten auftretende Thioester ist das Acetyl- S-CoA, der anschließend selbst als Überträger des Acetyl-Restes (CH3-CO-) fungiert: NH2 H H OH O O NH N 3 N H N N ß P a P O S S O O CH2 N O O N H COO O O O H3C CH3 Adenin (Ade)
Aminosäure (Cystein)
Carboxylat
- PP i
Coenzym A (HS-CoA)
P O O
Acyladenylat
Cysteamin
- AMP
ß-Alanin
Pantethein
Acyl-Rest
Pantothensäure
Acyl-S-CoA
Pantoinsäure
mit R = CH 3 :
Acetyl-S-CoA
HS-CoA
Diphosphat
Adenosyl-Rest (Ad)
* Die Übertragung von Acetyl-Resten auf Lysin-Seitenketten durch Acetyl-S-CoA ist ein wichtiger regulatorischer Prozess (Mechanismus?); siehe auch HS-CoA im Fettsäure- und Citrat-Cyclus.
Cholin
Acetylcholin
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Carbonsäure-Derivate – Ester
Säure-katalysierte Darstellung von Estern
Carbonsäure
Nach dem oben beschriebenen Prinzipien der Katalyse lassen sich unter Säurekatalyse (verd. H 2 SO 4 , verd. HCl, Toluolsulfonsäure = TsOH oder TosOH, etc.) aus Carbonsäuren und Alkoholen die sehr wichtigen Carbonsäureester (oft auch einfach nur kurz als „Ester“ bezeichnet) darstellen:*
[ H ]
Protonierung der Carbonylgruppe (? Aktivierung von C=O)
+ Alkohol
- Wasser
Mesomerie-stabilisiertes Kation + Alkohol
R' R' R' R' + H R O R O R O
tetraedrisches Intermediat
Protonierung zur Aktivierung der Fluchtgruppe (? Wasser)
- H 2O
+ H 2O
Ester Mesomerie-stabilisiertes Kation - Wasser
+ H - H
- H + H
* Beachten Sie die analogen Mesomerie-stabilisierten Kationen, die im Verlauf dieses Mechanismus vor bzw. nach der Addition von Alkohol und Eliminierung von Wasser auftreten!:
Seite 12-34
Carbonsäure-Derivate – Ester
Säure-katalysierte Bildung und Hydrolyse von Estern
Gesamtreaktion der Ester-Bildung und Hydrolyse:
Carbonsäure
Ester-Bildung + Alkohol R' H - Wasser O O H H [ H ] H
Ester-Hydrolyse ("Verseifung")
vollständig reversible Reaktion (? Gleichgewichtsreaktion)
Ester
Essigsäure
Säure- Komponente Acyl-Rest (RCO-)
+ Ethanol
- H2O (verd. H2SO4) O
Der Mechanismus der Ester-Bildung ist vollständig reversibel, es muss sich also um eine Gleichgewichtsreaktion handeln. Der Umkehrreaktion der Ester-Bildung entspricht die Ester-Hydrolyse, die mechanistisch exakt als Umkehrreaktion formulierbar ist.* Sinnvoll ausnutzen lässt sich diese Reaktion vor allem dann, wenn durch geeignete Maßnahmen das Gleichgewicht nach rechts (Überschuss von Alkohol oder Entzug von Wasser z.B. durch azeotrope Destillation ? Ester-Bildung) oder links (Überschuss von Wasser als billigem Reagenz ? Ester-Hydrolyse ? Carbonsäure + Alkohol) verschoben werden kann.
Die Struktur der Ester lässt sich demnach unterteilen in die Säure-Komponente (Acyl-Rest) und eine Alkohol-Komponente (Alkoxy-Rest). Überzeugen Sie sich anhand des zugrunde liegenden Mechanismus davon, dass ein Ester-O-Atom (nicht das Carbonyl-O-Atom!) aus dem Alkohol stammen muss! Wie können Sie diesen Mechanismus durch Isotopenmarkierung (Ersatz von 16 O gegen 18 O) beweisen?
Beispiel:
dieses Sauerstoff-Atom muss aus der Alkohol- Komponente stammen!
Alkohol- Komponente Alkoxy-Rest (RO-)
Essigsäureethylester (Ethylacetat)
* Sie sollten den Mechanismus der Ester-Bildung unbedingt einmal „rückwärts“ voll ausformulieren um sich davon zu überzeugen. Ich garantiere dafür, dass Probleme erst beim Schreiben auftreten!
Seite 12-35
Carbonsäure-Derivate – Ester
Basische Verseifung von Estern
Ester
Alkoholat = starke Base
Carboxylat
Basen-katalysiert lassen sich Ester nicht aus Carbonsäuren darstellen (siehe oben: Carbonsäuren + Basen ? Carboxylate, die von Alkoholen + Alkoholaten nicht nucleophil angreifbar sind). Sehr interessant ist allerdings die Rückreaktion unter basischen Bedingungen, die basische „Verseifung“.* Hier wird die im letzten Schritt des Mechanismus gebildete Carbonsäure praktisch irreversibel deprotoniert (? Carboxylat), und damit das Gleichgewicht der Ester-Hydrolyse auf die Seite der Produkte nachgezogen. Im Gegensatz zur Säure-katalysierten Hydrolyse, liegt bei der basischen Verseifung keine Katalyse vor (die Base wird verbraucht, und mindestens ein Equivalent muss eingesetzt werden), und der Reaktionsverlauf wird nicht durch die Lage eines Gleichgewichts bestimmt:
an dieser Stelle liegen zwei schlechte, aber sehr ähnliche Abgangsgruppen an dem tetraedrischen Intermediat vor: Abgangsgruppe -OH ? Rückreaktion Abgangsgruppe -OR' ? Verseifung
Ursprünglich bezeichnete die Verseifung lediglich die basische Ester-Hydrolyse von Triglyceriden (siehe unten), z.B. tierischen Fetten oder pflanzlichen Ölen, mit Laugen in der Seifensiederei. Dabei entstehen der dreiwertige Alkohol Glycerin und die jeweiligen Alkalisalze der in den Fetten vorkommenden Fettsäuren; letztere werden Seifen genannt. Die Verseifung mit Natronlauge (NaOH) liefert Kernseife, die mit Kalilauge (KOH) Schmierseife.
Beispiel:
Essigsäureethylester (Ethylacetat)
irreversible und schnelle Deprotonierung der Carbonsäure ? Verschiebung des Gleichgewichts und Verbrauch von 1 Eq. der Base (NaOH)
+ 1 Eq. NaOH
Alkohol
Natriumacetat (Na-Salz der Essigsäure)
* Der Ausdruck „Verseifung“ bezeichnet genau genommen nur die Spaltung von Estern unter basischen Bedingungen, nicht aber die Hydrolyse unter sauren Reaktionsbedingungen.
Ethanol
Seite 12-36
Carbonsäure-Derivate – Ester
Vorkommen von Estern
Essigsäurebutylester (Butylacetat) Apfel-Aroma
Offenkettige und cyclische Ester (Lactone) sind in der Natur weit verbreitet, und besitzen oft – im Gegensatz zu den muffig, unangenehm riechenden Carbonsäuren – einen angenehmen, aromatischen Geruch (flüchtige, kurzkettige Ester, die keine Wasserstoff-Brückenbindungen ausbilden können). Insbesondere die Wachse (geruchlose, aliphatische Ester langkettiger Carbonsäuren und Alkohole, die in Wasser unlöslich, in apolaren organischen Lösungsmitteln aber gut löslich sind), sowie Öle und Fette (Triester des Glycerins = Triglyceride) stellen wichtige Naturstoffklassen dar: O O O O
Wachse O
Fette (Triester des Glycerins)
Essigsäureisopentylester (Isopentylacetat) Bananen-Aroma
= OH
Glycerin (1,2,3-Propantriol)
n = 23, 25 m = 27, 29
+ Fettsäuren
Buttersäureethylester (Ethylbutyrat) Ananas-Aroma
Bienenwachs
Cyclische Ester (Lactone)
R 1, R 2, R 3 = langkettige, gesättigte und ungesättigte Fettsäureketten
"Verseifung"
+ NaOH
- Glycerin - H 2O
Williams-Birne
a ß ? d
R 1, R 2, R 3
Natrium-Seifen (Kernseife)
?-Butyrolacton d-Valerolacton
Anmerkung: Der systematische (aber nicht gebräuchliche) Name von Butylacetat ist Ethylbutanoat, nach dem Prinzip „Rest des Alkohols“ (= Ethyl) + „Grundkörper der Säure“ (= Butan) + „oat“.
Seite 12-37
Carbonsäure-Derivate – Ester
Säure und Basen-katalysierte Umesterungen
Katalytische "Umesterung" mit Alkoholen unter Vermeidung von Wasser:
Ester
HO R2 tetraedrisches Intermediat OH HO R1 katalytisch
[ H ] oder [ OH ]
Umesterung von Rapsöl mit Methanol zu "Biodiesel":
Rapsöl (pflanzliches Öl mit R 1, R 2, R 3 = langkettige, gesättigte und ungesättigte Fettsäureketten
Glycerintriester
kat. H 2SO 4
+ CH 3OH H 3C O
Ester
Methanol Methylester Glycerin
Als Variante der Hydrolyse von Estern, kann auch die so genannte Umesterung durchgeführt werden, in deren Verlauf die Ester-Alkohol-Komponente gegen einen anderen Alkohol ausgetauscht wird. Auch hier handelt es sich um eine Gleichgewichtsreaktion, so dass normalerweise das Gleichgewicht durch Zugabe eines Alkohols im Überschuss auf die gewünschte Seite verschoben wird:*
Biodiesel Nebenprodukt (? Kosmetika)
* Mechanistisch folgen diese Umesterungen den Beschreibungen oben, mit dem Unterschied, dass die Carbonsäure selbst nie auftaucht, und daher auch die katalytische basische Variante möglich ist!
Seite 12-38
Carbonsäure-Derivate – Ester
Zemplén-Deacetylierung (Abspaltung von Esterschutzgruppen durch Umesterung) von Essigsäureestern (Acetaten):
vier Essigsäureester- Gruppierungen
Acetyl-Rest (Essigsäureester- Schutzgruppe für Alkohole):
AcO AcO
ein Methyl-Acetal
Methyl-2,3,4,6-tetra-O-acetyla-D-glucopyranosid (ein Derivat der D-Glucose)
AcO O
Polymerisation durch Umesterung (? Polyester-Kunststoffe):
Terephthalsäuredimethylester (Dimethylterephthalat)
+ HO
Glykol (1,2-Ethandiol)
= Ac
kat. H 2SO 4
- 2 CH 3OH
basischer Katalysator
kat. Na OCH 3
freie Hydroxylgruppen (Kohlenhydrat)
HO HO
Überschuss Methanol als billiges Lösungsmittel (? Gleichgewichtsverschiebung)
HO O
intaktes Methyl-Acetal (Basenstabiles Acetal)
Polyethylenterephthalat-Kunststoff (PET, Kunststoff für Flaschen)
Essigsäuremethylester (hier als Abfallprodukt)
Anmerkung: der von der Essigsäure (daher der Name) abgeleitete „Acetyl“-Rest (CH 3 -CO-) darf nicht mit der allgemeinen Bezeichnung für „Acyl“-Reste (R-CO-) verwechselt werden!
Seite 12-39
Carbonsäure-Derivate – Ester
Die Umesterung von Saccharose (= Haushalts- oder Rohrzucker) mit natürlichen Fetten (Sojabohnen-, Mais- und Baumwollsaatöle) ergibt Saccharose-Polyester (SPE).* Ein solches Produkt, Olestra ® ‚ (Handelsname Olean™) wurde in den USA (aber noch nicht in der EU) für Frittierzwecke und die Herstellung von Kartoffelchips und Knabbergebäck zugelassen. SPE werden von fettspaltenden Enzymen (Lipasen) des Verdauungstraktes nicht angegriffen und von der Darmwand praktisch nicht resorbiert. Olestra ist hitzebeständig und ähnelt sowohl in Aussehen, Geschmack und Konsistenz echtem Fett, enthält aber keine Kalorien. Es hemmt jedoch die Aufnahme fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K) und kann nach Einnahme größerer Mengen u.a. zu Bauchkrämpfen und aufgrund seiner Gleiteigenschaften zu unkontrolliertem Stuhlgang führen. R O O OH O O R R x x OH O O O O O R1 x HO O OH O kat. NaOCH3 O O O OH x R O HO + O O R HO OH 2 O + OH O O O O O Glycerin OH O R3 O O x HO O R x
Saccharose (Haushaltszucker)
Fette und Pflanzenöle (Triglyceride)
Saccharoseoctaester (Olestra)
* Für den aufmerksamen Betrachter: warum können Sie diese Umesterung der Saccharose NICHT auf dem Säure-katalysierten Weg durchführen?
Poly-e-Caprolacton (PCL) (aus e-Caprolacton) Polyesterfaser
Nähgarne
Textilien
12-40
Polyester – Verbreitung und Verwendung
Polyethylenterephthalat (PET) (Glykol + Terephthalsäure)
Leichte Mehrwegflaschen
Mehrwegflaschen und Folien
Biologisch abbaubare Verpackungen
Verpackungsfolien für Lebensmittel
Polyhydroxybutyrat (PHB) (aus 3-Hydroxybuttersäure) Biol.-abbaubares Polymer
Biologisch abbaubares „Plastik“
Abbaubare Gesichtsimplantate
Anmerkung: Analysieren Sie für die angegebenen Polymerstrukturen, welche Grundbausteine diesen Polyestern (Carbonsäuren + Alkohole) zugrunde liegen!
Seite 12-41
Carbonsäure-Derivate – Lactone
Cyclische Ester: Lactone
Intramolekulare Ester-Bildung (Lactonisierung):
?-Hydroxybuttersäure (4-Hydroxybutansäure)
Autokatalyse
d-Hydroxyvaleriansäure (5-Hydroxypentansäure)
katalytisch
[ H ]
a ß ?
?-Butyrolacton
Als Lactone (synonym: intramolekulare, cyclische Ester) bezeichnet man Moleküle in der organischen Chemie, in denen eine Esterbindung zwischen einer Hydroxyl- und einer Carboxylgruppe desselben Moleküls aufgebaut wird, so dass unter Austritt eines Wassermoleküls ein Ring entsteht. Sie sind als ein innerer Ester der Hydroxycarbonsäuren aufzufassen. Während a-Lactone (3-Ringe) nur als instabile Zwischenprodukte bekannt und die ß-Lactone (4-Ringe) nur unter speziellen Bedingungen darstellbar sind, sind die ?- (5-Ringe) und die d-Lactone (6-Ringe) leicht darstellbar. Unter neutralen Bildungen sind die ?-Lactone oft die beständigere Form dieser Hydroxycarbonsäuren. Sie können durch Eindampfen wässriger Lösungen der entsprechenden ?-Hydroxycarbonsäuren erhalten werden. Liegen die Carboxylgruppe und die Hydroxylgruppe weiter auseinander, werden die Lactone (Ringgröße = 7) schnell unbeständig:*
Autokatalyse
katalytisch
[ H ]
- H2O bevorzugte Bildung von Fünf- O und Sechs-Ring-Lactonen
- H 2O
a ß ? d
d-Valerolacton
* Analoge intramolekulare 6-Ring Lactone werden durch Dimerisierung von Glykolsäure (? Glykolide) und D/L-Milchsäure (? Lactide, wie viele Stereoisomere gibt es?) gebildet.
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Carbonsäure-Derivate – Reaktionen der Ester
Reaktivität der Carbonsäureester
Die Reaktivität der Ester gegenüber Nucleophilen und dem Angriff auf das Carbonyl-Kohlenstoffatom ist gegenüber der Reaktivität von Carbonsäuren erhöht. Ester reagieren z.B. unter neutralen bis schwach-sauren Bedingungen* mit Aminen unter Ausbildung von weniger reaktiven, stabileren Amiden, während mit Carbonsäuren nur die Ammoniumsalze gebildet werden (Ammoniak, primäre und sekundäre Amine reagieren jeweils analog):
Ester
Carbonsäure
Thioester
Analog können Thioester (siehe unten) zu Estern oder Amiden umgesetzt werden, wobei Reaktion immer nur von reaktiveren Carbonsäure-Derivaten hin zu weniger reaktiven Derivaten führt (z.B. Ester ? Amid oder Thioester ? Amid), nicht aber umgekehrt abläuft (Amid ? Ester):
HO R HS R
Ammoniumcarboxylat
Ester
* Stark-saure Bedingungen führen zur vollständigen Protonierung der Amine unter Bildung der nicht mehr nucleophilen Ammoniumsalze.
HO R'
kein weiterer nucleophiler Angriff Reaktivität Amid < Ester
keine Weiterreaktion
Amid
Amid
Seite 12-43
Carbonsäure-Derivate – Reaktionen der Ester
Reaktivität der Carbonsäureester
Benzoesäuremethylester
MgBr
(Lösungsmittel Et 2O)
MgBr
Benzoesäuremethylester
- MgBr(OCH 3)
MgBr
Sehr reaktive Nucleophile (Grignard-Verbindungen R-MgHal, Lithium-Organyle R-Li und Lithiumaluminiumhydrid LiAlH 4 ) reagieren mit Estern bis zur Stufe der entsprechenden Alkohole, da die intermediär auftretenden Ketone oder Aldehyde schneller weiterreagieren als die Ester selbst (Reaktivität Aldehyd > Keton > Ester; siehe oben). Mit Metall-organischen Reagenzien bilden sich aus Estern die entsprechenden tertiären Alkohole, während die Reduktion von Estern mit LiAlH 4 direkt zu den primären Alkoholen führt::
Darstellung des Grignard-Reagenz
Reaktion von Estern mit Grignard-Reagenzien (Lithium-Organyle reagieren analog)
Tritylalkohol (tertiärer Alkohol)
+ H2O + H
(wässrige Aufarbeitung)
- MgBr(OH)
schnelle Weiter- Reaktion, da Reaktivität Keton > Ester
Benzophenon (Keton)
MgBr
(Alkoholat)
Seite 12-44
Carbonsäure-Derivate – Reaktionen der Ester
Reaktion von Estern mit LiAlH 4 (NaBH 4 ist zu unreaktiv, und reagiert nicht mit Estern):
Benzoesäuremethylester
Carbonsäure
+ LiR'
- R'-H
LiAlH 4
Carboxylat
+ LiR'
- OCH 3
Benzaldehyd (Aldehyd)
Li R R' (wässrige R
Dianion ohne Abgangsgruppe
+ H 2O / H
LiAlH 4
schnell, Reaktivität Aldehyd > Ester
HO OH
Carbonyl-Hydrat
- H 2O
Benzylalkohol (primärer Alkohol)
Interessanterweise reagieren Carbonsäuren mit zwei Equivalenten Lithium-Organylen nur bis zur Stufe der Ketone: Im ersten Schritt erfolgt rasche Deprotonierung zum Carboxylat, das danach erneut nucleophil (!) von RLi angegriffen wird. Das resultierende Dianion reagiert nicht weiter, und wird erst bei der Aufarbeitung der Reaktion zum Carbonyl-Hydrat protoniert (siehe Kapitel 11). Anschließende Wasser-Abspaltung liefert das Keton, weil zu diesem Zeitpunkt das Organo-Lithium-Reagenz bereits verbraucht ist. LiAlH 4 ist so hochreaktiv, dass auch Carbonsäuren zum primären Alkohol reduziert werden können:*
+ LiAlH 4
- H 2 ?
Carboxylat
+ LiAlH 4
Aufarbeitung)
Li R H R
Al 3
Dianion (als Komplex am Aluminium ? Abgangsgruppe)
nur hier möglich!
Aldehyd
+ LiAlH 4
(+ anschließende Aufarbeitung)
Keton
R OH
primärer Alkohol
* Die LiAlH 4 -Reduktion von R-COO - wird von der sehr hohen Stabilität der Al-O-Bindung getrieben. NaBH 4 reagiert weder mit Estern noch mit Carbonsäuren, aber schnell mit Aldehyden und Ketonen.
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Carbonsäure-Derivate – Amide
Struktur und Eigenschaften
primäres Amid
Amidgruppe (Mesomerie)
sekundäres Amid
tertiäres Amid
starke Mesomerie-Beteiligung ? eingeschränkte Drehbarkeit um die C-N-Bindung bei Raumtemperatur
trans-Form
Die sehr wichtige Stoffklasse der Carbonsäureamide (kurz: „Amide“) leitet sich von Carbonsäuren durch Austausch der Hydroxylgruppe gegen einen Amin-Rest ab (oder umgekehrt: Amide leiten sich von Aminen durch Ersetzen von H- Atomen gegen Acyl-Reste ab).
sp 2-Hybridisierungen planare R-CO-NR 2 Gruppe)
sehr langsam
cis-Form
Je nach Substitutionsgrad am Stickstoff spricht man von primären (R-CONH2 ), sekundären (R-CONHR‘) oder tertiären Säureamiden (R-CONR‘ 2 ). Verwechslungsgefahr besteht mit den stark basischen Amiden (Salze der Amine, z.B. Natriumamid = NaNH2 , siehe Kapitel 10). Biologisch am interessantesten sind die Amide des Typus R-CONH-R‘, die der Peptidbindung zwischen Aminosäuren (? Peptide, Proteine, Enzyme) entsprechen. Wie oben dargelegt, ist die Amid-Bindung stark Mesomerie-stabilisiert, und die zentrale C-N-Bindung weist keine oder zumindest stark eingeschränkte Drehbarkeit auf. Insbesondere für primäre Amide (also Peptide!) ergeben sich hieraus unterschiedliche Konfigurationen der Peptidbindung, von denen in der Regel die trans-Form gegenüber der cis-Form bevorzugt ist (ca. trans : cis ˜ 99 : 1 in Peptiden*; Achtung: Biochemiker beziehen die trans/cis-Bezeichnung hier auf die Geometrie der O=C-N-H Gruppierung!). Die Mesomerie führt weiterhin dazu, dass der Stickstoff der Amid-Bindung keine basischen Eigenschaften zeigt!
* Vor allem für Peptidbindungen mit Beteiligung der cyclischen Aminosäure Prolin ergeben sich etwas höhere Anteile der cis-Konfiguration in Proteinen.
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Carbonsäure-Derivate – Amide
Beispiele
Die folgende Zusammenstellung zeigt einige wichtige Vertreter der Stoffklasse der Carbonsäureamide, deren Namen sich in der Regel von den zugrunde liegenden Carbonsäuren ableiten. Cyclische Amide werden als Lactame bezeichnet (vgl.: cyclische Ester = Lactone):
Formamid (primäres Amid der Ameisensäure)
Acetamid (primäres Amid der Essigsäure)
N-Methylacetamid (sekundäres Amid der Essigsäure)
N,N-Dimethylformamid (DMF, ein Lösungsmittel = tertiäres Amid der Ameisensäure)
N-Ethyl-4-methylpentanamid (sekundäres Amid der 4-Methylpentansäure)
(unterschiedliche Reste und "Spacer" entlang der Polymer-Ketten) O H R O N H O H
Seite O R H O N N N H O R' H
Schafwolle, Seide (Polypeptid) (aus Aminosäuren) Proteinfaser (tierische Wolle)
Schafwolle
12-47
Polyamide – Verbreitung und Verwendung
Seidenspinner-Kokon
Perlon (Polyamid PA 6) (aus e-Caprolactam) Kunstfaser
Polyamid-Spinnerei
Hochreißfeste Materialien
Nylon (Polyamid 6.6) (H 2N-(CH 2) 6-NH 2 + Adipinsäure) Kunstfaser
Nylon-Produktionsformen
Nylon-Bekleidung und Stoffe
Kevlar (Kunstfaser)
Schusssichere Westen und Helme
Hochleistungs-Verbundwerkstoffe
Anmerkung: Analysieren Sie für die angegebenen Polymerstrukturen, welche Grundbausteine diesen Polyamiden (Carbonsäuren + Amine) zugrunde liegen!
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Carbonsäure-Derivate – Amide
Säure-katalysierte Hydrolyse von Amiden („Peptid-Bindungen“)
R' R' R' R' - H R N R N R N
R' Carbonylgruppe R' R' R' Amid (? Aktivierung von C=O) Mesomerie-stabilisiertes Kation + Wasser
tetraedrisches Intermediat
Die Hydrolyse der Carbonsäureamide zu Carbonsäuren und den entsprechenden Aminen läuft mechanistisch analog zur oben beschriebenen Hydrolyse der Ester ab, mit dem Unterschied, dass die geringere Reaktivität der Amide deutlich drastischere Reaktionsbedingungen erfordert (Säurekatalyse mit starken Mineralsäuren, langes Erhitzen).*
Protonierung der
+ Wasser
mit R' = -H, -Alkyl, Aryl
- Amin
+ HX
Carbonsäure Mesomerie-stabilisiertes Kation - Amin
Base Säure Salz
Ammoniumsalz
+ HX
Protonierung zur Aktivierung der Fluchtgruppe (? Amin)
- HNR' 2
R N R' R'
R N R' R'
+ H - H
- H + H
R N R' R'
* Lassen Sie sich nicht von diesem kompliziert aussehenden Mechanismus abschrecken. Diese Reaktion verläuft mit geringen Unterschieden (siehe unten) ganz analog der Hydrolyse von Estern.
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Carbonsäure-Derivate – Amide
Säure-katalysierte Hydrolyse von Amiden („Peptid-Bindungen“)
Gesamtreaktion der Amid-Hydrolyse ("Peptid-Spaltung")
Beispiel:
Carbonsäureamid
+ Wasser
N-Phenyl-benzamid (N-Phenyl-benzoesäureamid)
[ H ]
Amid-Hydrolyse ("Peptid-Spaltung")
praktisch irreversible Reaktion (? Ammoniumsalze!) ? keine Gleichgewichtsreaktion, aber sehr langsam ? langes Erhitzen mit starken Mineralsäuren (HCl, etc.)
+ H 2O
(70% H2SO4) 100°C, 3h
Carbonsäure
Benzoesäure
+ HX
HSO 4
Ammoniumsalz des Anilins
Der Mechanismus der Amid-Hydrolyse verläuft analog für primäre, sekundäre und tertiäre Amide. Die Reaktion ist zwar prinzipiell reversibel, wird aber im letzten Schritt durch die basischen Eigenschaften des freigesetzten Amins stark beeinflusst. In Gegenwart stark saurer Mineralsäuren bilden sich entsprechenden Ammoniumsalze (oder mit den freigesetzten Carbonsäuren die Ammonium-Carboxylate), die selbst nicht mehr nucleophil sind (die eingesetzte Mineralsäure wird hier praktisch verbraucht, und ist damit streng genommen nicht mehr als „Katalysator“ zu bezeichnen). Analog bildet sich aus Carbonsäure + Amin in Gegenwart von Säuren normalerweise kein Amid, erst bei stark erhöhten Temperaturen ist die direkte Darstellung von Amiden aus den Ammonium-Carboxylaten auf direktem Weg möglich:
Amin Ammoniumsalz
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Carbonsäure-Derivate – Amide
Direkte Bildung von Amiden aus Ammonium-Carboxylaten
Ammoniumsalz (Dimethylammoniumbutyrat)
Diammoniumsalz der Bernsteinsäure (Ammoniumsuccinat)
? (> 150°C)
Butansäure (Buttersäure)
Dimethylamin
? (> 150°C), - H 2O
Aus den oben genannten Gründen ist die direkte Darstellung von Amiden aus den Ammonium-Carboxylaten nur unter drastischen Bedingungen möglich, und oft (vor allem bei empfindlichen Substraten) praktisch wenig praktikabel. Hier zwei Möglichkeiten zur Verdeutlichung der harschen Reaktionsbedingungen:
Darstellung von Amiden aus Carbonsäure-Derivaten
NH 2
N,N-Dimethylbutanamid (N,N-Dimethylbutyramid)
Viel praktikabler ist die Darstellung von Amiden aus reaktiveren Carbonsäure-Derivaten wie z.B. Carbonsäurechloriden (R-COCl), Anhydriden (R-CO-O-CO-R), Thioestern (R-CO-SR), oder Estern (R-CO-OR). Mechanistisch folgen all diese Beispiele dem Additions-Eliminierungs-Mechanismus, wobei in allen Fällen die stabileren Amide gut zugänglich sind, da das Problem der freien Carbonsäure und deren Acidität hier nicht auftritt. Biochemisch spielen vor allem die Thioester und die gemischten Carbonsäure-Phosphorsäureanhydride, die größte Rolle im Verlauf der Knüpfung von Peptid- Bindungen. Beispiele zur N-Acetylierung von Aminen mit AcCl / Pyridin oder Ac 2 O / NEt 3 wurden auch vorne diskutiert.*
* Eine gute Gelegenheit, um sich auf einem Schmierblatt den Reaktionsmechanismus noch einmal vor Augen zu führen.
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Carbonsäure-Derivate – Amide
Basische Verseifung von Amiden („Peptid-Bindungen“)
an dieser Stelle liegen zwei schlechte, und deutlich unterschiedliche Abgangsgruppen an dem tetraedrischen Intermediat vor: schlechte Abgangsgruppe -OH ? Rückreaktion (häufig, aber keine Produktbildung!) sehr schlechte Abgangsgruppe -NR' 2 ? (selten!, aber gefolgt von irreversiblem Schritt!)
Die basische Hydrolyse („Verseifung“) von Amiden ist ebenfalls möglich, verläuft aber auch sehr schleppend und erfordert ebenfalls sehr drastische Reaktionsbedingungen. Eine Analyse der Abgangsgruppen im primär gebildeten tetraedrischen Intermediat zeigt, warum es sich um eine sehr langsame Reaktion handelt. Diese Verseifung wird überhaupt nur erst möglich, weil der nachfolgende Deprotonierungs-Schritt der Carbonsäure diese irreversibel in das nicht mehr nucleophil angreifbare Carboxylat überführt:
irreversible und schnelle Deprotonierung der Carbonsäure ? Verschiebung des Gleichgewichts und Verbrauch von 1 Eq. der Base (NaOH)
R O N O H R O N R' R' Na OH - NaOH R' Na R' sehr langsam R O O H + Na R' N R' R O Na O + H R' N R' Amid Carbonsäure Amid (Salz!) Carboxylat Amin = Säure = sehr starke Base
Beispiel:
N-Methylpropionamid
+ H 2O
(20% NaOH) 100°C, 3h
Natriumpropanoat (Natriumpropionat)
Methylamin
(saure Aufarbeitung)
Propansäure (Propionsäure)
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Carbonsäure-Derivate – Vergleich von Estern und Amiden
Vergleich der Reaktivität und Reaktions-Mechanismen von Estern und Amiden
Säure-katalysierte Hydrolyse von Estern und Amiden (verkürzter Vergleich der Mechanismen):
Ester (und Carbonsäuren)
R' R' - H R O
Carbonsäure
- HOR'
+ H 2O
R O O H R' H
Unkatalysierte Hydrolyse von Estern und Amiden:
Ester
nicht aktiviert, sehr langsam
+ H 2O
Fluchtgruppe -OH oder -OR
Protonierung zur Aktivierung der C=O-Gruppe ausschließlich am Carbonyl-O
Protonierung der OH-Gruppe ? Rückreaktion
tetraedrische Zwischenstufe
Protonierung zur Aktivierung der Fluchtgruppe (? Alkohol)
tetraedrische Zwischenstufe
zwei schlechte, aber ähnliche Fluchtgruppen ? langsame Hydrolyse
R' R' - H R N
R' R' Amid + H2O O
Carbonsäure
R' Amid
- HNR' 2
nicht aktiviert, extrem langsam
+ H 2O
R O N H R' R' H
R O N H R' R'
Protonierung zur Aktivierung der C=O-Gruppe ausschließlich am Carbonyl-O
Protonierung der OH-Gruppe ? Rückreaktion
tetraedrische Zwischenstufe
Protonierung zur Aktivierung der Fluchtgruppe (? Amin)
tetraedrische Zwischenstufe
sehr langsam gar nicht
Fluchtgruppe -OH oder -NR' 2
schlechte Fluchtgruppe -OH, sehr schlechte Fluchtgruppe -NR' 2 ? ausschließlich Rückreaktion ? keine Hydrolyse
Anmerkung: wie wiederholt diskutiert, sind stark basische Gruppen schlechte Abgangsgruppen, oder: je stärker die konjugierte Säure ist, um so besser ist die Fluchtgruppe (pK s : HOR ˜ 16, HNR 2 ˜ 35).
Seite 12-53
Carbonsäure-Derivate – Vergleich von Estern und Amiden
Vergleich der Reaktivität und Reaktions-Mechanismen von Estern und Amiden
Basische Hydrolyse ("Verseifung") von Estern und Amiden:
gutes Nucleophil (Anion), relativ schnell
Ester
Beispiele für verschiedene tetraedrische Zwischenstufen:
Carbonsäurechlorid + Carboxylat
+ H 2O
Fluchtgruppe -OH oder -OR
Fluchtgruppe: Cl- (sehr gut) und R'COO- (mäßig) ? Carbonsäureanhydride
tetraedrische Zwischenstufe
nicht sehr schnell
zwei schlechte, aber ähnliche Fluchtgruppen ? Hydrolyse
Carbonsäureanhydrid + Alkohol
R' Amide
Fluchtgruppe: R'COO- (mäßig) und R''O- (schlecht) ? Carbonsäureester
gutes Nucleophil (Anion), aber langsamer als Ester
+ H 2O
Fluchtgruppe -OH oder -NR' 2
R O N H R' R'
tetraedrische Zwischenstufe
deutlich langsamer
schlechte Fluchtgruppe -OH, sehr schlechte Fluchtgruppe -NR' 2 ? schnelle Rückreaktion ? langsame Hydrolyse
Anmerkung: die schlechten Fluchtgruppen verlassen hier ein negativ geladenes tetraedrisches Intermediat (Anion), daher ist unter Basenkatalyse der Austritt von Alkoholat (OR - ) bzw. Amid (NR 2 - ) hier überhaupt nur möglich (siehe oben: unter Säurekatalyse erfolgt der Austritt von Alkohol (HOR) bzw. Amin (HNR 2 ) ausschließlich nach vorheriger Protonierung!). Die basische Verseifung von Estern und Aminen ist nur erfolgreich, weil der abschließende Schritt der Deprotonierung der Carbonsäure praktisch irreversibel ist (? Carboxylat, Base ist kein Katalysator)!
Diese sehr wichtigen Überlegungen erklären das gesamte Spektrum der Reaktivität der Carbonsäure-Derivate. Verdeutlichen Sie sich, dass in allen oben beschriebenen Beispielen, jeweils die bessere Fluchtgruppe das tetraedrische Intermediat bevorzugt verlässt. Dieser eine Mechanismus erklärt alle Reaktionen, sowie jeweils alle Effekte der Säure- und Basenkatalyse!*
NR'' 2
Fluchtgruppe: R'S- (sehr gut) und R''2N- (sehr schlecht) ? Carbonsäureamide
* Spätestens hier wird klar, dass die Kenntnis der Größenordnungen der pK s -Werte (siehe Tabelle in Kapitel 8) hilfreich, wichtig, Klausur-relevant, und nicht nur Schikane ist.
Seite 12-54
Carbonsäure-Derivate – Reaktionen der Amide
Reaktivität der Carbonsäureamide
Amide zeigen neben den oben beschriebenen Reaktionen auch typische Additions-Reaktionen der C=O- Doppelbindungen. So können tertiäre Amide mit LiAlH 4 zu den tertiären Aminen (Zwischenstufe der Imine) reduziert werden (Mechanismus analog zu der LiAlH 4 -Reduktion von Estern):
tertiäres Amid
Primäre und sekundäre Amide werden dagegen von starken Basen am Stickstoff deprotoniert (? Mesomeriestabilisiertes Anion, das als N-Analogon der Enolate verstanden werden kann). Das resultierende Anion kann am Stickstoff leicht alkyliert werden (S N 2-Reaktion mit Alkylhalogeniden). Durch geschickte Wahl des Amids lassen sich auf diese Art und Weise gezielt primäre Amine darstellen (Gabriel-Synthese):*
+ LiAlH 4
+ NH 3
- H 2O
2,3-Dihydrophthalazin-1,4-dion (Hier das Abfallprodukt)
Al 3
Anion (als Komplex am Aluminium ? Abgangsgruppe)
- H 2 ?
R Br
* Die Gabriel-Synthese liefert gezielt primäre Amine, während die direkte Alkylierung von NH 3 immer zu Mehrfach-Alkylierung führt. Warum? Mechanistisch sollten alle Schritte der Synthese bekannt sein.
Iminiumsalz
S N 2
- NaBr
+ LiAlH 4
(+ anschließende Aufarbeitung)
Hydrolyse
oder H2N-NH2 (Hydrazin)
tertiäres Amin
Seite 12-55
Carbonsäure-Derivate – Nitrile
Nitrile
Wie im Rahmen der Darstellungsmethoden für Carbonsäuren erwähnt wurde, können Nitrile (R-C=N) als Carbonsäure-Derivate aufgefasst werden, weil sie zum einen die gleiche Oxidationsstufe am Kohlenstoffatom aufweisen, und zum anderen durch Hydrolyse in Carbonsäuren überführt werden können (umgekehrt führt die Dehydratisierung von primären Amiden zu Nitrilen nach R-C=O-NH 2 ? R-C=N + H 2 O). Da Nitrile wertvolle Synthese- Bausteine darstellen (die ihrerseits leicht durch S N -Reaktionen synthetisierbar sind), hier ein eine kurze Beschreibung des Hydrolyse-Mechanismus der Nitrile. Da die Hydrolyse der Nitrile noch langsamer als die der Amide erfolgt, muss hier mit starken Mineralsäuren und längerem Erhitzen gearbeitet werden:
Oxidationsstufe +3
R C N R C N
Nitrilgruppe (Mesomerie)
Säure-katalysierte Hydrolyse von Nitrilen
Nitril
Protonierung der Nitrilgruppe (? Aktivierung von C=N)
Reaktionsbedingungen: konz. HCl, ?
Nucleophile R C N Elektrophile H3C C N
lineare Geometrie, Polarität analog C=O (aber hier sp-hybridisiertes C-Atom)
R C N H
Carbonsäure
Nucleophiler Angriff von Wasser
mehrere Schritte (siehe Hydrolyse von Amiden)
+ H 2O
R C N
Acetonitril (von Essigsäure)
H3C C N H3C Pivalonitril (von Pivalinsäure)
- H + H
Seite 12-56
Kohlensäure-Derivate
Derivate der Kohlensäure
Von der anorganischen Kohlensäure (H2CO3 ) leiten sich eine Reihe weiterer Derivate ab, die hier kurz erwähnt werden sollen (alle besitzen die Oxidationsstufe +4 am C-Atom). Kohlensäure (H2CO3 ) selbst ist instabil und zerfällt in H2O und CO2 , so dass in wässriger Lösung nur ca. 0.1% des gelösten CO2 tatsächlich als H2CO3 vorliegt (lediglich unter absolutem Ausschluss von Wasser und von Metallionen jeder Art kann Kohlensäure in Substanz isoliert werden).* Gleiches gilt für die Carbaminsäure (Monoamid der Kohlensäure), die in CO2 + NH3 zerfällt. In Substanz stabil sind dagegen Harnstoff (Diamid) und Phosgen (Dichlorid), wobei letzteres in Wasser schnell hydrolysiert (? CO2 + 2 HCl): O O O O O O
Carbonsäure- Derivate (R-COX)
R = -Alkyl, -Aryl
Kohlensäure- Derivate (XCOX)
(allgemein: C-Reste)
Kohlensäure (H 2CO 3)
X = -OR, -SR, -NR2, -Hal, etc. (allgemein: Heteroatom-Reste)
NH 2
Carbaminsäure (Amid von H 2CO 3)
NH 2
Harnstoff (Diamid von H 2CO 3)
R R R R O O O N
Kohlensäurediester (Carbonate)
R Urethane (Carbamate)
Phosgen (Dichlorid von H 2CO 3)
R R Harnstoff-Derivate (Carbamide)
Das Puffersystem Kohlensäure/Hydrogencarbonat spielt eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung des pH-Wertes von menschlichem Blut (pH ˜ 7.4). Aufgrund seines hohen Stickstoffgehaltes von 46% ist Harnstoff weltweit das bedeutendste Stickstoffdüngemittel. Harnstoff ist sehr gut wasserlöslich, und als Amid nicht basisch (siehe oben). Der Mensch scheidet 80-90 % des mit der Nahrung aufgenommenen Stickstoffs in Form von Harnstoff aus (ca. 30g pro Tag über den Urin), da andernfalls der beim Protein-Abbau als Ammoniak freigesetzte Stickstoff den Säure-Base-Haushalt der Zellen empfindlich stören würde (das basische NH3 ist ein starkes Zellgift).
* Die Salze der Kohlensäure (Hydrogencarbonate und Carbonate sind stabil), die pK s -Werte von H 2 CO 3 liegen bei 3.9 (oder 6.5 unter Berücksichtigung der CO 2 -Konzentration!) und 10.5.
Seite 12-57
Kohlensäure-Derivate
Guanidin
Guanidin
Guanidyl-Kation (Guanidiniumsalze)
Guanidin* (= „Imin“ des Harnstoffs) ist eine relativ starke organische Base, da in der protonierten Form des Guanidyl- Kations insgesamt drei verschiedene Stickstoffatome zu gleichen Anteilen an der Stabilisierung der positiven Ladung beteiligt sind (drei equivalente mesomere Grenzstrukturen):
pK s ˜ +14
Diese biologisch wichtige Struktureinheit ist in einigen Naturstoffen anzutreffen, darunter auch in der „basischen“ Aminosäure Arginin:
NH 2
Arginin (Arg)
NH 3
NH 3
Argininosuccinat
* Nicht zu verwechseln mit dem DNA Baustein Guanin!
NH 2
Kreatin
Kreatinin
NH 2
Seite 12-58
Kohlensäure-Derivate
Carbonate, Carbamate und Carbamide
Kohlensäurediester (Carbonate)
+ HOR
- HCl
Chlorameisensäureester + HOR
- HCl
Phosgen
+ HNR 2
- HCl
Cl N
R' R' R'
+ HNR 2
- HCl
Stabil sind die O- bzw. N-substituierten Kohlensäureester (Carbonate), Urethane (Carbamate) oder Harnstoff- Derivate (Carbamide), die sich durch Umsetzung von Phosgen mit Alkoholen (? Carbonate) oder Aminen (? Carbamide), bzw. aus Isocyanaten und Alkoholen (? Carbamate) oder Aminen (? Carbamide) darstellen lassen:
Urethane (Carbamate)
- HCl
Isocyanat
- HCl
Harnstoff-Derivate (Carbamide)
Harnstoff-Derivate (Carbamide)
Bei Verwendung von Diolen oder Diaminen und Phosgen bzw. Diisocyanaten stellen die gezeigten Umsetzungen wichtige Reaktionen zur Darstellung von Kunststoffen aus der Gruppe der Polycarbonate, Polyurethane und Polyharnstoffe dar (siehe nächste Seite). So können z.B. Polyurethan-Kunststoffe oder Kunstharze durch Polyaddition eines Dialkohols mit einem Diisocyanat entstehen. Polyurethane können, je nach Herstellungsbedingungen, hart und spröde, aber auch weich und elastisch sein, in aufgeschäumter Form sind sie als Schaumgummi oder Bauschaum bekannt.
* Die detaillierten Mechanismen der gezeigten Umsetzungen entsprechen exakt den Reaktionsmechanismen der oben diskutierten Carbonsäure-Derivate.
Seite 12-59
Polymere Derivate der Kohlensäure
Polycarbonate (Diester der Kohlensäure)
CDs und DVDs (Makrolon)
Transparente Baumaterialien
Polyharnstoffe (Diamide der Kohlensäure)
Sprühbeschichtungen
Fußbodenversiegelungen
Weiche Schaumstoffe
Schaumstoffe und Matratzen
Harte Dämmstoffe
Bauschaum
Anmerkung: Analysieren Sie für die angegebenen Polymerstrukturen, welche Grundbausteine diesen Polymeren (Phosgen bzw. Isocyanate + Alkohole oder Amine) zugrunde liegen!
Seite 12-60
Ergänzung: Polymerisationen
Polyaddition und Polykondensation
Die kovalente Kupplung kleiner, niedermolekularer Moleküleinheiten (Monomere) zu großen, hochmolekularen Einheiten (Polymere) kann als Polyaddition (ohne Abspaltung kleiner Fragmente) oder als Polykondensation (unter Abspaltung kleinerer Fragmente) erfolgen. Kupplungsreaktionen können prinzipiell alle Reaktionen darstellen, die neue Bindungen zwischen Molekülen knüpfen, die sich regelmäßig wiederholen können, Kupplungen können u.a. radikalisch, kationisch oder anionisch, sowie katalysiert oder unkatalysiert (spontan) erfolgen. In der Regel erfordert die Bildung kettenförmiger Polymere die Verwendung von kupplungsfähigen, difunktionalisierten Bausteinen, während trifunktionalisierte Monomere zu vernetzten Strukturen führen. Beispiele für Polyadditionen sind die radikalische Polymerisation von Alkenen (siehe Kapitel 5), sowie die Bildung von Polyurethanen aus Diisocyanaten und Diolen (siehe oben). Polykondensationen stellen die Bildung von Polyestern aus Dicarbonsäuren und Diolen, oder die Bildung von Polypeptiden aus Aminosäuren dar (jeweils Abspaltung von einem Equivalent Wasser pro neu geknüpfter Bindung).*
Bildung kettenförmiger Polymere (Thermoplaste):
X X X X X
Polymerisation
nur difunktionalisierte Bausteine
X X X X X X X
Bildung vernetzter Polymere (Duroplaste):
X Y X X
Polymerisation
di- + trifunktionalisierte Bausteine
Y Y X
X X X Y X X X Y X
Beispiele für Polyadditionen:
Beispiele für Polykondensationen:
HO X OH
n Alken-Derivat Polyethylen (substituiert)
HO Y OH - n H2O Diol + Dicarbonsäure Polyester
R R R R R R R
* Verdeutlichen Sie sich diesen Sachverhalt anhand der in diesem Kapitel gezeigten Polymere (Polyester, Polyamide, etc.)! Welche Monomere werden jeweils benötigt? Gibt es Varianten?