Seite 15-1 Organische Chemie für Biologen - Vom Methan zu Biomolekülen 15 – Kohlenhydrate Empfehlung: Kapitel 24, Vollhardt/Schore, WILEY-VCH, 2005. Priv.-Doz. Dr. Stefan Immel Universität Leipzig, Wintersemester 2007/2008. Seite 15-2 Kohlenhydrate Bedeutung der Kohlenhydrate Kohlenhydrate (nicht Kohlehydrate) sind Polyhydroxyaldehyde oder -ketone, die aus der pflanzlichen Photosynthese stammen (n CO2 + n H2O ? Cn (H2O) n + n O2 ). Neben Lipiden, Proteinen und Nucleinsäuren sind die Kohlenhydrate (umgangssprachlich = „Zucker“) eine der vier großen Gruppen lebenswichtiger Verbindungen, und machen mit ca. 75% den weitaus größten Teil der organischen Materie auf der Erdoberfläche aus. Der Name "Hydrat des Kohlenstoffs" (K. Schmidt, 1844) bezog sich ursprünglich auf Verbindungen der Zusammensetzung Cn (H2O) n , was heute für viele Kohlenhydrate, wie z.B. Desoxyzucker, Aminozucker und Pseudozucker jedoch nicht zutrifft. Kohlenstoff als Grundbaustein aller organischen Verbindungen zirkuliert über die Nahrungskette im Ökosystem. Als Kohlenstoffquelle dient primär Kohlendioxid (CO2 ) aus der Atmosphäre. Stärker als bei anderen Elementen ist der Weg des Kohlenstoffs durch das Ökosystem mit dem Energiefluss gekoppelt und an gegenläufige biologische Prozesse gebunden: Assimilation (Photosynthese) und Dissimilation (Zellatmung).* Stark vereinfachte Darstellung des globalen Kohlenstoff-Kreislaufs. Relative Anteile jährlich nachwachsender Biomasse (ca. 200 Milliarden Tonnen/Jahr): Beispiele für Kohlenhydrate der allgemeinen Summenformel C 6H 12O 6 = C 6(H 2O) 6 Polyhydroxyaldehyd: D-Glucose Polyhydroxyketon: * Die Photosynthese produziert unter Nutzung von ca. 0.12% des Sonnenlichts ca. 1 g Zucker / m 2 Blattoberfläche / h (= ca. 75 Milliarden Tonnen organisch gebundenen Kohlenstoff pro Jahr = 20-fache Menge des Weltkohleverbrauchs). Seite 15-3 Kohlenhydrate – Einteilung Einteilung der Kohlenhydrate Die Einteilung der Kohlenhydrate (= Saccharide; griech.: saccharon, „Zucker“) erfolgt nach der Zahl der in einem Molekül vorliegenden Zucker-Bausteine in Mono-, Di-, Tri-, …, Oligo-, und Polysaccharide:* Monosaccharide bestehen aus einer Zuckereinheit, wie z.B. Glucose, Fructose, Ribose, etc., Monosaccharide kommen in freier Form kaum in der Natur vor, man findet sie hauptsächlich in Form von Oligo- und Polysacchariden und in Verbindung mit anderen Naturstoffen, z.B. als Glycoside, Glycolipide und Glycoproteine. Disaccharide (Saccharose, Maltose, etc.), Trisaccharide (z.B. Raffinose), usw. sind aus entsprechend mehr (auch unterschiedlichen) Zuckereinheiten aufgebaut. Die hydrolytische Spaltung der Di-, Tri-, usw. Saccharide ergibt eine entsprechende Anzahl von Monosaccharid-Bausteinen (zu den cyclischen Halbacetal-Formen der Monosaccharide, den Formen der chemischen Verknüpfung und den zugrunde liegenden Acetalen siehe Kapitel 11 und dieses Kapitel, weiter unten). Oligosaccharide bestehen aus vier bis ca. 10-20 Monosaccharid-Einheiten, und stellen den Übergangsbereich von den niedermolekularen Sacchariden (Mono-, Di-, Tri-, etc.) hin zu den hochmolekularen Polysacchariden dar. Polysaccharide sind hochmolekulare Stoffe und bestehen aus bis weit über 1.000 Monosaccharid-Einheiten. Homopolysaccharide (Stärke, Cellulose, Inulin, Chitin) sind aus einem einzigen Zuckermonomeren aufgebaut, aus verschiedenen Zuckern zusammengesetzte Polysaccharide werden auch als Heteropolysaccharide bezeichnet. HO HO Monosaccharid (z.B. D-Glucose) cyclisches Halbacetal Molmassen ca. [ g / mol ] ˜ 300-400 ˜ 3.000 bis >> 1.000.000 Polykondensation HO HO n = 2 Disaccharid Vollacetal n = 3 Trisaccharid Disaccharid (z.B. Maltose) n = 20 Oligosaccharid Polysaccharide (z.B. Amylose) n > 20 Polysaccharid * Da Saccharid-Einheiten über hydrolysierbare Acetal-Bindungen verknüpft sind, versteht man unter Monosacchariden solche Einheiten, die sich durch saure Hydrolyse nicht weiter aufspalten lassen. HO O HO O Seite 15-4 Monosaccharide Einteilung der Monosaccharide: Stammbäume der Aldosen und Ketosen Aldotriosen HO * OH H (R)-Glycerinaldehyd 1 CHO HO * OH H (S)-Glycerinaldehyd 1 CHO D-Glycerinaldehyd L-Glycerinaldehyd Ketotriose Fischer-Projektion (Zusammenfassung) HO 3 1 OH Dihydroxyaceton 1 CH2OH 2 Dihydroxyaceton 1 CHO C-Kette steht senkrecht Die Einteilung der Monosaccharide (Polyhydroxyaldehyde oder Polyhydroxyketone mit mindestens zwei Hydroxylgruppen) erfolgt nach ihrer chemischen Struktur (Aldehyd oder Keton) und der Anzahl der in der Kette vorliegenden Kohlenstoffatome (n = 3). Je nach Art der Carbonylfunktion unterscheidet man zwischen Aldosen und Ketosen. Nach der Zahl der C-Atome teilt man sie außerdem in Triosen, Tetrosen, Pentosen, Hexosen und Heptosen ein, biologisch relevant sind alle Formen, vor allem aber die Pentosen und Hexosen. Zusammengezogen werden Aldosen als Aldotetrosen, Aldopentosen, Aldohexosen, usw. (Präfix „Aldo-“), Ketosen als Ketotetrosen, Ketopentosen, Ketohexosen, usw. (Präfix „Keto-“) bezeichnet.* Weit über 200 verschiedene Monosaccharide in der Natur sind bekannt (vorwiegend D-Zucker!), wobei hier nur die wichtigsten ausführlich behandelt werden sollen. Die einfachsten Vertreter sind die Aldotriose Glycerinaldehyd (alte Bezeichnung = Glyceraldehyd) und die Ketotriose Dihydroxyaceton, beides Oxidationsprodukte des dreiwertigen Alkohols Glycerin. Dihydroxyaceton ist zudem das einzige achirale Monosaccharid, alle anderen Strukturen sind chiral. Zur Darstellung der Strukturen wird oft die Fischer-Projektion herangezogen, die sich – obwohl mittlerweile veraltet – in der Biochemie sehr hartnäckig hält. Die Details der Fischer-Projektion und der zugrunde liegenden Konventionen wurden in Kapitel 3 ausführlich behandelt: höchste Oxidationsstufe steht oben jedes "C-Kreuz" bedeutet jeweils: "hinten" das "unterste" Chiralitätszentrum bestimmt den Namen der Reihe: "rechts" ? D-Monosaccharide "links" ? L-Monosaccharide "vorne" die Namen der Monosaccharide geben dann, ausgehend von der D/L-Zuordnung, die relative Konfiguration ("gleiche" oder "andere" Seite) entlang der Kette an (hier z.B. D-Glucose) * Oft wird im Fall von Aldosen auch einfach von Triosen, Tetrosen, Pentosen, usw. (Endung „-ose“), für Ketosen auch von Triulosen, Tetrulosen, Pentulosen, usw. (Endung „-ulose“) gesprochen. 15-5 D-(+)-Psicose Monosaccharide – Stammbaum der Ketosen Damit ergibt sich (in der Fischer-Projektion) der hier gezeigte Stammbaum der Ketosen (schrittweise Addition von C-Atomen und Chiralitätszentren; D-und L-Reihe):* D-(+)-Ribulose D-(-)-Fructose D-(-)-Erythrulose D-(+)-Sorbose D-(+)-Xylulose D-(-)-Tagatose Ketotriose D-Reihe CH2OH L-Reihe Dihydroxyaceton Ketotetrosen Ketopentosen Ketohexosen HO H HO H L-(-)-Psicose HO H L-(-)-Ribulose HO H L-(+)-Fructose HO H L-(+)-Erythrulose L-(-)-Sorbose L-(-)-Xylulose L-(+)-Tagatose * Beachten Sie, dass z.B. D-Fructose und L-Fructose Enantiomere darstellen, dass aber D-Psicose und L-Tagatose (Unterschied nur am untersten Chiralitätszentrum) Diastereomere sind! 15-6 D-(+)-Allose Monosaccharide – Stammbaum der Aldosen Der analoge Stammbaum der Aldosen (schrittweise Addition von C-Atomen und Chiralitätszentren; hier nur die D-Reihe) ergibt sich wie hier gezeigt:* D-(-)-Ribose D-(+)-Altrose D-(-)-Erythrose D-(+)-Glucose D-(-)-Arabinose Aldotriosen Aldotetrosen Aldopentosen Aldohexosen D-(+)-Mannose D-(+)-Glycerinaldehyd D-(-)-Gulose D-(+)-Xylose D-(-)-Idose D-(-)-Threose D-(+)-Galactose D-(-)-Lyxose * Die entsprechenden Strukturen der Enantiomere (L-Reihe) ergeben sich jeweils durch Umkehr aller Chiralitätszentren entlang der C-Kette! D-(+)-Talose Seite 15-7 Monosaccharide – Stereochemische Zusammenhänge Einteilung der Monosaccharide: Epimere, Enantiomere und Diastereomere Die Stammbäume der Aldosen und Ketosen geben die stereochemischen Beziehungen der unterschiedlichen Monosaccharide wieder. Zu beachten sind folgende Zusammenhänge (vergleiche Formeln auf der nächsten Seite): Innerhalb der D- oder L-Reihen (jeweils für die Tetrosen, Pentosen, Hexosen, usw.) besitzen Diastereomere unterschiedliche Namen (z.B. die Aldohexosen D-Glucose und D-Galactose). Enantiomere ergeben sich durch Inversion aller Chiralitätszentren (z.B. D-Fructose und L-Fructose, nicht nur das jeweils unterste D- oder L-Namensgebende Chiralitätszentrum invertieren!). Die Trivialnamen geben die Relativkonfiguration an, die D/L-Präfixe bestimmen dagegen die Absolutkonfiguration! Unterscheiden sich zwei Monosaccharide nur in der Konfiguration einer OH-Gruppe an einem C-Atom, so spricht man von Epimeren: D-Mannose ist das C-2-Epimer der D-Glucose, und D-Galactose das C-4-Epimer der D-Glucose. Die Trivialnamen der Monosaccharide leiten sich aus historischen Überlegungen ab – man muss diese nicht auswendig können, man muss wissen wo man nachschlagen kann. Wissen muss man allerdings die folgenden, einzelnen Strukturen – dazu ein paar Faustregeln und „Eselsbrücken“: Die Aldotetrosen Erythrose und Threose kann man in der Fischer-Projektion leicht auseinander halten, wenn man sich merkt, dass in der Erythrose beide OH-Gruppen auf der gleichen Seite (wie die waagerechten Balken im Anfangsbuchstaben „E“) stehen, während in der Threose die OH-Gruppen auf entgegengesetzten Seiten stehen (wie die waagerechten Balken im Anfangsbuchstaben „T“). Je nach D- oder L-Reihe ergibt sich dann die Absolutkonfiguration zwangsläufig. In der Aldopentose Ribose stehen in der Fischer-Projektion alle OH-Gruppen auf der gleichen Seite der Formel, und demnach für D-Ribose alle rechts, und für L-Ribose alle links. Die allerwichtigste Aldohexose D-Glucose merkt man sich nach dem Schema „Ta-Tü-Ta-Ta“ (= „rechts-links-rechtsrechts“) für die OH-Gruppen (das muss man wissen!). Davon ausgehend leitet man sich die Formeln der ebenfalls extrem wichtigen D-Mannose, D-Galactose und D-Fructose ab: D-Mannose hat nur an C-2 die umgekehrte Konfiguration wie die D-Glucose (? D-Mannose ist das C-2-Epimer der D-Glucose), D-Galactose ist ganz entsprechend das C-4-Epimer der D-Glucose, und für D-Fructose verschiebt man die Carbonylgruppe von C-1 nach C-2 (aus der Aldohexose D-Glucose erzeugt man die Ketohexose D-Fructose).* * Wegen der Rechtsdrehung polarisierten Lichts wird die D-(+)-Glucose auch Dextrose (lat.: dexter, „rechts“), die linksdrehende D-(–)-Fructose auch als Lävulose (lat.: laevus, „links“) bezeichnet. Seite Diastereomere und Epimere 15-8 D-Glucose Monosaccharide – Epimere, Enantiomere und Diastereomere 4 5 OH nur hier unterschiedliche Konfiguration an C-4: HO H 4 5 H OH H HO 5 Inversion nur an C-5 OH ? Diastereomere! H H 5 6 ? keine Enantiomere! ? Diastereomere! 6 L D "Eselsbrücken": D-Erythrose C-4-Epimere = Diastereomere D-Threose "Eselsbrücke" über die Anfangsbuchstaben: D-Ribose D-Galactose L-Sorbose Enantiomere C-5-Epimere = Diastereomere D-Fructose Inversion aller Chiralitätszentren ? Enantiomere! Enantiomere Das absolute Minimum - Im Praktikum das nicht zu wissen ist ein absolutes "No-Go": D-Fructose Verschieben von C=O D-Glucose Ketohexose Aldohexose einzelne Epimere HO H D-Mannose C-2-Epimer von D-Glucose Anmerkungen: Was man wissen muss: Epimere, Enantiomere und Diastereomere. Erklärungen auf der vorangegangenen Seite. HO H L-Fructose D-Galactose C-4-Epimer von D-Glucose Seite 15-9 Monosaccharide – Halbacetal-Bildung Intramolekulare Halbacetale 5-Hydroxyaldehyd 5 HO O 1 H = H O H O intramolekulare Cyclisierung kat. H oder OH pyranoide Halbacetale (Sechs-Ring Pyranosen) O O 5 OH 5 H 1 + 1 H OH 5-Hydroxypentanal 4-Hydroxybutanal Die in Kapitel 11 – Carbonylverbindungen – ausführlich diskutierte Bildung von Halbacetalen hat gezeigt, das für Hydroxyaldehyde die cyclischen Halbacetal-Formen besonders bevorzugt sind, wenn sich dabei Sechs- oder Fünf- Ringe ausbilden können: zwei Enantiomere (1:1 = Racemat) 4-Hydroxyaldehyd furanoide Halbacetale (Fünf-Ring Furanosen) H intramolekulare Cyclisierung O O kat. H O O O HO H 4 OH 4 H 4 1 H O 1 + 1 oder OH H OH Da die hier beschriebenen Aldosen und Ketosen ebenfalls Polyhydroxy-substituierte Aldehyde bzw. Ketone darstellen, ist nicht verwunderlich, dass im Bereich der Kohlenhydrate die Bildung analoger cyclischer Halbacetale eine dominierende Eigenschaft darstellt. Für Aldosen und Ketosen liegt das Halbacetal im Gleichgewicht stark bevorzugt vor (elektronenziehender –I-Effekt der OH-Substituenten auf die C=O-Gruppe). In Analogie zu den Strukturen der Heterocyclen Pyran und Furan werden diese Halbacetal-Formen daher allgemein als Pyranosen (Sechs-Ringe) oder Furanosen (Fünf-Ringe), bzw. als pyranoide oder furanoide Formen der Halbacetale bezeichnet. Die verbleibenden Hydroxy-Substituenten der Aldosen und Ketosen stellen „lediglich“ eine zusätzliche „stereochemische Dekoration“ der Ringsysteme dar.* * Der exakte Mechanismus der Halbacetal-Bildung bleibt hiervon vollkommen unberührt; für Details siehe Kapitel 11 – Carbonylverbindungen Aldehyde und Ketone. Pyran Furan Seite 15-10 Monosaccharide – Halbacetale der D-Glucose Halbacetal-Bildung der D-Glucose Die Strukturformel der Aldehyd-Form der D-Glucose zeigt, dass der Ringschluss zu einem cyclischen Halbacetal prinzipiell auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen kann. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Tatsache, dass Fünf- und Sechs-Ringe immer gegenüber kleineren (n = 3, 4) oder größeren (n = 7) Ringen bevorzugt sind, ergibt sich der bevorzugte Angriff der Hydroxylgruppen in 4- bzw. 5-Position (beachten Sie die Nummerierung der Kohlenstoffatome!) auf die Carbonylgruppe. Sechs-Ring-Halbacetale, die durch intramolekulare Cyclisierung entstehen, werden als Pyranosen bezeichnet, Zucker in der Fünf-Ring-Halbacetalform werden Furanosen genannt. Im Verlauf der Halbacetal-Bildung entsteht ein neues Chiralitätszentrum an C-1, und entsprechend werden zwei Diastereomere (nicht Enantiomere!) gebildet. Die neu generierte Halbacetal-Hydroxylgruppe wird als anomere oder glycosidische OH-Gruppe, die beiden diastereomeren Formen als Anomere (oder Tautomere) bezeichnet. Die Verbindung, bei der in der Fischer-Projektion die anomere OH-Gruppe die gleiche Konfiguration besitzt wie die für die Zuordnung zur D- und L-Reihe herangezogene Hydroxylgruppe, wird als das a-Anomer, die andere als ß-Anomer bezeichnet (dies ist die exakte Definition; Faustregel: in der Standard-Schreibweise* der Sesselformen steht in der ß-Form der D-Zucker die OH-Gruppe an C-1 nach „oben“; in der a-Form nach „unten“; diese Regel ist für L-Zucker rumzudrehen). 1 CHO 2 D-Glucose Fischer-Projektion offenkettige aldo-Form (Aldehyd-Form der Aldose) intramolekulare Cyclisierung kat. H oder OH HO HO 5 O 1 * 2 a HO OH a-pyranoide Form zwei Diastereomere = Anomere (nicht Enantiomere) ß-pyranoide Form * In der Standard-Schreibweise der Sesselformen wird (wenn möglich), das Ring-Sauerstoffatom an die hintere rechte Ecke platziert, und das anomere Zentrum befindet sich an der rechten Ecke! neu generiertes Chiralitätszentrum Anomeres Zentrum anomere OH-Gruppe HO HO neu generiertes Chiralitätszentrum Anomeres Zentrum anomere OH-Gruppe Unter Einbeziehung der furanoiden Formen (Angriff der OH-Gruppe in 4-Position auf die Carbonylgruppe) ergibt sich das vollständige Tautomeren-Gleichgewicht aller Formen der D-Glucose wie auf der nächsten Seite gezeigt: Seite HO HO a-D-Glucopyranose 15-11 Monosaccharide – Halbacetale der D-Glucose Halbacetal-Bildung der D-Glucose in moderner Schreibweise* 5 O 1 * 2 a HO OH = Carbonylgruppe bzw. anomeres Zentrum 1 4 a 2 * 3 HO HO HO O Cyclisierung über 5-OH-Gruppe Cyclisierung über 4-OH-Gruppe Angriff auf -CHO von der Si-Seite Angriff auf -CHO von der Si-Seite D-Glucose HO HO Cyclisierung über 5-OH-Gruppe Cyclisierung über 4-OH-Gruppe Angriff auf -CHO von der Re-Seite Angriff auf -CHO von der Re-Seite HO HO 5 O 1 * 2 ß HO ß-D-Glucopyranose a-D-Glucofuranose ß-D-Glucofuranose * Die nächste Seite zeigt die Ableitung der pyranoiden Formen aus der Fischer-Projektion heraus. Obwohl unübersichtlicher, wird diese Schreibweise in der Biochemie oft (häufig falsch) verwendet. Seite D-Glucose offenkettige Form 1 CHO 2 15-12 Monosaccharide – Pyranoide Halbacetale der D-Glucose Halbacetal-Bildung der D-Glucose in der Fischer-Projektion* Fischer-Projektion 1 CHO 2 HOH 2C H Anmerkung zur Fischer-Projektion: 1 x Vertauschung von je 2 Substituenten ? Konfigurationsumkehr 2 x Vertauschung von je 2 Substituenten ? Konfigurationserhalt runde "Ecken"! ? keine C-Atome ? Sechs-Ring Halbacetal- Bildung Umschreiben der Fischer-Projektion neu generiertes Chiralitätszentrum in dieser Darstellung der Fischer-Projektion "wickelt" sich die senkrechte C-Kette nach hinten zum Ring auf! zum Sechs-Ring "aufwickeln": Rotation um 90° oder zum Sechs-Ring "aufwickeln": Rotation um 90° Haworth- Projektion "Umschreiben" in die reguläre Sessel-Konformation HO H HO H 1 * 2 3 4 H OH H OH O = HO H O 2 H OH 6 HOH2C 5 HO H 3 H = H 4 HO CH2OH 5 O H OH H 3 2 OH ß 1 * H = 6 HOH2C 5 H H 4 OH H OH Haworth- Projektion HO HO "Umschreiben" in die reguläre Sessel-Konformation a-D-Glucopyranose HO HO Sessel- Konformation ß-D-Glucopyranose Sessel- Konformation * Der Übergang von der Fischer-Projektion in die Haworth-Projektion und der Übertrag in die Sessel-Konformation sollte unbedingt an einem Molekülmodell nachvollzogen werden. Seite 15-13 UNIVERSITÄT Monosaccharide – Halbacetale der D-Glucose und D-Fructose LEIPZIG Halbacetal-Bildung der D-Glucose Kristallin liegen Zucker ausschließlich als Halbacetale vor, in wässriger Lösung stehen die cyclischen Formen der Monosaccharide (abhängig von der Temperatur) miteinander im Gleichgewicht (siehe auch unten: Mutarotation), die rechten Formelschemata zeigen die vollen Tautomeren- Gleichgewichte der D-Glucose (oben, Aldohexose) und D-Fructose (unten, Ketohexose). D-Glucose kristallisiert aus wässrigem Ethanol als a-D-Glucopyranose, aus reinem Wasser dagegen als ß-D-Glucopyranose; im Gleichgewicht in Wasser liegen ca. 63:36 die ß- und a-Form vor. Von der D-Fructose ist ausschließlich die ß-D- Fructopyranose-Form kristallin isolierbar, in Lösung liegen die ß-Formen zu ca. 70% (ß-Pyranose) und 30% (ß-Furanose vor).* Für andere Monosaccharide sehen diese Gleichgewichte z.T. wesentlich komplizierter aus. Während bei der Glucose, Mannose, Galactose und Gulose fast ausschließlich die Pyranose-Form (a- und ß-Form) auftritt, findet man bei der Allose, Altrose, Talose und Idose auch die a- und ß- Form der Furanosestruktur. Xylose liegt sowohl in der Pyranose-, in der Furanose-Form und als freier Aldehyd vor. Ein Sonderfall ist die 2-Desoxyribose, die vorwiegend offenkettig vorliegt (kein –I-Effekt). HO HO HO HO ˜ 63 % ß-pyranoide Form a-pyranoide Form HO OH a-pyranoide Form D-Fructose HO O ˜ 30 % 5 HO HO ß-furanoide Form * Die süßeste Form der D-Fructose ist die ß-pyranoide, daher verliert Fructose nach dem Auflösen (vor allem in heißen Getränken) durch dieses Gleichgewicht schnell und deutlich an Süßkraft. ˜ 36 % D-Glucose offenkettige keto-Form offenkettige aldo-Form < 0.01 % << 1 % HO < 1 % < 1 % HO O 2 5 HO a < 1 % a OH HO a-furanoide Form Seite 15-14 Monosaccharide – Anomerer Effekt Der Anomere Effekt HO HO ß-pyranoide Form ca. 63% : 36% D-Glucose HO HO 4 O 1 a OH OH a-pyranoide Form HO HO ß-pyranoide Form < 5% : > 95% HO HO a OH Br a-pyranoide Form * Für Kohlenhydrate spricht man oft von einer „ 4 C 1 “(„chair“) Sesselkonformation, weil sich C-4 (siehe Formel der D-Glucose) „über“ C-1 befindet, der „umgeklappte“ Sessel wäre entsprechend „ 1 C 4 “. Seite 15-15 Monosaccharide – Anomerer Effekt Anomerer Effekt Es zeigt sich, dass vor allem stark elektronegative Substituenten in direkter Nachbarschaft zum Ring- Sauerstoffatom die axiale Position z.T. sogar bevorzugen, hierzu gehören vor allem elektronegative Gruppen wie Alkoxygruppen, Acyloxygruppen oder Halogene. Dieser stereoelektronische Effekt wird anomerer Effekt genannt, und nimmt mit der Reihe Br > Cl > OCOPh > OCOCH 3 > OCH 3 > SR > OH > NH 2 > COOCH 3 ab. Erklärt wird der anomere Effekt anschaulich durch elektrostatische Wechselwirkungen und Dipol-Dipol- Wechselwirkungen. Eine elektronegative Gruppe in 1-Position wird, wahrscheinlich durch elektrostatische Abstoßung der freien Elektronen mit dem benachbarten Ringsauerstoff, in die axiale Position gedrängt. Im Falle des ß-Anomeren addieren sich die Dipoleffekte (ungünstige Anordnung der parallel ausgerichteten Bindungsdipole), während sie sich beim a-Anomeren durch Subtraktion abschwächen (energetisch günstigere Anordnung antiparallel ausgerichteter Bindungsdipole). Zu betonen ist, dass dieser Effekt nur auf Ringsubstituenten in direkter Nachbarschaft zum Ring-Sauerstoffatom wirkt, nicht aber auf die anderen verbleibenden Substituenten am Pyranosering. Dies ist nicht die ganze Wahrheit – es gibt auch (modernere) Ansätze zur Erklärung des sehr komplexen „Anomeren Effekts“ auf der Basis von Molekülorbital-Betrachtungen und Orbital-Orbital-Wechselwirkungen – die aber hier sicher zu weit führen würden.* ungünstige Anordnung der parallel ausgerichteten Bindungsdipole günstige Anordnung der antiparallel ausgerichteten Bindungsdipole Bevorzugung der axialen Position von Substituenten in Nachbarschaft zum OH Ring-Sauerstoffatom weniger bevorzugt stärker bevorzugt * Ringkonformationen von Furanosen (flexiblere Fünf-Ringe) sind stark abhängig vom Substitutionsmuster und wesentlich schwerer zu beurteilen, und, daher werden diese oft „quasi planar“ gezeichnet. Seite 15-16 Monosaccharide – Mutarotation der D-Glucose Mutarotation Der spezifische Drehwert jedes chiralen Moleküls ist eine charakteristische Größe, die in nicht vorhersagbarer Art und Weise von der Molekülstruktur abhängt – die unterschiedlichen tautomeren und anomeren Formen der Monosaccharide besitzen daher unterschiedliche spezifische Drehwerte. Wird z.B. eine frisch zubereitete Zuckerlösung von a-D- Glucopyranose (aus EtOH/H 2 O kristallisiert) untersucht, so misst man einen anderen Drehwert wie für ß-D-Glucopyranose (aus reinem H 2 O kristallisiert und hier schnell wieder aufgelöst). Mit der Zeit beobachtet man jedoch in beiden Fällen eine kontinuierliche Änderung des Drehwerts hin zu einem stationären Wert (Gleichgewichts-Grenzwert). Diese Änderung des Drehwertes entspricht der (je nach Bedingungen mehr oder weniger schnellen) Einstellung des Tautomeren-Gleichgewichts (siehe oben), da die Drehwert-Messung (Polarimetrie) nur das gewichtete Mittel aller Formen (im Fall der D-Glucose im wesentlichen nur die a- und ß-pyranoiden Formen) bestimmen kann. Diese Änderung des Drehwerts wird als Mutarotation bezeichnet, die Verfolgung des Drehwertes erlaubt sowohl die Bestimmung der Gleichgewichts-Zusammensetzung wie auch der Reaktionsgeschwindigkeit (? kinetische Messungen):* Mutarotation der D-Glucose HO HO 5 O 1 * 2 a HO OH a-D-Glucopyranose 25 [a] = +112° D Schnelles auflösen von aus EtOH/H 2O kristallisierter Glucose ˜ 36 % a-Pyranose 25 [a] = +52.7° D Gleichgewichts-Drehwert (stationärer Wert) ˜ 64 % ß-Pyranose HO HO 5 O 1 * 2 ß HO ß-D-Glucopyranose 25 [a] = +19° D Schnelles auflösen von aus H 2O kristallisierter Glucose * Ausgehend von a-D-Glucose bzw. ß-D-Glucose wird jeweils der gleiche stationäre Endwert für den Drehwert gefunden, da die Gleichgewichtslage unabhängig davon ist, von welcher Seite man beginnt. spezifischer Drehwert [°] 25 [a] D +112 ? ausgehend von a-D-Glucopyranose 25 [a] = f(t) D Reaktionszeit [min] ˜ 36 : 64 % a- : ß-Pyranose +52.7 Geichgewichts-Grenzwert ? ausgehend von ß-D-Glucopyranose Seite HO HO 15-17 Monosaccharide – Mutarotation der D-Glucose Die Mutarotation, also die Umwandlung der unterschiedlichen tautomeren Formen der Glucose kann – wie oben gezeigt – über die offenkettige Form erfolgen, muss aber nicht. Insbesondere in Gegenwart von Säurekatalysatoren kann die gegenseitige Umwandlung der a- und ß-pyranoiden Formen ohne Ringöffnung über ein cyclisches (nicht cyclisch-konjugiertes) Oxoniumion erfolgen (Protonierung der anomeren OH-Gruppe ? H 2 O-Abspaltung ? Oxoniumion usw.):* a HO OH a-D-Glucopyranose + H HO O - H2O HO O + H2O HO O H - H HO HO O H H HO HO H HO HO O H Protonierung der anomeren OH-Gruppe Fluchtgruppe Wasser Oxoniumion Wasser greift wieder an, aber von der entgegengesetzten Seite HO HO ß-D-Glucopyranose Analoges gilt für die Umwandlung jeweils der furanoiden Formen ineinander (a-D-Glucofuranose ? ß-D- Glucofuranose). Nur für die Umwandlung von pyranoiden Sechs-Ring-Formen in furanoide Fünf-Ring-Formen (z.B. a- D-Glucofuranose ?a-D-Glucopyranose) muss der Ring geöffnet, und die offenkettige Form durchlaufen werden (eine Änderung der Ringgröße ist mit einer Änderung der an der Halbacetal-Bildung beteiligten Hydroxylgruppe verbunden). Zu beachten ist, dass die (Säure-katalysierte) Protonierung von Acetalen immer ausschließlich an einem der beiden Acetal-Sauerstoffatome erfolgt: entweder am Ring-Sauerstoffatom, oder an der anomeren OH-Gruppe. Im ersten Fall erfolgt Ringöffnung, im zweiten Fall entsteht ein cyclisches Oxoniumion: HO HO a HO OH a-D-Glucopyranose Protonierung am Ringsauerstoffatom Protonierung der anomeren OH-Gruppe (a) HO HO OH H (b) - H2O HO O H offenkettiges Oxoniumion HO HO HO H cyclisches Oxoniumion * Merkregel: die ß-D-Glucopyranose ist das einzige Monosaccharid, bei dem in der Sesselform alle Substituenten am Pyranosering eine equatoriale Stellung einnehmen! Seite 15-18 Monosaccharide – Formelschreibweisen Unterschiedliche Bücher – unterschiedliche Formeln HO H * 2 H OH HO 3 H H 4 OH 6 HOH2C 5 H 3 = HO H O = 4 1 OH H = 4 3 2 HO H * 2 H OH HO HO Die unterschiedlichen Darstellungsformen chemischer Formeln in verschiedenen Büchern verlangen mitunter ein erhebliches Maß an „Umdenken“ – und ein gutes Vorstellungsvermögen. Insbesondere die Fischer-Projektionen sind oft schwierig zu interpretieren, und es schleichen sich sehr leicht Fehler ein. Hier sind zum Vergleich die unterschiedlichen Darstellungsweisen der ß-pyranoiden und ß-furanoiden Form der D-Glucose einmal gegenübergestellt:* ß-D-Glucose (pyranoide und furanoide Formen) Fischer-Projektionen HO H * 2 H OH Haworth-Projektionen 6 CH2OH ß-D-Glucopyranose Konformationsformeln Bis auf die Konformationsformeln sind die Haworth-Projektion – und vor allem die Fischer-Projektion – bar jeder physikalischen Relevanz, und sicher nicht dazu geeignet, ein modernes Verständnis für die Geometrie von Molekülen zu schulen. Von der Ästhetik ganz zu schweigen – werden beide Formelschreibweisen immer noch häufig verwendet. * Es ist üblich, in den Haworth-Projektionen oder den Konformationsformeln das Ring-Sauerstoffatom an die hintere, rechte Ecke (Sechs-Ring-Pyranosen) oder nach hinten (Furanosen) zu schreiben. Seite 15-19 Haworth- Projektionen und Sesselformen: Monosaccharide – Glucose, Mannose, Galactose und Fructose Ringgeometrien der Glucose, Mannose, Galactose und Fructose HO HO ß-D-Glucopyranose HO HO ß-D-Mannopyranose ß-D-Galactopyranose Den oben gemachten Ausführungen zu den Konfigurationen der Monosaccharide zufolge können die pyranoiden Sesselformen der Mannose und Galactose aus der Halbacetal-Form der D-Glucose abgeleitet werden: D-Mannose ist das C-2-Epimer, und D-Galactose ist ganz entsprechend das C-4-Epimer:* C-2 Epimer der D-Glucose ? D-Mannose C-4 Epimer der D-Glucose ? D-Galactose HO HO ß-D-Fructopyranose 3D-Modell der ß-D-Glucopyranose 3D-Modell der ß-D-Mannopyranose 3D-Modell der ß-D-Galactopyranose 3D-Modell der ß-D-Fructopyranose * Für Epimere ergeben sich die Haworth-Formeln durch einen Austausch „überhalb“ ? „unterhalb“ der Ringebene, in den Sesselformen entspricht dies einem Austausch „equatorial“ ?„axial“). Seite 15-20 Monosaccharide – Glucose und Fructose D-Glucose D-Glucose (= Traubenzucker, Dextrose) spielt eine zentrale Rolle im Kohlenhydratstoffwechsel aller Organismen und ist der wichtigste Energielieferant, im menschlichen Blut sind ca. 0.1 % enthalten (Blutzucker). Technisch wird Glucose durch Hydrolyse von Stärke gewonnen, und stellt als Monosaccharid-Baustein der Polysaccharide Stärke und Cellulose (siehe unten) die häufigste organische Verbindung unseres Planeten dar. D-(+)-Glucose D-(-)-Fructose Halbacetal- Bildung HO HO a/ß-Gleichgewichts gemisch (˜ 36 : 63): 25 [a] = +52.7° D "rechts-drehender" Zucker (pos. Drehwert) ? Name "Dextrose" D-Fructose 1 CH2OH 2 Halbacetal- Bildung HO HO 25 [a] = -92.4° D D-Fructose (= Fruchtzucker, Lävulose) ist das süßeste Monosaccharid, kommt in Früchten und Honig als Invertzucker vor, und ist ein Baustein des Disaccharids Saccharose (Rohrzucker) und des Polysaccharids Inulin. Wirtschaftlich ist die Gewinnung von Fructose aus Stärke (Mais (= Corn), Kartoffeln, etc.), die zu Glucose hydrolysiert wird und chemisch oder enzymatisch in „High-Fructose Syrup“ umgewandelt wird (? Cola). "links-drehender" Zucker (neg. Drehwert) ? Name "Lävulose" Traubenzucker (klebt „Tesa“ Zucker?) Zutaten: Glucosesirup, Dextrose … ? Fruchtzucker-haltige Produkte „High-Fructose Corn Syrup“ * * Lesen Sie einmal die dämlichen „Nutrition Facts“ (Ernährungshinweise): Serving Size 30ml; und: per Serving: Total Carbohydrates: 33 g, Sugars: 17 g. Wo sind die jetzt restlichen 16 g geblieben? Seite 15-21 Monosaccharide Weitere Monosaccharid-Bausteine Die wichtigsten Monosaccharid-Bausteine der Natur sind neben den oben beschriebenen Hexosen die Aldopentosen D-Xylose, L-Arabinose und D-Ribose (? DNA und RNA-Baustein). Daneben finden sich häufig Aminozucker (? Ersatz von Hydroxylgruppen durch NH2-Gruppen oder N-Acetyl-Funktionen), Desoxyzucker (? Fehlen von bestimmten OH-Gruppen) und Pseudozucker* (= Cyclitole oder Inositole und Carbazucker ? Ersatz des Ring-O- Atoms durch CH2-Methylengruppen): 4 Aldopentosen 5 O HO HO 1 a/ß 3 2 OH OH HO 4 HO 3 5 O 1 a/ß 2 OH OH HO 4 3 HO 5 O 1 a/ß 2 OH OH HO 5 O 1 4 OH 3 2 a/ß HO OH D-(+)-Xylose L-(+)-Arabinose D-(-)-Ribopyranose D-(-)-Ribofuranose Aminozucker OH HO HO 3 5 O 1 a/ß 2 NH OH 2 HO HO 3 O 5 O 1 a/ß 2 NH OH 4 HO 3 5 O 1 a/ß 2 NH OH 2 D-(+)-Glucosamin D-(+)-Galactosamin (= 2-Amino-2-desoxy- CH3 (= 2-Amino-2-desoxy- D-Glucose) N-Acetyl-Glucosamin D-Galactose) Cyclitole (= Inositole) myo-Inositol Pseudo-Zucker Desoxyzucker HO HO L-(-)-Fucose (= 6-Desoxy- L-Galactose) * Die Cyclitole und Carbazucker bilden aufgrund des Fehlens einer Carbonylgruppe dann selbst keine Acetale mehr aus und zeigen keine Mutarotation. HO OH Pseudo-Galactose HO HO HO HO NH2 Valiolamin H3C HO 6 L-(-)-Rhamnose (= 6-Desoxy- L-Mannose) HO HO HO NH2 Valienamin Seite 15-22 Monosaccharide – Reduktionsprodukte Reduktion von Monosacchariden HO HO HO HO D-Glucose D-Mannose offenkettige Aldehyd-Form offenkettige Aldehyd-Form Oxidationsstufe: Aldehyd Oxidationsstufe: Aldehyd Reduktion NaBH 4 oder H 2 / Pt Reduktion NaBH 4 oder H 2 / Pt D-Glucitol (= D-Sorbitol) D-Mannitol Die Reduktion der C=O-Gruppe von Monosacchariden mit NaBH 4 oder durch katalytische Hydrierung führt zu Zuckeralkoholen (= Alditolen). Hierbei wird im Fall der Aldosen kein Chiralitätszentrum generiert – der Aldehyd wird zu einem primären Alkohol reduziert (z.B. D-Glucose ? D-Glucitol = D-Sorbitol, oder D-Mannose ? D-Mannitol). Bei Ketosen (? Reduktion der Carbonylgruppe zu einem sekundären Alkohol) kommt es aber zur Bildung eines neuen Chiralitätszentrums und Bildung diastereomerer (nicht enantiomerer!) Alkohole (z.B. D-Fructose ? D-Glucitol + D-Mannitol):* Keto-Form Oxidationsstufe: Keton Reduktion NaBH 4 oder H 2 / Pt D-Glucitol Oxidationsstufe: sekundärer Alkohol Oxidationsstufe: primärer Alkohol Oxidationsstufe: primärer Alkohol D-Mannitol * Die katalytische Hydrierung von Glucose und Fructose werden beide in großtechnischem Maßstab zur Darstellung der Zuckeralkohole als Zuckerersatzstoffe durchgeführt. Oxidationsstufe: sekundärer Alkohol Seite 15-23 Monosaccharide – Reduktionsprodukte 1 CHO 2 D-(+)-Glucose Oxidationsstufe: Aldehyd Reduktion 1 CH2OH 2 D-Glucitol Oxidationsstufe: primärer Alkohol Die Reduktion von Aldosen kann zudem durch die „Kopf-Schwanz-Vertauschungs-Symmetrie“ dazu führen, dass aus unterschiedlichen Aldosen die gleichen Alditole gebildet werden (D-Glucose und L-Gulose ? D-Glucitol).* identische Produkte (gleiche Konfiguration)! identisch! HO H Oxidationsstufe: primärer Alkohol Drehung um 180° (in der Fischer-Projektion erlaubt unter Konfigurations- Erhalt!) HO H 1 CH2OH 2 L-Gulitol Oxidationsstufe: Aldehyd Reduktion HO H 1 CHO 2 L-(+)-Gulose Alditole werden nach der Zahl ihrer Kohlenstoffatome eingeteilt in Pentitole, Hexitole, usw., sie gehen keine typischen Zuckerreaktionen ein (keine Carbonylgruppe ? keine Acetale etc.), lassen sich jedoch wegen ihrer Polyhydroxy- Struktur verethern und verestern. Da Zuckeralkohole ebenfalls süß schmecken, nicht kalorisch sind, und beim Erhitzen karamellisieren, finden einige als Zuckerersatzstoffe in der Süßwarenindustrie (? Bonbons) Verwendung. Sorbitol gesüßte Marmeladen Sorbitol in Kosmetika Mannitol und Xylitol Medizinprodukte Sorbitol in der Vogelbeere (Sorbus aucuparia) * Diese und ähnliche Überlegungen zur Oxidation von Sacchariden (siehe unten) waren zentraler Bestandteil von E. Fischer‘s Konfigurationsbeweis der Zucker (1902 der 2. Nobelpreis in Chemie). Seite 15-24 Monosaccharide – Oxidationsprodukte Oxidation von Monosacchariden Die Formel der Aldohexose D-Glucose zeigt, dass im wesentlichen zwei leicht oxidierbare Gruppen in diesem Molekül vorliegen: zum einen die Aldehyd-Funktion an C-1, und der primäre Alkohol an C-6, die beide zur Stufe der Carbonsäure oxidierbar sind (siehe Kapitel 8 und 11). Je nachdem, welche Oxidationsmittel verwendet werden, kann die eine, die andere oder beide Gruppen oxidiert werden, woraus die wichtigen Oxidationsprodukte der Aldonsäuren (Oxidation nur an C-1 ? „-onsäuren“), Alduronsäuren (Oxidation nur an C-6 ? „-uronsäuren“) oder der Aldarsäuren (Oxidation an C-1 und C-6 ? „-arsäuren“) resultieren. Im unten gezeigten Fall der D-Glucose sind dies demnach Gluconsäure, Glucuronsäure oder Glucarsäure.* Die Carbonylfunktion von Ketosen ist dagegen nicht ohne C-C- Bindungsbruch oxidierbar. Durch Oxidation mit milden Oxidationsmitteln wie Bromwasser, Jod oder verdünnter HNO3 erhält man die Aldonsäuren (Oxidation der reaktiveren Aldehydgruppe an C-1), durch stärkere Oxidationsmittel wie halb-konz. HNO3 werden beide funktionellen Endgruppen (C-1 und C-6) unter Bildung von Aldarsäuren (= Zuckersäuren) oxidiert. Die Oxidation von Aldosen zu Uronsäuren (Oxidation nur an C-6) entspricht der alleinigen Oxidation der weniger reaktiven terminalen primären Hydroxylgruppe und ist nur enzymatisch, oder chemisch nach vorangehendem Schutz der Carbonylfunktion bzw. der Halbacetal-OH-Gruppe möglich: D-Glucose HO HO pyranoide Form offenkettige Form 1 CHO 2 Fischer-Projektion Oxidationsstufe: Aldehyd Oxidation Oxidationsstufe: primärer Alkohol Oxidation an C-1 COOH * Die Aldonsäuren, Alduronsäuren und Aldarsäuren sind als Polyhydroxy-substituierte Mono- oder Dicarbonsäuren zu sehen, die zur leichten Bildung intramolekularer Ester (? Lactone) neigen. Gluconsäure Oxidationsstufe: Carbonsäure Oxidation an C-6 1 CHO 2 COOH Glucuronsäure Oxidation an C-1 und C-6 1 COOH 2 COOH Glucarsäure Seite 15-25 Monosaccharide – Oxidationsprodukte HO HO D-Glucopyranose Oxidation Oxidation 6 d-Lacton HO HO 4 3 5 2 O 1 O D-Glucarsäure D-(+)-Gluconsäure- 1,5-lacton 1. Lactonisierung HO 6 5 ?-Lacton HO HO COOH D-Glucuronsäure Lactonisierung Aldonsäuren werden nur relativ selten in der Natur gefunden, manche Pilze und Bakterien enthalten jedoch Oxidasen, die D-Glucose zu D-Gluconsäure oxidieren. Uronsäuren sind Bestandteile von Polysacchariden, wie Glycuronanen, Pektinsubstanzen, Alginsäuren und Mucopolysacchariden. D-Glucuronsäure besitzt im Organismus Schlepperfunktion und dient zur Ausscheidung körperfremder und körpereigener Stoffe. Aus der D-Galactose kann die D-Galactarsäure (= Schleimsäure, Mucinsäure) gebildet werden, die als optisch inaktive meso-Form vorliegt (? Pektin-Polysaccharide, siehe unten); D-Mannuronsäure und L-Iduronsäure treten ebenfalls in Polysacchariden auf. Aus D-Threose entsteht D-Weinsäure (siehe Kapitel 12 und 13; der Name „Threarsäure“ wird nicht verwendet). Die oben gezeigten Oxidationen müssen nicht notwendigerweise aus der offenkettigen Form heraus erfolgen – die Mechanismen sind komplex und sollen hier nicht behandelt werden. Das gleichzeitige Vorliegen von Aldehyd- und/oder Carboxylgruppen kann in Verbindung mir den Hydroxylgruppen zur Ausbildung sehr unterschiedlicher intramolekularer Halbacetale und Ester (? Lactone, oft die bevorzugten Formen führen), hier nur ein paar Beispiele: HO 1 2 oder * D-Galactarsäure (das C-4 Epimer der D-Glucarsäure) besitzt ein Inversionszentrum und ist damit achiral: ?-Lacton 2. Lactonisierung ?-Lacton ?-Lacton Halbacetal D-Glucaro-1,4:3,6-dilacton 1 3 2 ?-Lacton Seite 15-26 Monosaccharide – Epimerisierung Epimerisierung durch Keto-Enol-Tautomerie PO O Glycerinaldehydphosphat PO OH Triosephosphat-Isomerase In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die bereits in Kapitel 11 besprochene Epimerisierung von Hydroxycarbonyl-Verbindungen hingewiesen:* unter Säure bzw. Basenkatalyse kann die Keto-Enol-Tautomerie zu einer Verschiebung einer Carbonylgruppe führen (Aldehyd ? thermodynamisch stabileres Keton), unter gleichzeitiger Racemisierung der stereochemischen Konfiguration an den entsprechenden Positionen. So racemisieren D- und L- Glycerinaldehyd relativ leicht, und Glycerinaldehyd steht mit Dihydroxyaceton über eine mehrstufige Keto-Enol- Tautomerie in einer Querbeziehung: (D)-(+)-Glycerinaldehyd Basen- Katalyse Säure- Katalyse Anmerkung: Die biochemische Isomerisierung von Glycerinaldehyd und Dihydroxyaceton im Verlauf der Glycolyse verläuft mechanistisch ebenfalls über eine Keto-Enol-Tautomerie, das chirale Enzym führt allerdings nicht zur Racemisierung, sondern zur bevorzugten Bildung von D-Glycerinaldehyd: HO O HO OH Enol Basen- Katalyse Säure- Katalyse achirale Zwischenstufe ? Racemisierung (L)-(-)-Glycerinaldehyd HO * H -OP 2 = PO OH Dihydroxyacetonphosphat * Die biochemisch sehr wichtige Aldol-Reaktion zum Aufbau von Kohlenhydraten (Gluconeogenese) und die Retro-Aldol-Reaktion zum Abbau (Glycolyse) soll hier nicht mehr diskutiert werden (Kap. 11). Seite 15-27 Monosaccharide – Epimerisierung Glucose – Fructose Umwandlung Keto-Enol- Tautomerie kat. H oder OH Endiol-Struktur Keto-Enol- Tautomerie kat. H oder OH Keto-Enol-Tautomerisierungen sind prinzipiell für alle Aldosen und Ketosen formulierbar – und können in der Summe zu einer Wanderung der Carbonylgruppe entlang der ganzen Kette unter Epimerisierung verlaufen. Praktisch relevant ist allerdings nur die Basen-katalysierte Umwandlung der D-Glucose (aus Stärke leicht zugänglicher Traubenzucker, siehe unten) in die ansonsten schwerer zugängliche D-Fructose. Im Verlauf dieser Umwandlung wird aus einer reaktiveren Aldehyd-Gruppe (Aldose) eine stabilere Keto-Carbonylfunktion (Ketose) generiert, die Gleichgewichtslage wird aber zudem durch die relative Stabilität der pyranoiden Halbacetale bestimmt. Auf diese Art und Weise kann Fructose auf ca. 30-70% im Gleichgewicht angereichert, und anschließend abgetrennt und isoliert werden (Lobry de Bruyn – van Ekenstein-Umlagerung):* Keto-Enol- Tautomerie (offenkettige Form) Das Vorliegen von geringen Mengen von D-Mannose in der Produkt-Mischung der Epimerisierung zeigt die Reversibilität der Reaktion (D-Mannose ist das C-2 Epimer der D-Glucose, und wird ausgehend von der D-Fructose im Verlauf der Rückreaktion gebildet. Dass die Carbonylgruppe nicht völlig frei die Kette entlang wandert liegt zum Teil daran, dass Folgereaktionen der Ketose D-Fructose langsam sind drastischere Reaktionsbedingungen erfordern: im wesentlichen liegt das Gleichgewicht zwischen D-Glucose (70-30%), D-Fructose (30-70%) und D-Mannose (< 5%). * Die sich an die gezeigten offenkettigen Formen anschließenden Halbacetal-Gleichgewichte werden hier nicht noch einmal explizit gezeigt. Seite 15-28 Monosaccharide – Nachweisreaktionen Fehling und Tollens Nachweisreaktionen der Monosaccharide Reduktion - Fehling Probe: 2 2 Cu + 2 OH + 2 e Reduktion - Tollens Probe: 2 Ag + 2 e 2 Ag ? Cu 2O ? + H 2O roter Niederschlag aus Cu I -Oxid Bildung eines Silberspiegels Aldehyd-Form Als einfache Schnelltest-Nachweisreaktionen für Monosaccharide dienen die Oxidations-Reagenzien nach Fehling oder Tollens. In beiden Fällen basiert der Nachweis auf einer Probe auf das Vorliegen von Aldehyden, die durch Cu OH OH O Oxidation: O O HO 6 4 2 R + 2 OH R + H2O + 2 e D-Glucose 5 3 1 H H OH OH OH 2+ oder Ag + -Ionen oxidiert werden. Das „sichtbare“ Ergebnis der Nachweisproben zeigt sich dann in den Reduktionsprodukten. Bei der Fehling-Probe werden eine wässrige Lösung von CuIISO4 (Fehling I) und eine alkalische Lösung (NaOH) von Natriumtartrat, dem Salz der Weinsäure (Fehling II) kurz vor dem Test gemischt (die gemischten Lösungen sind nur begrenzte Zeit haltbar, die einzelnen Lösungen dagegen sind viel stabiler), es entsteht ein tief-dunkel blau gefärbter CupferII-Tartrat-Komplex. Nach Zugabe eines „reduzierenden Zuckers“ (zu testende Lösung) bildet sich ein tieforange-roter Niederschlag von Cu2O (Cupfer-I-oxid). Analog zeigt die Tollens-Probe mittels ammoniakalischer AgNO3-Lösung nach Bildung eines Silberspiegels an der Gefäßwand (Reduktion von Ag + zu metallischem Silber) das Vorliegen eines „reduzierenden Zuckers“ an. In beiden Fällen beruht der Nachweis auf den reduzierenden Eigenschaften der Aldehydgruppe in Monosacchariden, die dabei selbst zur Carbonsäure oxidiert wird. Für die Nachweisreaktion genügt die Möglichkeit der Bildung der Aldehyd-Form aus den cyclischen Halbacetalen im basischen Medium (siehe oben) – so ergibt D-Glucose eine eindeutig positive Fehling und Tollens-Probe:* Fehling-Lösung (links) und positive Fehling-Probe (rechts). Oxidation Oxidation zur Carbonsäure Positive Tollens-Probe durch Bildung eines Silberspiegels. * Die Fehling- und Tollens-Probe zeigen Aldehyde an – sind aber nicht ganz spezifisch für Aldosen. Im basischen tautomerisiert D-Fructose langsam zu D-Glucose und ergibt ebenfalls positive Proben. Seite 15-29 Vollacetale der Monosaccharide Acetal-Bildung der Monosaccharide In Kapitel 11 wurde ausführlich die Bildung von Halbacetalen und Vollacetalen diskutiert. Es wurde gezeigt, dass Carbonylverbindungen mit Alkoholen unter Säure- bzw. Basenkatalyse Halbacetale bilden, während sich ausschließlich unter Säurekatalyse die Basen-stabilen Vollacetale ausbilden können: Carbonyl - ROH Halbacetal nur H Kat. + ROH, - H2O - ROH, - H 2O R O O R Vollacetal Analoge Reaktionen dominieren die gesamte Chemie der Kohlenhydrate – die Bildung der intramolekularen Halbacetale der Monosaccharide wurde bereits diskutiert. Setzt man nun z.B. D-Glucose mit einem Überschuss Methanol (CH3OH) in Gegenwart von Säurekatalysatoren (HCl Gas, einige Tropen verd. Schwefelsäure H2SO4 oder katalytische Mengen p-Toluolsulfonsäure CH3-Ph-SO3H) um, so entsteht glatt ein gemischtes Vollacetal (oder kurz nur „Acetal“) aus D- Glucose und Methanol in einer Mischung aus der a- und ß-Form (siehe Formelschema auf der nächsten Seite). Der Mechanismus zeigt, dass – ausgehend von a-D-Glucose oder ß-D-Glucose – über die gleiche Zwischenstufe eines (cyclischen) Oxoniumions eine jeweils identische a/ß-Gleichgewichts-Mischung der Vollacetale gebildet wird, in der hier (und analog den meisten ähnlichen Fällen) die a-Form (axialer OCH3-Substituent) über die ß-Form (equatorialer OCH3-Substituent) dominiert (siehe oben ? anomerer Effekt). Formal entspricht die Bildung der Vollacetale einem Ersatz der anomeren Hydroxylgruppe der cyclischen Halbacetal- Form der D-Glucose durch eine andere nucleophile Gruppe, hier ein Alkoxy-Rest (-OR). Diese gemischten Vollacetale werden allgemein als Glycoside – im speziellen Fall der D-Glucose als Glucoside (analog D-Mannose ? Mannoside, etc.) – bezeichnet. Zudem wird die Zuckerkomponente als Glycon bezeichnet, der zuckerfremde Anteil des Acetals ist das Aglycon (siehe nächste Seite). Die IUPAC-konforme Nomenklatur der Glycoside ist komplex und aufwendig – hier sei nur erwähnt, dass der systematische Name eines Glycosids (z.B. Methyl-ß-D-glucopyranosid) den vorangestellten Namen des Aglycons („Methyl-“), die Konfiguration am anomeren C-Atom („-ß-“), die stereochemische Bezeichnung des Zuckers (Glycon ? „-D-gluco“), eine Angabe zur Ringgröße des Zuckers („pyran“) und die Endung „-osid“ umfasst. Dementsprechend differieren Methyl-ß-D-glucopyranosid und Methyl-a-D-glucopyranosid nur in der Konfiguration am anomeren Zentrum (C-1 ?ß-Form bzw. a-Form).* * Das volle IUPAC Regelwerk findet sich unter: http://www.chem.qmul.ac.uk/iupac/2carb/ (schauen Sie sich einmal die Punkte 2-Carb-36 und 37 an – die Namen sind unschlagbar!). Seite 15-30 Vollacetale der Monosaccharide HO HO a HO OH a-D-Glucopyranose HO HO ß-D-Glucopyranose Zur Nomenklatur: Vollacetal allgemein: ? Glycosid Vollacetal der D-Glucose: ? Glucosid HO HO Protonierung der anomeren OH-Gruppe HO HO Protonierung der anomeren OH-Gruppe HO HO HO O H H Fluchtgruppe Wasser Fluchtgruppe Wasser anomeres Zentrum glycosidische Bindung (Acetal) Glycon Aglycon - H 2O - H 2O HO HO Methyl-ß-D-glucopyranosid HO H Oxoniumion HO HO HO CH 3 HO HO a HO O Methyl-a-D-glucopyranosid (ca. 33 %) (ca. 66 %) Methyl-ß-D-glucopyranosid ? Name des Aclygons Methyl-ß-D-glucopyranosid ? Anomere Konfiguration Methyl-ß-D-glucopyranosid ? Stereochemische Bezeichnung des Glycons Methyl-ß-D-glucopyranosid ? Ringgröße des Glycons Methyl-ß-D-glucopyranosid ? Endung "-osid" zur Bezeichnung des Vollacetals Anmerkung: Beachten Sie den kleinen, aber feinen Unterschied zwischen „Glycosid“ und „Glucosid“. Methyl-ß-D-glucopyranosid Seite 15-31 Disaccharide – Vollacetale der Monosaccharide Disaccharide – Bildung und Hydrolyse Monosaccharid-Bausteine Disaccharide HO HO D-Glucopyranose Zucker-Komponente anomeres Zentrum (Halbacetal) + a/ß OH Alkohol- Komponente HO HO D-Glucopyranose Alkohol-Komponente HO HO a/ß OH kat. H HO HO Glycon a(1?4)- Verknüpfung 1 a/ß OH OH Aglycon oder 1 a/ß OH OH HO HO Glycon ß(1?4)- Verknüpfung zwei unterschiedliche Disaccharide (Maltose bzw. Cellobiose) Da Monosaccharide selbst Polyhydroxy-Alkohole darstellen, kann es analog zur Bildung von Vollacetalen zwischen Glucose und Methanol gleichfalls zur Bildung von Acetalen zwischen Monosacchariden untereinander kommen. Die gebildeten Glycoside (? glycosidische Bindung zwischen Monosaccharid-Bausteinen) werden als Disaccharide bezeichnet. Die Fortsetzung dieser Reaktion führt dann über die Trisaccharide, Tetrasacharide, usw. und die Oligosaccharide zu den Polysacchariden (viele Beispiele folgen weiter unten): Hydrolyse kat. H verd. HCl, ? Trisaccharid - H 2O Aglycon a/ß OH Oligosaccharide Polysaccharide Seite 15-32 Disaccharide – Vollacetale der Monosaccharide Das oben stehende Beispiel der Bildung eines einfachen Disaccharids aus den Monosaccharid-Bausteinen zeigt schon, dass es chemisch extrem schwer ist solche Strukturen definiert und stereospezifisch aufzubauen: neben der Bildung von a- und ß-glycosidischen Bindungen kann es zur Verknüpfung über unterschiedliche Hydroxylgruppen der Monosaccharid-Alkoholkomponente kommen (im gezeigten Beispiel können insgesamt fünf unterschiedliche OH-Gruppen der Glucose als Alkohol-Komponente reagieren, gezeigt ist nur die Reaktion der OH- Gruppe in 4-Position ?a(1?4)- oder ß(1?4)-Verknüpfung!).* Analoge Überlegungen gelten natürlich auch für die Bildung von Trisacchariden usw. – hier steigt die mögliche Anzahl aller Verknüpfungsmöglichkeiten exponentiell an, und es kommt weiterhin die Möglichkeit der Bildung linearer oder verzweigter Strukturen hinzu (gezeigt ist oben nur ein einziges Beispiel eines linearen Trisaccharids). Die Anzahl der Möglichkeiten nimmt noch weiter zu, wenn man berücksichtigt, dass nicht nur D-Glucose, sondern prinzipiell jedes weitere oben beschriebene Monosaccharid als Baustein dienen kann (z.B. D-Mannose, D-Galactose, Desoxyzucker, Aminozucker, etc.). Vergleicht man die strukturelle Diversität der Oligosaccharide (Kohlenhydrate) mit der von Oligopeptiden (Aminosäuren), so stellt man fest, dass die Diversität der Kohlenhydrate wesentlich größer ist (siehe Kapitel 14): Peptide bestehen im allgemeinen aus „nur“ 20 verschiedenen Aminosäuren, die jeweils alle in nur einer einzigen Art und Weise (Peptidbindung) linear miteinander verknüpft werden können; die Anzahl der Struktur-Möglichkeiten sind im Bereich der Kohlenhydrate unendlich viel größer: Anzahl der Bausteine, Art und Position der Verknüpfung, Verzweigungen, etc.). Im Gegensatz zur automatisierten Peptid-Synthese ist im Bereich der Kohlenhydrate auf lange Sicht kein automatisierbares Verfahren denkbar (allein die a/ß-Selektivität der Verknüpfung ist ein wahrscheinlich nicht allgemein lösbares Problem). Als Acetale sind Glycoside im allgemeinen gegen Alkali stabil, durch längeres Erhitzen mit wässrigen Säuren werden Di-, Tri-, Oligo- und Polysaccharide allerdings hydrolytisch in die Monosaccharid-Bausteine gespalten (Spaltung der Acetal-Bindungen). Die Hydrolyse-Empfindlichkeit hängt hier auch sehr stark von der Art der Bausteine und der Art ihrer Verknüpfung ab (Hydrolyse z.B. mit HCl/H2O, ?; siehe Formelschema auf der vorherigen Seite). Glycoside findet man extrem häufig in der Natur – allein die Tatsache, dass Kohlenhydrate weit häufiger vorkommen als alle anderen Naturstoffklassen wie Aminosäuren, Lipide, Nucleinsäuren zeigt ihre Bedeutung und Verbreitung. Im weiteren werden exemplarisch die wichtigsten, immer wieder kehrenden Strukturen diskutiert. Zuvor aber noch ein kurzer Blick auf einige allgemeine Eigenschaften der Saccharide. * Die chemische Synthese von Di- oder gar Oligosacchariden kommt nicht ohne Schutzgruppen aus, während die Natur enzymatische Reaktionen nutzt, um selektiv solche Bindungen zu knüpfen. Seite 15-33 Disaccharide – Reduzierende und nicht-reduzierende Zucker Reduzierende und nicht-reduzierende Disaccharide reduzierendes Disaccharid: HO HO a(1?4)- Verknüpfung a- und ß-Maltose freies Halbacetal ? entspricht Aldehyd ? reduzierendes Ende 1 a/ß OH OH reduzierendes Trisaccharid: OH HO HO HO HO OH a(1?4)-Verknüpfung 1 OH a a(1?6)- Verknüpfung freies Halbacetal ? entspricht Aldehyd ? reduzierendes Ende a/ß OH OH nicht-reduzierendes Disaccharid: HO HO a(1?2)bis-glycosidische Verknüpfung Saccharose (= Haushaltszucker) Wie oben gezeigt wurde, sind Disaccharide Glycoside, in denen die Alkoholkomponente ein zweiter Zucker ist, wobei die Verknüpfung entweder über eine alkoholische OH-Gruppe des zweiten Monosaccharids, oder aber auch direkt über beide glycosidischen OH-Funktionen (bis-glycosidische Bindung) der Bausteine erfolgen kann. Die 4- Hydroxyfunktion der Monosaccharid-Einheiten ist am häufigsten an der Glycosid-Bildung der Oligo- und Polysaccharide beteiligt (1?4), weniger häufig findet man (1?6)-, (1?3)- oder (1?2)-Verknüpfung. Sowohl die glycosidischen Bindungen, wie auch eine eventuell verbleibende anomere Hydroxylgruppe können jeweils a- oder ß-konfiguriert sein. Besitzen Disaccharide nun ein terminale, freie Halbacetal-Gruppierung, so kann sich hier in alkalischer Lösung im Gleichgewicht die Aldehyd-Form bilden, und die Disaccharide besitzen reduzierende Eigenschaften und zeigen Mutarotation; man spricht von „reduzierenden“ Disacchariden, sowie von deren „reduzierenden“- und „nichtreduzierenden“ Enden der Strukturen (z.B. a/ß-Maltose oder a/ß-Cellobiose). Reduzierende Disaccharide zeigen positive Aldehyd-Nachweisreaktionen wie die Fehling- oder Tollens-Probe. Nicht-reduzierende Disaccharide besitzen keine freie Halbacetal-Gruppierungen (? bis-glycosidische Verknüpfung), sie zeigen keine Mutarotation und ergeben negative Fehling- und Tollens-Proben (? keine freie Aldehyd-Gruppierung, z.B. Saccharose oder Trehalose).* kein freies Halbacetal ? kein freier Aldehyd ? kein reduzierendes Ende * Es soll hier wieder betont werden, dass Halbacetale Basen-labil sind und daher mit den basischen Fehling/Tollens-Proben nachweisbar sind, während Acetale Basen-stabil sind und neg. Proben geben. Seite a-D-Glucopyranose HO HO a(1?4)- Verknüpfung 15-34 Oligosaccharide – Kurzschreibweise Abgekürzte Schreibweise der Saccharide ß-D-Galactopyranose ß(1?4)- Verknüpfung a- und ß-Maltose = a-D-Glcp-(1?4)-a/ß-D-Glcp 1 a/ß OH OH a/ß-D-Glucopyranose a- und ß-Lactose = ß-D-Galp-(1?4)-a/ß-D-Glcp ß O HO D-Glucopyranose 1 a/ß OH OH a,a-Trehalose = a-D-Glcp-(1?1)-a-D-Glcp HO HO a-D-Glucopyranose 1 a HO a1 O OH O a,a(1?1) a-D-Glucopyranose ß-D-Galactopyranose ß(1?4)- Verknüpfung HO HO N-Acetyl-ß-D-glucopyranose a-L-Fucopyranose In Analogie zur Kurzschreibweise von Peptiden (3- oder 1-Buchstaben-Code, siehe Kapitel 14 – Aminosäuren), hat sich eine Kurzschreibweise für die sehr komplexen Strukturen von Oligosacchariden etabliert, in der die Monosaccharid- Bausteine in abgekürzter Form notiert werden. „a-D-Galp“ repräsentiert dabei z.B. die a-Form der D-Galactose in ihrer pyranoiden Form, oder „ß-D-Fruf“ die ß-Form der D-Fructose in ihrer furanoiden Form. Die wichtigsten Abkürzungen sind: Glucose = Glc, Mannose = Man, Galactose = Gal, Fructose = Fru, und N-Acetyl-glucosamin = GlcNAc.* Weiterhin werden die entsprechenden Verknüpfungen durch (in Klammern angegebene) Positionsnummern und Pfeile „?“ für die glycosidischen Bindungen (Doppelpfeile „?“ für bis-glycosidische Bindungen angegeben): "Ausschnitt" aus einer biologischen Struktur: a(1?3)- Verknüpfung ß-D-Galp-(1?4)-ß-D-GlcpNAc-(1?2)-a-D-Manp 3 ? 1 a-L-Fucp OH OH O 4 ß O O ß O 1 OH HO 1 NH Ac a OH a-D-Mannopyranose * Eine vollständige Liste findet sich auch den entsprechenden Web-Seiten der IUPAC: http://www.chem.qmul.ac.uk/iupac/2carb/38.html ß(1?2)- Verknüpfung Seite 15-35 Acetale der Monosaccharide Nicht-natürliche Acetale H3C O Methyl a-D-Galactopyranosid Bereits in Kapitel 11 wurden einige Acetal-Strukturen aus dem Bereich der Kohlenhydrate diskutiert, die in der Organischem Chemie der Kohlenhydrate eine wichtige Rolle spielen, aber nicht natürlichen Ursprungs sind. Diese Acetale sind vielmehr als unterschiedliche Schutzgruppen zu sehen, die dem Chemiker die gezielte weitere chemische Modifikation von Kohlenhydrat-Bausteinen gestatten. Wie auch in Kapitel 11, so soll hier nur das Augenmerk auf die sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen dieses sehr einfachen Strukturelements gerichtet werden: ZnCl 2 95% [ H + ] 46% OCH3 OCH3 OCH3 OCH3 andere Schreibweisen: entspricht: Im folgenden sollen biologisch relevante Strukturen von Disacchariden und Polysacchariden vorgestellt werden. [ H + ] 93% OCH 3 OCH 3 OCH 3 Seite 15-36 Disaccharide – Saccharose Saccharose – Der „Haushaltszucker“ Chemisch besteht Saccharose (= „Haushaltszucker“, Rohrzucker, Rübenzucker, oder einfach nur der „Zucker“; engl.: sucrose) aus den zwei Monosaccharid-Bausteinen D- Glucose und D-Fructose, die jeweils – und das ist die Besonderheit – über beide anomeren C-Atome miteinander verknüpft sind. Der Glucoserest liegt dabei in der a-pyranoiden Sechs- Ring-Form, der Fructoserest in der ß-furanoiden Fünf-Ring-Form vor, die Verknüpfung ist daher abgekürzt ß-D-Fruf-(2?1)-a-D-Glcp (ß-D-Fructofuranosyl a-D-glucopyranosid).* Saccharose ist das am häufigsten vorkommende Disaccharid überhaupt und aus vielen Pflanzen und Früchten isoliert worden. Saccharose in vielen Pflanzen anzutreffen, z.B. im Süßmais und Zuckerhirse, in Pflanzensäften wie Palmsaft (Palmzucker), in Früchten (Dattelzucker), Samen, Baumsäften (Ahornzucker) und Wurzeln. Den höchsten Saccharosegehalt weisen Zuchtformen des Zuckerrohrs (Saccharum officinarum, 14-20 %) und der Zuckerrübe (Beta vulgaris saccharifera, 16-20 %) auf. Die Entdeckung der Saccharose in der Zuckerrübe geht auf den Berliner Chemiker Margraf (1747) zurück. Vor der ersten Gewinnung von Zucker aus Zuckerrohr (300 - 600 n.Chr. in Ostindien) war Honig das einzige Süßungsmittel. Rohrzucker oder Rübenzucker ist der wichtigste Nahrungszucker und wird industriell aus Zuckerrohr (Brasilien) bzw. Zuckerrüben (Europa) über mehrere Reinigungsschritte (? Raffinadezucker) gewonnen. HO HO Saccharose (engl: Sucrose) = Haushaltszucker a-D-Glucopyranose-Einheit ß-D-Fructofuranose-Einheit ß-D-Fruf-(2?1)-a-D-Glcp ß-D-Fructofuranosyla-D-glucopyranosid Saccharose als Würfelzucker Saccharose als Kandiszucker Zuckerrübe (B. vulgaris saccharifera) Zuckerrohr (Saccharum officinarum) * Die häufig verwendete umgekehrte Bezeichnung a-D-Glucopyranosyl ß-D-fructofuranosid ist nach den strengen IUPAC-Regeln nicht zulässig: http://www.chem.qmul.ac.uk/iupac/2carb/36.html Seite Kugel-Stab-Modell der Saccharose Zuckerkristalle (farblos – nicht weiß!) Verschiedene Zuckersorten Zuckersirup (Melasse) 15-37 Disaccharide – Saccharose Mit eine Weltjahresproduktion von >> 100 Mio. Tonnen pro Jahr (Zuckerrohr und Zuckerrübe) ist Saccharose die mit Abstand am meisten produzierte, reine, organische Verbindung überhaupt.* Die gebräuchlichste Handelsform für den Haushaltsbereich ist der weiße Raffinade Zucker mit einer Reinheit von > 99.9 %, daneben sind auch geringere Mengen „brauner“ Zucker handelsüblich. Wer allerdings glaubt, der braune Zucker sei viel gesünder weil „naturbelassen“, liegt auch hier falsch – aus industrieller Sicht ist es viel billiger „weißen Raffinadezucker“ mit Melasse zu „braunem Zucker“ zurückzufärben (und so wird es auch gemacht), und es dem Verbraucher nicht zu erzählen. Geschmacklich ist brauner Zucker sicher anders zu bewerten als weißer, über die Gesundheitsaspekte lässt sich streiten, Karies verursachen beide. * Vor 250 Jahren wurde Zucker noch mit Gold aufgewogen, heute ist Saccharose als hoch-reine „Chemikalie“ billiger als das Lösungsmittel Aceton, und wird ausschließlich aus Pflanzen gewonnen. Seite 15-38 Disaccharide – Saccharose Saccharose – Hydrolytische Spaltung und Invertzucker Saccharose a-D-Glucopyranose- Einheit ß-D-Fructofuranose- Einheit HO HO 25 [a] = +66.5° D Säure-katalysierte Acetal-Hydrolyse kat. H HO HO D-Glucose Tautomeren- Gleichgewichte HO HO D-Fructose Tautomeren- Gleichgewichte HO HO Die bis-glycosidische Bindung zwischen der D-Glucose- und D-Fructose-Einheit der Saccharose (Verknüpfung über beide anomere Zentren*) ist im Vergleich zu anderen glycosidischen Bindungen besonders Säure-labil, und wird bei niedrigen pH-Werten und leichtem erwärmen in wässriger Lösung, oder enzymatisch (Invertase) schnell hydrolysiert (Säure-katalysierte Acetalspaltung). Verfolgt man während der Reaktion den Drehwert der Lösung, so stellt man fest, dass dieser als Funktion der Zeit abnimmt, und schließlich sogar sein Vorzeichen (positiv ? negativ) wechselt. Dies ist dadurch erklärbar, dass Saccharose einen anderen spezifischen Drehwert ([a] D = +66.5°) als die Spaltprodukte D- Glucose ([a] D = +52.7°) und D-Fructose ([a] D = -92.4°) aufweist. Bei vollständiger Hydrolyse gegen Ende der Reaktion wird daher der mittlere Drehwert von einer 1:1 Mischung von D-Glucose und D- Fructose gemessen ([a] D = (+52.7° + -92.4°)/2 = -19.8°), was die Abnahme und Vorzeichenumkehr („rechts-drehende“ Saccharose ? „links-drehende“ D-Glucose und D-Fructose Mischung) erklärt. Die resultierende Mischung der beiden Monosaccharide wird daher auch als „Invertzucker“ bezeichnet. spezifischer Drehwert [°] 25 [a] D +66.5 25 [a] = f(t) D Reaktionszeit [min] z.B. bei T = 50°C und pH = 1.0 erfolgt die Reaktion innerhalb ca. 1h ±0.0 -19.8 Grenzwert 25 [a] = +52.7° D 1 : 1 Mischung = "Invertzucker" 25 [a] = -92.4° D * Aus diesem Grund stellt Saccharose auch ein „nicht-reduzierendes“ Disaccharid dar, das im Gegensatz zu Maltose, Cellobiose und Lactose negative Fehling und Tollens-Proben ergibt. Seite 15-39 Disaccharide – Saccharose Saccharose und Invertzucker Saccharose ist hervorragend löslich in Wasser (probieren Sie einmal zu Hause aus, wie viel Zucker Sie in einer halben Tasse Wasser auflösen können!). Beim Erhitzen von Saccharose auf ca. >185 °C schmilzt Saccharose und bildet unter teilweiser Zersetzung eine schnell braun werdende Schmelze (Karamellisierung); beim Backen beruht die Braunfärbung auf einer anderen chemischen Reaktion des Zuckers (Reaktion mit Aminosäuren von Proteinen ? Maillard-Reaktion). Invertzucker (siehe oben) wird zu Invertzuckercreme (früher Kunsthonig genannt) weiterverarbeitet oder als Invertzuckersirup ähnlich wie Glucosesirup in der Lebensmittelindustrie eingesetzt. In der Zutatenliste auf Lebensmittelverpackungen wird statt Invertzuckersirup immer öfter Glucose-Fructose-Sirup angeführt, da dies weniger künstlich klingen soll. Auch handelsüblicher Zuckersirup für Cocktails besteht hauptsächlich aus Wasser und Invertzucker. Invertzucker schmeckt etwas milder und fruchtähnlicher als Saccharose. Außerdem kristallisiert er nicht so leicht wie Saccharose, so dass der Sirup länger flüssig bleibt als eine genauso stark konzentrierte Saccharoselösung. Heißes, flüssiges Karamell Erkaltetes, zerbrochenes Karamell Honigwaben Bienenhonig (Bio-Invertzucker) Seite 15-40 Disaccharide aus Glucose und Fructose Glucosylierte Fructosen HO HO ß-p-Trehalulose a-D-Glcp-(1?1)-ß-D-Frup HO HO ß-p-Maltulose a-D-Glcp-(1?4)-ß-D-Frup HO OH 1 HO 6' O O HO 2' OH OH Saccharose ß-D-Fruf-(2?1)-a-D-Glcp 1' HO O HO 5 ß-p-Leucrose a-D-Glcp-(1?5)-ß-D-Frup HO HO ß-p-Turanose a-D-Glcp-(1?3)-ß-D-Frup 1' OH O 6 O OH ß-f-Palatinose a-D-Glcp-(1?6)-ß-D-Fruf Die folgende Übersicht zeigt weitere mögliche Disaccharide, die aus der Verknüpfung einer a-D-Glucose-Einheit mit D- Fructose resultieren können. Beachten Sie die unterschiedlichen Verknüpfungsmuster mit den verschiedenen Hydroxylgruppen der Fructose, sowie die unterschiedlichen pyranoiden und furanoiden Ringe die sich in der Fructose- Einheit ausbilden können:* OH 6' 6 OH OH 6' HO O HO O O * Metabolism of Sucrose and Linkage-isomeric a-D-Glucosyl-D-fructoses by Klebsiella pneumoniae. S. Immel et al. J. Biol. Chem. 2001, 276, 37415-37425. Seite 15-41 Disaccharide – Maltose und Cellobiose Maltose Maltose (= Malzzucker) entsteht durch enzymatische Spaltung von Stärke durch a-Amylase bzw. Diastase bei der Bierherstellung. Maltose besteht aus zwei a(1?4)glycosidisch verknüpften Glucoseeinheiten und kann als a- oder ß-Maltose auftreten, die sich durch die anomere Konfiguration am „reduzierenden“ Ende unterscheiden. Cellobiose Cellobiose besteht wie Maltose aus zwei Molekülen Glucose, die aber ß(1?4)-glycosidisch verknüpft sind. Sie entsteht beim Abbau von Cellulose; die Spaltung zu Glucose wird durch das Enzym Emulsin (ß-Glucosidase) bewirkt. Cellobiose ist wie Maltose ein „reduzierendes“ Disaccharid (? a-oder ß-Cellobiose). a- und ß-Maltose (= a-D-Glcp-(1?4)-a/ß-D-Glcp) a- und ß-Cellobiose (= ß-D-Glcp-(1?4)-a/ß-D-Glcp) a-D-Glucose-Einheit OH Der Winkel ist OH O zu "spitz"! HO "Maltose- O HO HO Knick" OH HO 1 OH O OH a 4 O HO O OH HO 1 a/ß OH OH O HO a(1?4) "Andeutung" D-Glucose-Einheit einer Helix HO OH ß(1?4) OH O HO 4 1 O HO O OH ß 1 HO a/ß OH OH ß-D-Glucose-Einheit OH Bindungen sind nicht "linear"! O HO HO "Andeutung" einer OH gestreckten, verdrehten Struktur HO O HO O OH 180° Drehung der zweiten Glucose-Einheit Kugel-Stab-Modell der a-Maltose Sudkessel einer Bierbrauerei Kugel-Stab-Modell der ß-Cellobiose Cellobiose aus Gras-Cellulose Anmerkung: die Formelzeichnungen sollen hier für die Maltose und Cellobiose den Übergang von der chemischen Formel hin zu einer „realistischeren“ 3D-Struktur andeuten. Seite 15-42 Disaccharide – Lactose und Trehalose Lactose Das Disaccharid Lactose (= Milchzucker; lat.: lactis, „Milch“) besteht aus einer D-Galactose-Einheit, die ß(1?4)-glycosidisch mit D-Glucose verknüpft ist. Aufgrund eines Mangels des Spaltenzyms Lactase kommt es vor allem in Asien verbreitet zu einer Milchzuckerunverträglichkeit oder Laktoseintoleranz (Symptome: Blähungen, Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen, etc.), die nicht heilbar ist, aber deren Auswirkungen durch eine Umstellung der Ernährung auf ein Minimum reduziert werden können. ß-D-Galactose-Einheit HO a- und ß-Lactose (= ß-D-Galp-(1?4)-a/ß-D-Glcp) HO ß(1?4) ß O HO D-Glucose-Einheit 1 a/ß OH OH Trehalose a,a-Trehalose (= a-D-Glcp-(1?1)-a-D-Glcp) HO HO a-D-Glucose-Einheit Trehalose kommt außer in der Körperflüssigkeit vieler Insekten auch in Pilzen, Schimmelpilzen, sowie in Hefen, Algen, Bakterien und Moosen vor. Verschiedene Spezies können Wasser im Körperinneren durch Trehalose ersetzen, um in ausgetrocknetem Zustand lange Kälteperioden zu überstehen (Frostschutzmittel).* Wie Saccharose ist Trehalose durch die a,a(1?1)- bisglycosidische Verknüpfung zweier anomerer Zentren gekennzeichnet; hier aber zwei Glucose-Bausteine. Extrem Frost-resistente Amphibien und Pflanzen: 1 a HO a1 O OH O a,a(1?1) a-D-Glucose-Einheit Lactose-freie Milch Lactose-freie Milchprodukte Grauer Waldfrosch (Rana sylvatica) Weißer Hartriegel (Cornus sericea) * Biologische Frostschutzmittel bei Fischen, Fröschen, Fliegen und Fichten: M. Michael, G. Folkers, Pharmazie in Unserer Zeit 1993, 22, 25-32. Seite 15-43 Polysaccharide – Cellulose Cellulose Cellulose 180° Drehung jeder zweiten Glucose-Einheit Als Hauptbestandteil (Gerüstsubstanz) von pflanzlichen Zellwänden (Massenanteil ca. 50%; Baumwolle bis fast 100%) ist Cellulose das häufigste Polysaccharid überhaupt. Cellulose ist aus mehreren 100 bis 10.000 D-Glucose-Einheiten aufgebaut, die unverzweigt ß(1?4)-glycosidisch verknüpft sind und fast lineare, parallel ausgerichtete und Brettartige Strukturen ausbilden, die über Wasserstoff-Brückenbindungen zusammengehalten werden. Cellulose wird in der Plasmamembran gebildet und vernetzt sich untereinander zu fibrillären Strukturen. Die räumliche Anordnung der Cellulosefibrillen wird durch die Mikrotubuli gesteuert. Der Mensch (Monogastrier) besitzt keine Verdauungsenzyme für den Abbau von Cellulose (? Ballaststoffe zusammen mit den kurzkettigen Hemi-Cellulosen, Pektinen und Ligninen). Wiederkäuer und Grasfresser hingegen können Cellulose verdauen (? bakterieller Aufschluss im Pansen oder Dickdarm), genauso wie bestimmte Pilze oder Insekten (Termiten). ß-D-Glucose-Einheit 180° Drehung ß(1?4)-Verknüpfungen Modell eines Cellulose-Strangs* Baumwolle Einzelne Holzfaser aus Cellulose Cellulose-fressende Termiten * Detailliertere Darstellungen und Graphiken finden sich auf meiner Web-Seite unter: http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/graphics/gallery/polysaccharides.html Seite 15-44 Polysaccharide – Amylose Amylose (Stärke) Amylose a(1?4)-Verknüpfung "Maltose- Knick" a-D-Glucose-Einheit "Aufwicklung" zur Helix (Spiralisierung) HO O HO O Stärke wird von Pflanzen enzymatisch gesteuert aus D-Glucose aufgebaut. Es ist ein in der Natur sehr häufig vorkommendes Polysaccharid und wird als Reservekohlenhydrat in verschiedenen Teilen der Pflanze eingelagert (Hauptquellen sind Reis, Kartoffeln, Mais und Weizen). Bei der Biosynthese entstehen sowohl die Amylose (ca. 20- 30%) als auch das Amylopektin (ca. 70-80%; siehe nächste Seite), die zusammen das Stärkekorn bilden. Amylose ist ein linear aufgebautes Molekül aus einigen 100 bis einigen 1.000 a(1?4)-verknüpften D-Glucose-Einheiten mit einer mittleren Molekülmasse von 10 OH O 5-106 g/mol. Die Stärke liegt in der Pflanze in Form von Körnern vor (je nach Herkunft liegt die Größe der Körner zwischen 1-100 µm. Stärke in der nativen Form (links-gängige doppel-helikale A- und B- Form) ist wasserunlöslich und geht erst beim Erhitzen über die „Verkleisterungstemperatur“ irreversibel in eine lösliche Form (einfach-helikale Vh-Form) über. linksgängig helikale Form (V h-Form) Helikale Formen der Amylose* Kartoffelstärke-Körner Stärke aus Kartoffeln (Kartoffelstärke) Stärke aus Mais (Maisstärke) * Detailliertere Darstellungen und Graphiken finden sich auf meiner Web-Seite unter: http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/graphics/gallery/polysaccharides.html Seite 15-45 Polysaccharide – Amylopektin und Glycogen Amylopektin (Stärke) und Glycogen Im Gegensatz zur Amylose ist Amylopektin ein verzweigtes Molekül, das neben a(1?4)- auch a(1?6)- verknüpfte D-Glucose Bausteine enthält. Die a(1?6)-Verzweigungen an etwa jeder 20.-25. Glucose-Einheit der a(1?4)-verknüpften Hauptkette führen zu einer baumartig verzweigten Struktur des Amylopektins.* Außerdem weist Amylopektin eine deutlich höhere Molekülmasse von 10 7 -10 8 g/mol auf, und die Wasserlöslichkeit von Amylopektin ist geringer als die der Amylose (? Kleisterbildung der Stärke). unterschiedliche Verzweigungsgrade und Anteile helikaler Strukturen a(1?4)-Verknüpfungen Amylopektin a(1?4)-Verknüpfungen 1 OH a a-D-Glucose-Einheit a(1?6)- Verzweigung 3D-Modell der Formel oben rechts. Angeschnittenes Stärkekorn (EM) Stärke aus Reis (Reisstärke) Stärke aus Weizen (Weizenstärke) * Das tierische Reservekohlenhydrat Glycogen (Leber und Skelettmuskulatur) besitzt die gleiche Struktur wie Amylopektin, ist aber stärker verzweigt (1:10) und besitzt noch höhere Molmassen. Seite 15-46 Polysaccharide – Iod-Stärke Komplex Iod-Stärke Komplex Amylose und Amylopektin lassen sich unter anderem durch ihre Farbreaktion mit einer stark verdünnten Iod-Lösung unterscheiden: das Innere der Amylose Helix ist hydrophob und es können sich in die röhrenartigen Strukturen Moleküle passender Größe einlagern. Einschlussverbindungen dieser Art bildet z.B. Iod, wobei die Farbe der Iod- Einschlussverbindung durch Wechselwirkung der Elektronenhülle des Iods mit den Hydroxylgruppen der Amylose zustande kommt. Der Amylose-Iod-Einschluss-Komplex findet in der Iodometrie als Indikator Anwendung (? Bestimmung des Sauerstoff-Gehalts in Wasser nach Winkler), und ist sehr kräftig blau-schwarz gefärbt (? max ˜ 660 nm). Die weniger helikal ausgeprägten Strukturen von Amylopektin erlauben keine Ausbildung eines analogen Komplexes – Amylopektin lagert Iod nur unter Rotfärbung ein. Amylose HO O I I I I I I Modell des Iod-Amylose-Komplexes Verdünnte Iod-Lösung (Iodometrie) … mit Stärke-Indikator … und nach der Rück-Titration. Seite 15-47 Cyclooligosaccharide – Cyclodextrine Cyclodextrine (Cycloamylosen) Cyclodextrine (CDs) sind cyclische, nicht reduzierende und kristalline Oligosaccharide, die aus Amylose (Stärke) durch eine Amylase aus Bacillus macerans und Bacillus circulans hergestellt werden (Schardinger-Dextrine, früher auch of als Cycloamylosen bezeichnet).* Sie entstehen durch das „Herausschneiden“ der helikalen Windungen der Amylose hauptsächlich in den Formen a-, ß- und ?-Cyclodextrin und bestehen aus 6, 7 bzw. 8 Glucopyranose-Einheiten, daneben werden aber auch sehr geringe Mengen größerer Ringe (n = 9 bis einige 100) generiert. Die „kleinen“ CDs (a bis ?) besitzen die Gestalt eines konischen, toroidalen Kegelstumpfs („Blumentopf“ ohne Boden). Diese einzigartige Form ermöglicht den Einschluss anderer Substanzen und die Bildung relativ stabiler Wirts-Gast-Komplexe.** Amylose Cyclodextrine (CDs) HO O HO O Enzymatisches "Schneiden" der Helix-Windungen 1891 Entdeckung (Villiers) 1903 Beschreibung der Eigenschaften (Shardinger) 1957 Einschlusskomplexe (Cramer, French) a-Cyclodextrin ß-Cyclodextrin ?-Cyclodextrin HO OH O (n = 6) (n = 7) (n = 8) n - 5 Einschluss-Komplex von a-CD mit p-Iodanilin. Torus-Darstellung: (OH) 2n (CH 2OH) n * An der Strukturaufklärung war u.a. auch K. Freudenberg in Heidelberg beteiligt. ** Die Bildung der Einschluss-Komplexe erfolgt überwiegend durch hydrophobe Wechselwirkungen. Seite 15-48 Cyclooligosaccharide – Cyclodextrine – Anwendungen Bildung von Einschluss-Komplexen HO OH O HO HO Verpackung von Nano-Verkapselung Geruchsstoffen Verpackung von Schadstoffen (Umwelt Technologie, Filtration) Lang-Zeit Freigabe von Pharmazeutica Verpackung flüchtiger Verbindungen Trennung (Chromatographie, Filtration, Fällung) Katalyse Stabilisierung empfindlicher Verbindungen Stabilisierung von Pharmazeutica (Luft, Licht, Sauerstoff) Erhöhung der Wasserlöslichkeit und Bioverfügbarkeit von Pharmazeutica Nano-Verpackung CDs mit 6 bis 9 Glucose-Einheiten CDs mit 10 und 14 Glucose-Einheiten „Komplexierung“ von Geruchsstoffen Pharmaz. Formulierungen mit CDs* HO OH O * Neben Anwendungen in der Nahrungs- und Pharmazeutischen Industrie werden modifizierte CDs als chirale Phasen in der Flüssig- und Gaschromatographie eingesetzt. Seite 15-49 Polysaccharide – Chitin und Inulin Chitin Chitin ist das einzige Homopolysaccharid, das aus einem Aminozucker (N-Acetyl-D-glucosamin) aufgebaut ist. Es dient im Tier- und Pflanzenreich als Gerüstsubstanz, in Pilzen und Grünalgen ist es Bestandteil der Zellmembran, bei Arthropoden (Krebse, Insekten, Tausendfüßer, Spinnentiere) und Crustaceen Hauptbestandteil des Exoskeletts, und im Zusammenspiel von Chitin mit dem Strukturprotein Sklerotin wird die Cuticula hart und stabil. Die Molekülstruktur ähnelt der von Cellulose. Chitin HO O N-Acetyl- Rest ß 1 O N-Acetyl-D-glucosamin-Einheit Inulin Inulin stellt ein kurzkettiges Polysaccharid aus ß(2?1)verknüpften D-Fructofuranose Einheiten (ca. 100) dar, das zu den Fructanen zählt. Die Molekülstruktur entspricht einer lang gestreckten Helix.* Inulin wird in vielen Pflanzen als Reservestoff eingelagert, wie z.B. in Zichorien, Dahlie, Artischocke, Löwenzahn, und Agaven. Inulin kann in der Therapie von Diabetes mellitus als Stärke-Ersatz dienen, da es nicht auf den Blutzucker- Spiegel einwirkt und im Dünndarm nicht resorbiert wird. Chitinpanzer von Krabben Exoskellet des Marienkäfers Artischocke Agaven N-Acetyl- Rest Inulin * Detailliertere Darstellungen und Graphiken finden sich auf meiner Web-Seite unter: http://sugar.oc.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/graphics/gallery/polysaccharides.html ß O HO 2 O HO ß 2 O HO ß O O O ß-D-Fructofuranose-Einheit Seite 15-50 Polysaccharide – Pektine und Heparine Pektine Pektine sind pflanzliche, nicht einheitliche Heteropolysaccharide (Polyuronide ohne einheitliche chemische Struktur), die im wesentlichen aus a(1?4)-glycosidisch verknüpften D-Galacturonsäure (teilweise in veresterter Form mit variablen Anteilen) und a(1?2)-L-Rhamnose Einheiten bestehen. Pektine finden vor allem als Gelierungsmittel (+ Saccharose ? Gelierzucker zur Herstellung von Gelees, Konfitüren, Marmeladen), und sind ohne Beschränkung für Lebensmittel zugelassen. OOC O HO 1 a 4 O OH OOC O Heparine Pektine Heparine Heaprine sind Heteropolysaccharide die aus einer variablen Anzahl sehr unterschiedlicher Glucosamin-, Glucuronsäure- und Iduronsäure-Einheiten bestehen (in variablen sulfatierten Formen als Sulfonsäure-Ester und -Amide). Therapeutisch werden sie als Antikoagulantien (Blutgerinnungshemmer) eingesetzt. Blutegel benutzen ebenfalls Heparine (neben dem Polypeptid Hirudin), um die Blutgerinnung bei der „Nahrungsaufnahme“ (Blutsauger) zu unterbinden. Gelierzucker Gelees und Konfitüren Heparin Blutegel a-D-Galacturonsäure-Einheit a-L-Rhamnose-Einheit a-D-Galacturonsäure Anmerkungen: die hier gezeigte Auswahl gibt nur einen sehr begrenzten Überblick über verschiedene Typen von Polysacchariden; die ganze Vielfalt ist schier unübersichtlich. SO 3 Sulfonamid Sulfonsäureester SO 3 NH O Ac Seite 15-51 Glycopeptide und Glycolipide Glycosylierte Strukturen Kohlenhydrate sind für sehr viele unterschiedliche Zell-Zell- Erkennungsprozesse und biologische Funktionen verantwortlich, die mit oft sehr hoher Spezifität über glycosylierte Peptide oder Lipide vermittelt werden. Ein besonderes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Blutgruppen-Spezifität, in der die Gegenwart (oder das Fehlen) einer einzigen N-Acetyl-Gruppe in einer ansonsten identischen Tetrasaccharidstruktur über die Zugehörigkeit zur A- oder B-Blutgruppe entscheidet: Blutgruppe A-Spezifität: a-D-Galactopyranose NH a Ac O HO HO a-D-GalpNAc-(1?3)-ß-D-Galp-(1?3)-ß-D-GlcpNAc- 2 ? 1 a-L-Fucp ß-D-Galactopyranose a-L-Fucopyranose HO ß O NH Ac N-Acetyl-ß-D-glucopyranose Erythrocyten Membran Blutgruppe B-Spezifität: a-D-Galactopyranose HO O HO HO HO ß O a-D-Galp-(1?3)-ß-D-Galp-(1?3)-ß-D-GlcpNAc- 2 ? 1 a-L-Fucp ß-D-Galactopyranose a-L-Fucopyranose NH Ac N-Acetyl-ß-D-glucopyranose Erythrocyten Membran Seite 15-52 O-, S-, N- und C-Glycoside Glycoside Bei den bisher hier behandelten Strukturen von Sacchariden handelt es sich um sich um Glycoside, oder genauer um so genannte O-Glycoside, bei denen die glycosidische-Bindung (Halbacetal-Bindung) des Aglycons an das Glycon (Saccharid-Einheit) über eine C-O-Bindung realisiert ist. Analog treten in der Natur auch N- und S-Glycoside auf, wobei jetzt die Verknüpfung des Aglycons mit der Kohlenhydrat-Einheit über eine C-N bzw. C-S-Bindung realisiert ist (N- bzw. S-Analoga der Halbacetale). Mechanistisch entstehen diese Glycoside ebenfalls aus den Halbacetal-Formen der Saccharide unter Säurekatalyse über die entsprechenden Oxoniumionen, und den Angriff von N- bzw. S- Nucleophilen auf das dann positiv polarisierte anomere C-Atom. In diesem Zusammenhang ganz analog erscheinen die C-Glycoside, wobei deren Struktur dann nicht mehr einem Acetal, sondern einem cyclischen Ether entspricht:* OH OH HO HO D-Glucopyranose HO HO a/ß OH O-Glycoside (Saccharide etc.) - H 2O Protonierung der anomeren OH-Gruppe und Abspaltung als H 2O O-Nucleophile HO-R C-O-glycosidische Bindung O-Aglycon HO HO HO HO HO H Oxoniumion S-Nucleophile HS-R S a/ß S-Glycoside (Thioglycoside) C-S-glycosidische Bindung S-Aglycon HO HO Nu R N-Nucleophile H 2N-R N-Glycoside (Azaglycoside) C-N-glycosidische Bindung N-Aglycon HO HO C-Glycoside kein Acetal mehr, vielmehr ein cyclischer Ether * Beachten Sie, dass im speziellen Fall der Glucose diese „Glycoside“ auch als „Glucoside“ bezeichnet werden, dass „Glycoside“ aber die allgemeinere Bezeichnung auch für andere Zucker ist. Seite 15-53 N-Glycoside Stickstoff-Analoga der Saccharide: N-Glycoside Zu den natürlichen N-Glycosiden gehören vor allem die Nucleoside als Bausteine der Nucleinsäuren (DNA und RNA), in denen Purin- und Pyrimidinbasen (Nulceobasen) mit D-Ribose (Ribonucleinsäuren, RNA) oder alternativ mit 2-Desoxy-D-ribose (Desoxyribonucleinsäuren, DNA) ß-N-glycosidisch verknüpft sind (? Nucleoside und Nucleotide):* X = -OH X = -H Purin D-Ribofuranose 2-Desoxy-D-ribofuranose Bildung von ß-konfigurierten N-Glycosiden Bausteine der Ribonucleinsäuren (RNA) Bausteine der Desoxyribonucleinsäuren (DNA) Y = -H Y = -PO 3 2 Purin-Basen N Pyrimidin-Basen Guanin NH 2 Adenin NH 2 Pyrimidin Adenosin Adenosinmonophosphat (AMP) N-Glycosidische Bindung * Natürlich stellt auch das bereits diskutierte Adenosintriphosphat (ATP) ein N-Glycosid dar, wenngleich es aber in der Zelle andere Aufgaben erfüllt. Uracil (? nur RNA) Y = -H Y = -PO 3 2 Thymin (? nur DNA) NH 2 Nucleoside Nulceotide NH 2 Cytosin Seite 15-54 Struktur und Basen-Paarung der DNA Desoxyribonucleinsäuren Die biologische Funktion der DNA soll hier nicht diskutiert werden – aus chemischer Sicht stellt die DNA ein doppel-helikales (Basen-gepaartes*) Polymer aus Phosphorsäurediestern von N- Glycosiden der 2-Desoxyribose dar: Molekülmodell eines DNA-Ausschnitts Watson-Crick-Basen-Paarung Thymin (T) Cytosin (C) 5'-Ende * F. H. C. Crick, J. D. Watson, M. H. F. Wilkins, Nobel Prize in Physiology or Medicine 1962, "for their discoveries concerning the molecular structure of nucleic acids …“. Adenin (A) Guanin (G) ß Thymin (T) NH 2 Struktur der DNA 3'-Ende NH 2 NH 2