Seite 19-1 Teile dieses Kapitels wurden in Auszügen aus dem Skript „Chemie der Naturstoffe“ von Dr. Vostrowsky, Univ. Erlangen, übernommen: http://www.chemie.uni-erlangen.de/hirsch/pages/teaching/naturstoffchemie_otto/naturstoffe.html Organische Chemie - Ergänzungen 19 – Alkaloide Priv.-Doz. Dr. Stefan Immel Universität Leipzig, Wintersemester 2007/2008. Seite 19-2 Alkaloide Einteilung und Strukturen der Alkaloide Die Alkaloide (Meissner, 1819) stellen eine Naturstoffklasse sehr breiter struktureller Diversität dar, denen jedoch gemeinsam ist, dass es sich um Stickstoff-haltige Verbindungen handelt, deren meist basische Eigenschaften dieser Stoffklasse den Namen gegeben haben (arab.: al qualja, „(alkalische) Pflanzenasche“ und griech. -oides, „ähnlich“).* Alkaloide kommen vorwiegend in höheren Pflanzen vor, werden aber auch sporadisch in Tieren (wobei die de novo Synthese oft unklar ist) und eher selten in Pilzen, Bakterien, Algen und Moosen gefunden. Biosynthetisch sind die Alkaloide als Sekundär-Metaboliten (sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe) zu sehen, die sich von den Aminosäuren ableiten und häufig als Stoffwechselendprodukte oder „Abfallprodukte“ betrachtet werden können, ihre Hauptbedeutung dürfte in der der Kunst der „chemischen Kriegsführung“ der Pflanzen zur Abwehr von Fraßfeinden (oft extrem bitterer Geschmack der Alkaloide) liegen. Die Alkaloide liegen in der Pflanze als wasserlösliche Salze organischer Säuren vor (? Acetat, Lactat, Oxalat, Tartrat, Citrat, etc.), die Neutral-Formen sind häufig hydrophob, in Wasser wenig löslich und daher leicht mit unpolaren Lösungsmitteln extrahierbar. Aus diesem Grund sind viele Alkaloide in Reinsubstanz (oder zumindest in ihrer physiologischen Wirkung, siehe unten) schon sehr lange bekannt, und häufig dominieren von der Herkunftspflanze abgeleitete Trivialnamen. Chinin Nicotin * Nichtbasisch sind Alkaloide mit Säureamidstruktur, die quaternären Ammoniumverbindungen, Lactame und die N-Oxid-Derivate. OCH 3 OCH 3 Seite H 2N 19-3 Alkaloide* Saxitoxin (Dinoflagellaten) NH 2 Pyocyanin (Pseudomonas aeruginosa) Lactonform Orthoesterform HO H N HO OH Lycopodin (Lycopodium complanatum L.) Epibatidin (Epipedobates tricolor) A: R = H B: R = OH C: Pumiliotoxine A-C (Dendrobates auratus) Japanischer Kugelfisch (Fugu) Dendrobates auratus Epipedobates tricolor Phyllobates vittatus Batrachotoxin (Phyllobates vittatus, P. lugubris) * Beispiele für seltene Alkaloide aus Organismen, bei denen Alkaloide wenig verbreitet vorkommen. Seite 19-4 Alkaloide Die vorherige Seite zeigt Beispiele für seltene Alkaloide aus Organismusgruppen, bei denen Alkaloide wenig verbreitet vorkommen. Saxitoxin gelangt aus dem Meeresplankton in Muscheln, die für den Menschen dadurch giftig werden (tödliche Dosis etwa 1 mg). Pyocyanin ist das blaue Pigment des sogenannten blauen Eiters, der durch eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa hervorgerufen wird. Lycopodin, eine bitter schmeckende Substanz, ist ein Beispiel für ein seltenes Bärlappalkaloid. Die Pumiliotoxine, Batrachotoxin und Epibatidin sind Bestandteil der Hautgifte von Fröschen der Gattung „Dendrobatidae“ (dendro = „Baum“ und bates = „Geher, Steiger“, Baumsteigerfröscher = mittelamerikanische Pfeilgiftfrösche), werden aber von den Fröschen anscheinend nicht selbstständig biosynthetisiert, sondern über die Nahrung (Insekten) aufgenommen, gespeichert und bei Bedarf durch die Haut „ausgeschwitzt“ (nach ca. sechsmonatiger Haltung in Terrarien fängt die Giftigkeit der Frösche an nachzulassen und nach ca. einem Jahr ist das Gift kaum noch nachweisbar). Tetrodotoxin ist ein extrem giftiges Guanidinderivat, das in Ovarien und Leber des japanischen Speisefisches Fugu (Kugelfische Spheroides rubripes, Familie der Tetraodontidae = „Vierzähner“) enthalten ist, wird aber ebenfalls nicht eigenständig synthetisiert sondern durch symbiotisch lebende Bakterien produziert. Es blockiert den Transport von Natriumionen durch die Nervenzellmembran und verhindert dadurch die Fortleitung des Nervenaktionspotentials, die LD 50 (Maus) liegt etwa 0,01 mg/kg Körpergewicht (i.p.).* Strukturmodelle (Kristallstrukturen der Verbindungen): Tetrodotoxin Saxitoxin Lycopodin * Angepasst aus: R. Hänsel, O. Sticher (Hrsg.) (Hrsg.), Pharmakognosie – Phytopharmazie, 8. Aufl., Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2007, S. 1320. Seite N H Pyrrol (gesättig: Pyrrolidin) 19-5 Alkaloide – Klassifizierung Imidazol Pyridin (gesättig: Piperidin) Tropan Indol Chinolin Isochinolin Chinazolin Die Bezeichnung der Alkaloide als Sekundär-Metaboliten geht auf eine Einteilung der Naturstoffe nach A. Kossel zurück, wonach zwischen „primären“ und „sekundären“ Naturstoffen unterschieden wird: Während primäre Naturstoffe zum Grundstoffwechsel gehören und ubiquitär (engl.: ubiquitous, „überall“) vorkommen (Kohlenhydrate, Lipide, Aminosäuren, Carbonsäuren, etc.), variieren sekundäre Naturstoffe (Terpene, Alkaloide, Ketide, etc.) stark zwischen Pflanzengattungen, -familien, -arten und sogar –teilen; eine scharfe Trennung ist nicht immer möglich.* In ca. 10 bis 15 % aller Gefäßpflanzen lassen sich Alkaloide finden, die je nach Familie, Gattung oder Art in unterschiedlichen Pflanzenteilen (Blätter, Samen, Blüten, Rinde) angereichert auftreten, besonders häufig kommen Alkaloide in Mohnarten, Schmetterlingsblütlern, Hahnenfußgewächsen und Nachtschattengewächsen vor. Aufgrund der leichten Extrahierbarkeit und Isolation der Alkaloide aus den entsprechenden Pflanzen sind bis heute > 12.000 isolierte Naturstoffe bekannt, die einen sehr breiten Bereich chemischer Strukturen abdecken und nach den Terpenen die zweitgrößte Klasse pflanzlicher Sekundärstoffe darstellen. Viele Alkaloide zeigen eine ausgesprochen starke physiologische, pharmakologische oder toxische Wirkung auf den tierischen und menschlichen Organismus, so z.B. Nicotin (Tabak), Coffein (Kaffee), Morphin, Cocain und Mescalin (Halluzinogene), Chinin (Malariamittel), Strychnin (Gift), Colchicin (Mitosehemmer), Atropin (pupillenerweiterndes Gift in der Antike), und viele andere. Die Unterteilung der Alkaloide kann nach der Häufigkeit des Vorkommens in Pflanzenfamilien oder -gattungen (botanische Herkunft) erfolgen, wobei außer dem Hauptalkaloid einer Art oft noch Nebenalkaloide mit ähnlichen Strukturen und Grundgerüst auftreten. Seltener finden sich die Alkaloide bei Tieren (siehe z.B. das Steroid-Alkaloid Batrachotoxin, Kapitel 18) oder Pilzen (z.B. Ergotamin und Lysergsäure). Die Unterteilung kann aber auch über die Art der chemischen Struktur und der N-haltigen (meist heterocyclischen) Grundgerüste vorgenommen werden (Stammheterocyclus, z.B. Indol-, Chinolin-, Isochinolin-, oder Tropan-Alkaloide etc.): Alkaloid-typische N-Heterocyclen: * In manchen Quellen (WWW) wird die Unterteilung fälschlicherweise nach der Art der Bedeutung für die menschliche Ernährung (Energielieferant bzw. „Hilfsstoffe) getroffen. Purin Seite 19-6 Alkaloide – Klassifizierung Einteilung der Alkaloid-Familien nach ihrer Biogenese: Tropan-A. Glutamat Aspartat Shikimat Ornithin Aspartat Lysin Tyrosin Tryptophan Pyridin-A. Chinolizidin-A. Piperidin-A. Isochinolin-A. Chinolin-A. Indol-A. HO OH Serin Glycin Purin-A. Da solche Klassifizierungen in der strukturell heterogenen Klasse der Alkaloide nicht ohne Überschneidungen vollzogen werden können, wird häufig auch die Biogenese als Unterteilungskriterium herangezogen, zumal es nur einer geringe Anzahl biosynthetischer Aminosäure-Vorstufen zu geben scheint, die zum Aufbau der unterschiedlichsten Strukturen genutzt werden. Oft ist die letztere Methode deckungsgleich mit der Unterteilung nach den Stammheterocyclen, da bestimmte Strukturelemente offenbar nur aus bestimmten Aminosäuren aufgebaut werden können, aber auch hier sind Ausnahmen und parallel verlaufende Biosynthesewege von unterschiedlichen Edukten zu finden. Seite 19-7 Alkaloide – Klassifizierung Die Klassifizierung der Alkaloide nach ihren biogenetischen Vorstufen beruht auf der Beobachtung, dass zwar die meisten Piperidin-Alkaloide sich von der Aminosäure Lysin ableiten, es aber immer auch Ausnahmen gibt: Das relativ einfache Alkaloid Coniin wird z.B. aus Acetat-Einheiten (C2-Bausteine, „Polyketid“-Weg) und nicht aus Lysin aufgebaut: Einteilung der Alkaloid-Familien nach ihrer Biogenese: Acetat (C 2-Baustein) Monoterpen-Alkaloid: Steroid-Alkaloid: Actinidin Solanidin NH 3 ?-Conicein Biosynthese aus Terpen- und Aminosäure-Bausteinen: Geraniol (Monoterpen) Tryptophan (Aminosäure) NH 3 Chinin (Alkaloid) Coniin (Die Markierungen und Ziffern bezeichnen nachgewiesene Transformationen während der Biosynthese) Seite 19-8 Alkaloide – Klassifizierung Verbindungen wie das Coniin, deren Kohlenstoff-Grundgerüst nicht aus Aminosäuren entstammt werden häufig auch als sogenannte Pseudoalkaloide bezeichnet. Neben den Aminosäuren werden auch Isoprenoide (Terpenoide) Verbindungen (Mono-, Di-, etc. -Terpene, Steroide) und Polyketide als Bausteine für Alkaloide gefunden: Obwohl in vielen Fällen noch viele Schritte der zugrunde liegenden Biosyntheseweg im Dunklen liegen, so können durch Isotopenmarkierungen eindeutige Querbeziehungen zwischen den Stoffklassen gezogen werden (siehe das Beispiel oben für Chinin, wobei die strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen Edukten und Produkt nicht augenfällig sind). Die „echten“ Alkaloide mit heterocyclischen Ringsystemen trennt man weiterhin oft von den biogenen Aminen ab, bei denen es sich um Decarboxylierungsprodukte* und Substitutionsprodukte der eigentlichen Aminosäuren handelt. Zusammen mit verschiedenen Aminosäure-Derivaten bei denen keine cyclische Stickstofffunktion vorliegt werden letztere auch als Protoalkaloide bezeichnet. Bei den sogenannten Pseudoalkaloide handelt es sich um Heterocyclen, + bei denen der Stickstoff in Form von Ammonium NH4 eingebaut ist (keine Aminosäure-Vorstufe, z.B. Steroidalkaloide und methylierte Xanthine vom Typ des Coffeins). Bildung biogener Amine aus Aminosäuren: Phenylalanin (Aminosäure) CO 2 Phenylethylamin NH 2 Tryptophan (Aminosäure) NH 3 CO 2 Tryptamin NH 2 Serotonin Die Abgrenzung zu anderen N-haltigen Naturstoffen ist schwierig: Biogene Amine, Pyrazine, Pterine, Vitamine und deren Derivate sowie Aminozucker und Antibiotika werden im Allgemeinen nicht zu den Alkaloiden gezählt. Andererseits werden Derivate einfacher aliphatischer Di-, Tri- und Tetraaminverbindungen (z. B. Putrescin, Spermidin und Spermin) meist zu den Alkaloiden gerechnet. Welche stickstoffhaltigen Naturstoffe in die Substanzklasse der Alkaloide fallen, unterliegt einer gewissen Willkür, wobei je nach Autor und Forschungsstand die Grenzlinie anders gezogen wird. * Die Pyridoxalphosphat (Vitamin B 6 ) katalysierte Decarboxylierung von a-Aminosäuren wird in Kapitel 20 – Vitamine und Coenzyme – mechanistisch ausführlich beschrieben. NH 2 Seite 19-9 Alkaloide – Klassifizierung Biogenetische Herkunft der Alkaloide – Beispiele Pyrrolidinalkaloide CH 3 Pyrrolizidinalkaloide Tropanalkaloide CH 3 Ornithin Lysin Piperidinalkaloide N Chinolizidinalkaloide Indolalkaloide Tryptophan NH 3 Isochinolinalkaloide Tyrosin Nicotinsäure Anthranilsäure COOH Biosynthese aus Aspartat oder durch Abbbau von Tryptophan NH 3 Zwischenprodukt der Biosynthese von Tryptophan Trotz der strukturellen Vielfalt der Alkaloide – die der Vielfalt der Terpene und Steroide (siehe Kapitel 17 und 18) in nichts nachsteht – handelt es sich auch hier um eine relativ kleine Anzahl unterschiedlicher (und überschaubarer) Reaktionstypen, die von der Natur zum Aufbau auch komplexer Grundgerüste genutzt werden (siehe unten). * Alkaloide mit heterozyklischem C-Skelett und ihre biogenetische Herkunft aus Aminosäuren: Aminkomponente: dick ausgezogen. Variable Nichtaminkomponente: schwache Linien. Seite 19-10 Alkaloide – Biologische Bedeutung Die Alkaloide hielt man aus wissenschaftlich-physiologischer Sicht lange Zeit für Exkrete (Abfallprodukte), die keine lebenswichtige physiologische Funktion zu erfüllen haben; sie galten mehr oder weniger als Zufallsprodukte der Evolution. Für diese Ansicht scheint zu sprechen, dass es gelingt, alkaloidfreie oder sehr alkaloidarme Sorten von alkaloidführenden Arten zu züchten, die durchaus lebensfähig sind. Die Lebensfähigkeit in der Kultur heute beweist aber nicht, dass sie auch im Konkurrenzkampf in freier Natur längerfristig überleben könnten. Tierische Exkrete werden nach außen abgegeben, Pflanzen verfügen über keine vergleichbare Einrichtung, sie muss Exkrete speichern. Entwicklungsund tageszeitliche Schwankungen im Alkaloidgehalt sprechen aber gegen die Theorie der reinen „Abfallstoffe“. Die meisten Alkaloide sind für den Menschen und für das Weidevieh giftig. Man sah, dass das Vieh auf den Wiesen Giftpflanzen wie Aconitum napellus, Colchicum autumnale, Taxus baccata oder Veratrum-Arten meidet: Daher wurde schon früh die Ansicht geäußert, es handle sich bei den Alkaloiden um Schutzstoffe für die Pflanze. Die Hypothese, dass Alkaloide zusammen mit anderen Einrichtungen der Pflanze Schutzfunktionen haben, ist heute Arbeitshypothese für die Forschung auf dem Gebiet der „Ökologischen Biochemie“. Es gibt heute eine Fülle an experimentellen Daten, die klar belegen, dass die Hauptfunktion der Alkaloide im Zusammenhang mit der chemischen Abwehr von Pflanzenfressern (Herbivoren), aber auch von Mikroorganismen und anderen Pflanzen zu sehen ist. Die Synthese und Speicherung von Alkaloiden gehört zu dem Arsenal unterschiedlichster Abwehrstrategien, die den Alkaloide führenden Pflanzenarten im Verlauf der Evolution ihr Überleben zu gewährleisten halfen. Neben dem unangenehmen, teilweise extrem bitteren Geschmack ist es vor allem die hohe Toxizität,* die die Alkaloid-führenden Pflanzen allenfalls für giftadaptierte Spezialisten genießbar macht (für weitere Details siehe z.B. R. Hänsel, O. Sticher (Hrsg.) (Hrsg.), Pharmakognosie – Phytopharmazie, 8. Aufl., Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2007, S. 1320, Kapitel 27). Blauer Eisenhut (Aconitum napellus) Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) Gewöhnliche Eibe (Taxus baccata) Weißer Germer (Veratrum album) * Die Huhn-Ei-Frage: Was hat sich in der Evolution zuerst herausgebildet? Die giftigen Alkaloide oder unserer Geschmackssinn als Warnung vor bitteren und giftigen/ungenießbaren Substanzen? Seite 19-11 Alkaloide – Pharmakologische Bedeutung Die Basizität der Alkaloide machte ihre Isolierung aus Pflanzen früh möglich (Erstisolierung von Morphin durch F.W. Sertürner, 1805), wobei auch heute noch einige als Arzneimittel verwendet werden. Die moderne Arzneimittelforschung sucht aber auch durch chemische Modifikation dieser Naturstoffe oder Neusynthese strukturähnliche Arzneistoffe zugänglich zu machen, die eine größere therapeutische Breite, reduzierte Nebenwirkungen oder billigere Verfügbarkeit besitzen. Quarternisierung des N-Atoms im Hyoscyamin und Scopolamin führt zu Derivaten, die die Blut-Hirn-Schranke schlecht überwinden und die daher im ZNS kaum wirksam sind. Ipratropiumbromid wird inhalativ zur Prophylaxe und Therapie bei chronisch-obstruktiver Bronchitis und Asthma bronchiale verwendet, wobei es im Unterschied zu Atropin weitgehend nebenwirkungsfrei ist. Starke Vereinfachung des Atropinmoleküls führte zu Substanzen vom Typ des Pethidins; sie haben die spasmolytische Qualität des natürlichen Vorbilds weitgehend zugunsten einer beträchtlichen Analgesie (Schmerzmittelwirkung) eingebüßt.* Ipratropiumbromid (Atrovent ® ) Pethidin (Dolantin ® O ) Scopolamin Br CH3 Br N-Butylscopolaminiumbromid (Buscopan ® ) Atrovent Buscopan Atropin aus Tollkirschen * Häufig haben – auch kleinere – strukturelle Veränderungen der Wirkstoffe drastische oder auch unerwartete Auswirkungen auf deren pharmakologische Eigenschaften (Wirkungsspektrum). Seite Morphin Emetin Atropin Colchicin Coffein Cinchonin Coniin Chinin Nicotin Berberin Aconitin Codein Harmin 19-12 Alkaloide – Pharmakologische Bedeutung Chelidonin 1805 1817 1819 1820 1820 1820 1824 1826 1827 1829 1831 1833 1833 1847 F. Sertürner P.J. Pelletier und F. Magendie R. Brandes P.J. Pelletier und J.B. Caventou F.F. Runge P.J. Pelletier und J.B. Caventou J.C. Goodefroy A.J. Giesocke P.J. Pelletier und J.B. Caventou W. Ponselt und R. Reinmann J.A. Buchner und Herberger P.L. Geiger und L. Hesse P.J. Robiquet K. Fritsche Opium Ipecacuanhawurzel Belladonnawurzel Samen der Herbstzeitlose Kaffeebohnen Chinarinde Chelidonium-majus-Wurzel Schierlingsfrüchte Chinarinde Tabakblätter Berberitze (Wurzelrinde) Aconiti tuber (Aconitumnapellus-Wurzelknollen) Opium Zwischen 1805 und 1850 entdeckten Alkaloide:* Natürliche Alkaloide, die heute in der Therapie angewendet werden:* Alkaloide Jahr Entdecker Droge / Herkunft Pflanzl. Wirkstoff Herkunft Anwendungsgebiet Atropin Chinin Chinidin Cocain Coffein Colchicin Emetin Ephedrin Ergotamin Kokain Morphin Physostigmin Pilocarpin Penicillin Reserpin Scopolamin Taxol Theophyllin Tollkirsche Chinarinde Chinarinde Kokastrauch Kaffeestrauch Herbstzeitlose Brechwurz Ephedrakraut Mutterkorn Kokastrauch Schlafmohn Calabarbohnen Jaborandiblätter Schimmelpilze Rauwolfia Nachtschatten Eibenrinde Teestrauch * Aus: R. Hänsel, O. Sticher (Hrsg.) (Hrsg.), Pharmakognosie – Phytopharmazie, 8. Aufl., Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2007, S. 1327. Parasympathikolytikum Malariamittel Antiarrhythmikum Lokalanästhetikum Analeptikum Gichtmittel Emetikum Antihypotonikum Migränemittel Lokalanästhetikum Analgetikum Cholinesterasehemmer Glaukommittel Antibiotikum Antihypertonikum Spasmolytikum Zytostatikum Bronchospasmolytikum Seite 19-13 Alkaloide – Reaktionsprinzipien der Biosynthese Grundlegende Reaktionen zur Bildung von Alkaloiden Die Strukturen der Alkaloide leiten sich von wenigen, grundlegenden Reaktionsprinzipien der Amine ab. In erster Linie gehören hierzu die Bildung von Iminiumsalzen (Amin + Carbonylverbindung ? Imine oder Enamine, siehe auch Kapitel 11) und weitere Folgereaktionen dieser Iminiumsalze mit anderen Nucleophilen unter Knüpfung weiterer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen (Aza-Aldol-analoge Mannich-Reaktionen, oder Kupplung mit elektronenreichen +M-substituierten Aromaten), die oft unter Cyclisierung (intramolekulare Reaktionen) verlaufen. Analoge Cyclisierungsprodukte werden auch über Säureamid-Zwischenstufen erhalten. Daneben treten häufig cyclisierende oxidative C-C-Kupplungen zwischen elektronenreichen Aromaten (Phenole, Aniline) auf. Bildung von Iminen: + H O N R N R H H2O H H HO N R Carbonyl primäre Amine [ H ] Halbaminal + H O N R N R R H2O R H HO N R H [ H ] Carbonyl sekundäre Amine Halbaminal Iminiumsalz Iminiumsalz Imin Enamin Seite 19-14 Alkaloide – Reaktionsprinzipien der Biosynthese Mannich-Reaktion (Amino-alkylierung) von C-H-aciden Verbindungen oder Kupplung mit Aromaten (z.B. Pictet-Spengler-Reaktion): Imin Iminiumsalz Enol Intramolekulare Cyclisierung von Carbonsäureamiden: Oxidative Kupplung von Phenolen: + [ O ] - H 2O elektronenreiche Aromaten Keto-Form HO OH ß-Aminocarbonyl-Verbindung - H 2O 19-15 Alkaloide – Reaktionsprinzipien der Biosynthese Transaminierung / nicht-oxid. Decarboxylierung zweifache Methylierung HO Dopamin NH 2 Imin-Bildung Ein interessantes Beispiel, das die oben beschriebenen Reaktionsprinzipien in einer Sequenz vereinigt, ist die Biosynthese des Isochinolin-Alkaloids Reticulin und dessen nachfolgende Umwandlung in Glaucin, wobei als Edukt insgesamt zwei Moleküle Tyrosin verwendet werden: Tryptophan (Aminosäure) COOH 4-Hydroxyphenylpyruvat H Glaucin Decarboxyl. / Hydroxylierung 4-Hydroxyacetaldehyd N H elektr. aromat. HO H Substitution H H - 2 [ H ] Iminiumsalz + Hydroxylierung (S)-(+)-Reticulin Anmerkung: Die Biosynthese von Dopamin aus Tyrosin beinhaltet die Hydroxylierung der Aminosäure durch O 2 und ein Fe-haltiges Enzym und die anschließende Pyridoxalphosphat (PLP) abhängige Decarboxylierung, die parallele Synthese von 4-OH-Acetaldehyd erfordert die PLP-abhängige Transaminierung und Thiaminpyrophosphat (TPP) nichtoxidative Decarboxylierung von Tyrosin; Methylierungen erfolgen mittels S N 2-Reaktion und S-Adenosylmethionin (SAM). * Siehe: http://www.genome.jp/kegg/pathway/map/map00950.html (S)-Norcoclaurin Seite 19-16 Alkaloide – Reaktionsprinzipien der Biosynthese Oxidative Kupplung von Phenolen bzw. Phenolaten: (S)-(+)-Reticulin - 2 H Glaucin S-Cys N N N Fe N (V) Häm-Eisen- Oxo-Komplex 2 2 Single-Electron-Transfer (SET) = Oxidation (- e ) abschließende Methylierungen zweimaliger SET S-Cys N Fe N (IV) zweifache Keto-Enol- Tautomerie Radikal- Rekombination ortho-para- Kupplung Anmerkung: Die oxidative Kupplung der Phenol-Einheiten erfolgt durch ein Cytochrom P 450 -abhängiges Enzym das einen Häm-Eisen-Oxo-Komplex enthält. Die aus den Phenolaten durch zwei Ein-Elektronen-Oxidationsschritte generierten Diradkale rekombinieren mit ortho-para-Regioselektivität, Tautomerisierung ergibt Glaucin.* * Unten wird gezeigt werden, dass letztendlich nur eine andere Regioselektivität (welche?) exakt dieser Kupplungsreaktion den Zugang zu anderen Alkaloiden (z.B. Morphin) eröffnet. Seite 19-17 Alkaloide – Reaktionsprinzipien der Biosynthese Die hier exemplarisch vorgestellte Synthese des Alkaloids Glaucin verläuft bis zur Stufe von (S)-(+)-Reticulin parallel zur Biosynthese der wichtigen Alkaloide Thebain, Codein und schließlich Morphin (siehe unten): Reticulin ist tatsächliche eine gemeinsame Zwischenstufe, von der aus sich die Synthesewege gabeln, obwohl die Strukturen von Reticulin, und Codein bzw. Morphin auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten aufzuweisen scheinen. Die verbleibenden Schritte der Biosynthese von Morphin werden unten diskutiert – hier sei nur gezeigt, dass die Natur Zwischenstufen verschieden weiter „verwertet“, und dass die beobachtete Strukturvielfalt oft nur auf wenigen Reaktionstypen beruht. (S)-(+)-Reticulin zehn Einzelschritte R = CH 3 R = H Auch hier geben wieder die entsprechenden Datenbanken gute Übersichten über unterschiedliche Stoffwechselwege, einschließich der zugehörigen Enzyme, Reaktionsgleichungen (Cofaktoren) und Strukturen der Edukte und Produkte:* Beispiel aus der KEGG Datenbank: "Alkaloid Biosynthesis 1" * Auszug aus der Datenbank KEGG: Kyoto Encyclopedia of Genes and Genomes: http://www.genome.jp/kegg/pathway/map/map00950.html Codein Morphin Seite 19-18 Alkaloide – Nomenklatur Nomenklatur Die Nomenklatur der Alkaloide ist sehr verwirrend, da die systematische IUPAC-Nomenklatur für die vielfach kondensierten Ringsysteme sehr schwer handhabbar wird. Für viele Alkaloid-Grundgerüste gibt es spezielle Nummerierungsschemata, die z.T. der Nomenklatur von Heterocyclen entstammen oder aber geeignet sind, biosynthetischer Zusammenhänge darzustellen (siehe z.B. auch die Nummerierung der Steroide in Kap. 18). Trivialbezeichnungen für Alkaloide enden meist mit dem Suffix -„in“ (engl.: -„ine“). die Trivialnamen selbst leiten sich sehr oft von den botanischen Gattungs- oder Artnamen der Herkunftspflanze ab: Papaverin, Nicotin, Hydrastin, Berberin, Atropin, Cocain usw. Auch andere Gesichtspunkte können zur Geltung kommen, so physikalische Eigenschaften beim Hygrin (Hygroskopizität) oder eine Wirkung beim Emetin (wirkt emetisch), nach einem Alkaloidchemiker ist das Pelletierin benannt. Da in einer Pflanze ein Hauptalkaloid in der Regel von mehreren Nebenalkaloiden begleitet wird, modifiziert man den Trivialnamen des Hauptalkaloids durch Anhängen eines Suffixes (Chinin ? Chinidin, Hydrastin ? Hydrastinin) oder durch Voranstellen eines Präfixes (Ephedrin ? Pseudoephedrin, Berberin ? Protoberberin) oder auch durch bloße Buchstabenmodifikation (Narcotin ? Cotarnin ? Tarconin oder Nicotin ? Cotinin). Isomere Basen bezeichnet man gerne mit Präfixen („Pseudo“-, „Iso“-, „Neo“-, „Epi“-, „Allo“- oder durch Symbole wie a-, ß-, ?- usw.). Für Alkaloide, die sich durch Fehlen einer N-Methylgruppe unterscheiden (N-CH3 ? N-H) wählt man bevorzugt das Präfix „Nor“- (Laudanosin ? Norlaudanosin, oder Nicotin ? Nornicotin).* Hygrin Emetin OCH 3 OCH 3 1 N H Yohimbin 6 5 7 4 N 2 3 21 H H 20 14 15 19 H 18 16 17 (Nummerierungsschema) Ephedrin Pseudoephedrin Nicotin statt: * Angepasst aus: R. Hänsel, O. Sticher (Hrsg.) (Hrsg.), Pharmakognosie – Phytopharmazie, 8. Aufl., Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2007, S. 1331. 3-(N-Methylpyrrolidin-2-yl)pyridin Nornicotin Seite 19-19 Alkaloide mit exocyclischen Stickstoff – Biogene Amine Biogene Amine 3,4-Dihydroxyphenylalanin Tryptophan 5-Hydroxytryptophan Dopamin (3,4-Dihydroxyphenylethylamin) Tryptamin 5-Hydroxytryptamin Gewebshormon Durch Decarboxylierung entstehen aus fast allen Aminosäuren mittels Pyridoxalphosphat-abhängigen Enzymen entsprechende Amine („biogene Amine“, streng genommen keine „echten“ Alkaloide und oft auch als Protoalkaloide bezeichnet), die vielfach als Gewebshormone, Neurotransmitter oder Bestandteile von Coenzymen wirken:* Bildung biogener Amine durch Decarboxylierung von a-Aminosäuren: a-Aminosäuren CO 2 "biogene Amine" Pyridoxalphosphat (PLP) abhängige Decarboxylasen Aminosauren Aspartat (in Mikroorganismen) Glutamat Ornithin Lysin Arginin Cystein (in Mikroorganismen) Methionin (als S- Adenosylmethionin) Serin Histidin Tyrosin Amin (Decarboxylierungsprodukt) ß-Alanin ?-Aminobutyrat (GABA) Putrescin Cadaverin Agmatin Cysteamin Methamin (Decarboxyliertes S- Adenosylmethionin) Ethanolamin Histamin Tyramin Bedeutung Bestandteil von Coenzym A (? Kap. 20) Überträgerstoff im ZNS Vorstufe der Polyamine Produkt von Mikroorganismen im Darm Möglicherweise Überträgerstoff im ZNS Bestandteil von Coenzym A (? Kap. 20) Propylamindonator bei der Polyaminbiosynthese Phospholipidbiosynthese Gewebehormon Produkt von Mikroorganismen im Darm Überträgerstoff im ZNS; Vorstufe bei der Katecholaminbiosynthese Produkt von Mikroorganismen im Darm und von Leber- und Nierenzellen * Aus: G. Löffler, P. E. Petrides, P. C. Heinrich (Hrsg.), Biochemie und Pathobiochemie, 8. Aufl., Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2007, S. 438; siehe auch Skript Kapitel 20 (Vitamin B 6 ). Seite 19-20 Alkaloide mit exocyclischen Stickstoff – Biogene Amine Das von Glutamat (Aminosäure Glutaminsäure) abgeleitete Decarboxylierungsprodukt ?-Aminobutyrat (GABA) stellt den wichtigsten inhibitorischen (hemmenden) Neurotransmitter im Zentralnervensystem (ZNS) dar. Strukturell verwandt – aber kein biogenes Amin – ist die ?-Hydroxybuttersäure (GHB) bzw. deren Lacton ?-Butyrolacton, die als „Liquid Ecstasy“ oder K.O.-Tropfen traurige „Berühmtheit erlangt haben. Das ausgehend von der Aminosäure Histidin gebildete Histamin stellt ein wichtiges Gewebshormon dar und fungiert als vielseitiger Mediator zellulärer Funktionen. Tryptophan und die Metabolite von Tryptamin beeinflussen Zellproliferation, Immunantwort und Transmitterfunktionen im Zentralnervensystem. Eine Vielzahl von verschiedenen Rezeptoren für Serotonin sind bekannt (5-HT-Rezeptoren), es wirkt insbesondere als Neurohormon (Neurotransmitter) im ZNS, gefäßaktiv im Herz-Kreislaufsystem und anregend im Magen-Darm-System. Melatonin wird in der Zirbeldrüse, im Darm und in der Netzhaut des Auges gebildet und zentral pulsatil (rhythmisch) unter dem Einfluss von Dunkelheit freigesetzt, wobei in der Nacht die Melatonin- Konzentration um den Faktor 10 ansteigt und tagsüber wieder abgesenkt (Steuerung des Tag-Nacht-Rythmus); Ein zu niedriger Melatoninspiegel kann mit Schlafstörungen einhergehen. R HN 2 ?-Aminobutyrat (GABA) NH 3 vgl.: ?-Hydroxybuttersäure (GHB) ?-Butyrolacton Histamin Im menschlichen Organismus wirkt Phenylethylamin (aus Phenylalanin) als körpereigenes Hormon, das u.a. für Glücksempfindungen mitverantwortlich ist (siehe Formelschema auf der nächsten Seite). Das Decarboxylierungsprodukt von Tyrosin, Tyramin wirkt als indirektes Sympathomimetikum (stimulierende Wirkung auf den Sympathikus als Teil des ZNS ? Erhöhung von Blutdruck und Herzfrequenz, Erweiterung der Atemwege, allgemeine Leistungssteigerung und erhöhter Energieverbrauch), wird jedoch bei oraler Gabe durch Oxygenasen rasch abgebaut und zeigt dann nur schwache Kreislaufwirkungen. NH 2 Tryptamin NH 2 R 1O R 1 = H R 1 = CH 3 R2 = H Serotonin R2 = COCH3 Melatonin Seite 19-21 Alkaloide mit exocyclischen Stickstoff – Biogene Amine Wichtige Folgeprodukte von Tyrosin und Tyramin sind L-Dopa und Dopamin. Nach Passieren der Blut-Hirn-Schranke erfolgt die Bildung von Dopamin aus L-Dopa, wo es seine pharmakologische Wirkung als biogenes Amin (Katecholamin) und wichtiger Neurotransmitter (Glückshormon) entfaltet. Bei Suchterkrankungen kommt Dopamin eine wichtige Rolle zu (rauschartige Ausschüttung von Endorphinen, Dopamin, Serotonin und GABA nach Drogenkonsum), wobei ein Teil der nachfolgenden Entzugssymptome auf Störung der Dopaminkonzentrationen zurückführbar sind. Phenylethylamin Phenylalanin Adrenalin Phenylalanin-Decarboxylase / aromat. Aminosäure-Decarboxylase NH 2 NH 3 Phenylalanin- 4-Hydroxylase S-Adenosylhomocystein N-Methyl- Transferase S-Adenosylmethionin HO Tyramin Tyrosin Noradrenalin Tyrosin-Decarboxylase / aromat. Aminosäure-Decarboxylase NH 2 NH 3 NH 2 Tyrosin- Hydroxylase Tyrosin-Dopa- Oxidase Dopaminß-Hydroxylase H 2O Dehydroascorbinsäure O 2 L-Ascorbinsäure HO aromat. Aminosäure- Decarboxylase L-Dopa Dopamin NH 3 NH 2 Seite 19-22 Synthetische Amphetamine Amphetamin ("Speed") (S)-(+)-Amphetamin (Dexamphetamin) NH 2 NH 2 (R)-(-)-Amphetamin (Levamphetamin) Methamphetamin (N-Methylamphetamin) NH 2 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA, "Ecstasy") Für die Bewältigung von Stresssituationen sind die Hormone (Katecholamine) Adrenalin und Noradrenalin von ganz besonderer Bedeutung (Formelschema auf der vorherigen Seite). Sie werden in adrenergen Nervenendigungen sowie im Nebennierenmark aus der Aminosäure Tyrosin synthetisiert. Sie verfügen über ein breites Wirkungsspektrum am Kreislaufsystem sowie auf den Stoffwechsel, das im Wesentlichen die Mobilisierung gespeicherter Substrate zum Ziel hat. Diese Vielfalt von Effekten kommt dadurch zustande, dass der Organismus über mindestens fünf unterschiedliche Katecholaminrezeptoren, die Adrenozeptoren, verfügt. Dem Phenylethylamin und Adrenalin stehen strukturell Amphetamin (alpha-Methylphenethylamin, Phenylisopropylamin) und dessen Derivate (Amphetamine, Ephedrine, usw.) nahe, wobei die namensgebende Stammverbindung Amphetamin selbst kein Naturstoff ist. Die Ampethamine (und Ephedrine) stellen eine Vielzahl psychotroper Substanzen dar, die häufig als illegale, weltweit-kontrollierte Drogen missbraucht werden (Amphetamin: „Speed“, „Pep“; 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin: MDMA, „Ecstasy“,* „XTC“), da sie als indirekte Sympathomimetika eine anregende, euphorisierende und stimulierende Wirkung auf das ZNS besitzen („Weckamine“). Der Name „Amphetamin“ bezeichnet das Racemat beider stereoisomerer Formen, wobei (S)-(+)-Amphetamin (= D- Amphethamin, Dexamphetamin) für die körperlich-peripheren Wirkungen (erweiterte Pupillen, Mundtrockenheit, vermehrte Schweissbildung), und (R)-(-)-Amphetamin (= L-Amphethamin, Levamphetamin) für die pyschotropen Effekte (Stimulation, Konzentrations- und Selbstbewußtseins-Steigerung, Appetithemmung) verantwortlich sind. „Verpackungsformen“ von Ecstasy * „Ecstasy“ (MDMA) ist – sowohl von der chemischen Struktur wie auch vom Wirkungsspektrum – zu unterscheiden von „Liquid Ecstasy“ (?-Hydroxybuttersäure, GABA, siehe oben). Seite 19-23 Synthetische Amphetamine* 2C-B (4-Brom-2,5-dimethoxyphenylethylamin) R 2 Name R 1 R 2 MDA MDMA MDE BDB MBDB OCH 3 NH 2 (para-Methoxyamphetamin) 3,4-Methylendioxyamphetamin 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin 3,4-Methylendioxy-N-ethylamphetamin 1-(1,3-Benzodioxol-5-yl)-2-butylamin N-Methyl-1-(1,3-Benzo-dioxol-5-yl)-2-butylamin NH 2 Amphetamin wurde 1887 erstmals synthetisiert und 1930 als Arzneimittel gegen Schnupfen auf den Markt gebracht. Seine psychostimulierende Wirkung führte dannach zur Entwicklung des stärker und länger wirkenden Methamphetamins, das zunächst gegen Leistungsschwäche und Lungenerkrankungen angewendet wurde, später auch von Soldaten zur Leistungssteigerung angewendet wurde. Neben MDMA haben eine ganze Reihe weiterer synthetischer Amphetamine („Speed“, „Crystal“, „Glass“) eine vergleichbare psychoaktive Wirkung. Vor allem Mitte/Ende der 1990er Jahre kamen mit der neuen Disco- und Partykultur häufig andere Wirkstoffe oder ganze Cocktails anderer Wirkstoffe in den als Ecstasy (MDMA, „XTC“, „Adam“ oder „Cadillac“) verkauften Tabletten vor. Dabei handelt es sich beispielsweise um MDE („Eve“), BDB, MBDB, das schwach halluzinogene MDA, das halluzinogene 2C-B oder das gefährliche PMA. Aufgrund des offensichtlich werdenden Suchtpotenzials und der Zunahme akuter Vergiftungserscheinungen und Amphetaminpsychosen wurden Verkauf und Verordnung von Amphetaminpräparaten weltweit zunehmend beschränkt. Derzeit enthalten die meisten der in Deutschland illegal verkauften Ecstasytabletten den Wirkstoff MDMA (1912 von der Darmstädter Firma E. Merck patentiert, zeitweilig als Appetitzügler und bis in die 90er Jahre als kommunikations- und kontaktfördernder Wirkstoff in der Psychotherapie eingesetzt). * Angepasst nach: Landesstelle Berlin für Suchtfragen e.V. – Amphetamine: http://www.landesstelle-berlin.de/e349/e482/e2662/e2664/index_ger.html Seite 19-24 Synthetische Amphetamine* Amphetamine werden vor allem in Pulver- oder Tablettenform geschluckt, wobei die Tabletten oder Kapseln häufig auch noch zusätzliche Wirkstoffe wie Coffein oder andere toxische Substanzen enthalten. Daneben werden die Substanzen auch geschnupft oder in die Mundschleimhäute eingerieben, was beides schneller und stärker wirkt. In gelöster Form werden Amphetamine auch intravenös injiziert. Aufgrund unterschiedlicher Wirkungsweisen werden Amphetamine in drei Gruppen unterteilt: Psychostimulantien (ZNS erregende Substanzen wie Amphetamin und Methamphetamin mit Auswirkungen auf Gefühls-, Stimmungs- und Erlebniswelten), Entaktogene (im Bereich der Emotionen psychotrope Verbindungen wie MDA, MDMA, MDE) und Halluzinogene (akustische und optische Wahrnehmungen hervorrufende Derivate wie z.B. DOM). Amphetamin setzt in den Nervenzellen des Gehirns die Neurotransmitter Dopamin und – in geringerem Ausmaß – auch Noradrenalin frei, während es in hohen Dosen – ebenso wie die entaktogen wirkenden Substanzen, z.B. Ecstasy – vor allem die Serotoninausschüttung aktiviert. Ecstasy, das zur Gruppe der Entaktogene gehört, löst 20 bis 60 Minuten nach der Einnahme vor allem ein inneres Glücksgefühl und friedliche Selbstakzeptanz hervor. Der Konsument fühlt sich angstfrei und empfindet ein verstärktes Selbstvertrauen. Der Abbau innerpsychischer Barrieren verbessert seine Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, ohne dass er die Selbstkontrolle verliert. Visuelle und akustische Eindrücke können intensiviert und die Berührungsempfindung gesteigert werden, während gleichzeitig Schmerzempfinden sowie Hunger- und Durstgefühle vermindert werden. Je nach Umgebung zieht sich der Konsument zurück oder wird – beispielsweise bei Tanzveranstaltungen – aktiv. Nach Abklingen der Wirkungen stellt sich ein Zustand körperlicher Erschöpfung ein, der unter Umständen von Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Depressionen und Angstzuständen begleitet wird. Zu den besonderen Risiken zählt die Unkenntnis über Reinheitsgehalt und Zusammensetzung der Drogen, so dass Intensität und Dauer der Wirkung nicht einschätzbar sind. Neben Vergiftungserscheinungen (Herztätigkeit, Blutdruck, starker und unkontrollierter Flüssigkeitsverlust durch Hyperaktivität) kann es zu unvermittelt ausbrechenden Aggressionen, Gewalttätigkeiten, Verfolgungswahn und Depressionen kommen. Besonders problematisch und riskant ist ein Mischkonsum, wenn neben Ecstasy auch Alkohol, Cannabis, Speed, LSD und andere Drogen konsumiert werden. Die vor allem schnell eintretende psyschische Amphetaminabhängigkeit geht oft einher mit zunehmendem körperlichen Verfall und einem Rückzug aus dem sozialen Umfeld (Amphetamin-Psychosen), dauerhafter Konsum führt zu irreparablen Schädigungen des Gehirns. Auch bildet Ecstasy eine Einstiegsdroge für die stärker wirksamen Psychostimulantien Amphetamin, Methamphetamin und Kokain. * Angepasst nach: Landesstelle Berlin für Suchtfragen e.V. – Amphetamine: http://www.landesstelle-berlin.de/e349/e482/e2662/e2664/index_ger.html Seite 19-25 Alkaloide mit exocyclischen Stickstoff – Ephedrine Ephedrine Pflanzen der Gattung Ephedra (Familie: Ephedraceae, etwa 40 Arten)* enthalten als vorherrschende Bestandteile der oberirdischen Pflanzenteile Alkaloide (Ephedrine) die chemisch mit der Struktur der synthetischen Amphetamine verwandt sind und als „Drogen“ im pharmakologischen Sinne, oder illegal als so genanntes „Bio-Ecstasy“ oder „Herbal Ecstasy“ (Drogen mit hohem Missbrauchspotential als Dopingmittel und als Appetitzügler, meist als aufputschende Mischung aus Guarana, Koffein, Ephedra und anderen Stoffen) verwendet werden. Diese Naturstoffe gehören der L-Ephedrinreihe mit (1R,2S)-Konfiguration (Ephedrin, Norephedrin und Methylephedrin) und der D- Pseudoephedrinreihe mit (1S,2S)-Konfiguration (Pseudoephedrin und Methylpseudoephedrin) an. Der Gehalt an Alkaloiden und deren Stereoisomeren schwankt in den einzelnen Arten (auch klimatisch oder jahreszeitlich bedingt) erheblich, und liegt im Allgemeinen bei etwa 1-2%. Weitere Inhaltsstoffe sind u.a. auch Ephedroxan, N-Methylbenzylamin und 2,3,5,6-Tetramethylpyrazin. Eine Abkochung aus nordamerikanischen E. nevadensis ist Ephedrin-frei (? originärer Mormonentee), der über das Internet häufig angebotene Ersatztee wird aber in der Regel aus Alkaloid-haltigen Ephedra- Arten gewonnen. Ephedra sinica (Meerträubel) Ephedra equisetina (-)-Ephedrin Norephedrin Methylephedrin Name R 1 R 2 Ephedroxan (2S) (1R) (3,4-Dimethyl-5-phenyloxazolidon) (2S) (1S) (+)-Pseudoephedrin Methylpseudoephedrin Name R 1 H3C N CH3 2,3,5,6-Tetramethylpyrazin * Ephedra gehört zu den nacktsamigen Gewächsen, es sind kleine xeromorphe (an Trockenheit angepasste) Sträucher, die im Erscheinungsbild an Schachtelhalme oder Ginster erinnern. Seite 19-26 Alkaloide mit exocyclischen Stickstoff – Ephedrine Die Ephedrine, ebenso das Cathinon (siehe unten), sind indirekte Sympathomimetika (Substanzen, die die Konzentration der physiologischen Transmitter im synaptischen Spalt erhöhen). In der Peripherie stehen im Vordergrund die Broncholyse (Bronchialerweiterndes Medikament zur Behandlung der Symptome asthmatischer Anfälle, sowie gegen Atemwegserkrankungen und starken Schnupfen) und die Gefäßkonstriktion (Verengung). Aufgrund seiner Lipophilie (fehlende phenolische OH-Gruppen im Vergleich zu den Amphetaminen) überwindet Ephedrin die Blut-Hirn-Schranke und löst schwache zentral stimulierende Wirkungen aus (Freisetzung von Dopamin und Serotonin ? Missbrauchspotential als „Partydroge“).* In den westlichen Ländern wird (–)-Ephedrin so gut wie nicht mehr durch Extraktion aus Ephedrakraut gewonnen, sondern voll- oder halbsynthetisch (fermentative Präcursor-Verfahren) durch stereoselektive Synthesen dargestellt (gemischte Acyloin-Reaktion von Benzaldehyd mit Acetaldehyd und reduktive Aminierung in Gegenwart von Methylamin; hier mechanistitisch nicht näher ausgeführt): Benzaldehyd Acyloin- Kondensation Reduktive Aminierung Imin + 2 [ H ] Partialsynthese von Ephedrin (–)-Ephedrin Der Verlauf der Ephedrin-Biosynthese (Formelschema auf der nächsten Seite) ist nicht genau geklärt, aber sie führt nicht wie vielleicht zu erwarten könnte über die Zwischenstufe von Phenylethylamin (? Decarboxylierung von Phenylalanin + ein fehlendes C-Atom der Ephedrin CH 3 -Gruppe); Auch stellt Phenylalanin offensichtlich nicht die Quelle des N-Atoms dar. Formal scheint die Biosynthese nach dem Schema Phenyl-C 1 -Einheit + C 2 (aus Pyruvat) + NH 4 + zu verlaufen. Phenylalanin scheint vielmehr eine indirekte Vorstufe darzustellen, indem es über die Stufe der Zimtsäure zum Benzoyl-S-CoA abgebaut wird, auf das anschließend ein C 2 -Baustein von Pyruvat unter Decarboxylierung übertragen wird (zur C 2 -Übertragung auf Elektrophile durch Thiaminpyrophosphat-abhängige Enzyme siehe Kapitel 20 – Vitamin B 1 ). Das resultierende 1,2-Diketon wird anscheinend zum (S)-(–)-Cathinon transaminiert (Glutamat als Donor der NH 2 -Gruppe?), nachfolgende Reduktion der Carbonylgruppe führt dan zu den Diastereomeren Norephedrin und Norpseudoephedrin; Abschließend ergibt die N-Methylierung die entsprechenden Ephedrine. * Angepasst aus: R. Hänsel, O. Sticher (Hrsg.) (Hrsg.), Pharmakognosie – Phytopharmazie, 8. Aufl., Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2007, S. 1471-1488. Seite 19-27 Alkaloide mit exocyclischen Stickstoff – Ephedrine Wahrscheinlicher Biosyntheseweg der Ephedrine: L-Phenylalanin NH 3 Ephedrin + Pseudoephedrin Cathinon COO Eliminierung S CoA und Retro-Claisen-Reaktion Reduktion (+ 2 [ H ]) und N-Methylierung Zimtsäure (S)-(–)-Cathinon NH 2 Abbau durch ß-Oxiation Thiaminpyrophosphatabhängiger C 2-Transfer Pyridoxal-P-abhängige Transaminierung 2-Ketobutyrat Glutamat (?) Das Kauen der Blätter und Triebspitzen von Catha edulis Forsk., einem Holzgewächs aus der Familie der Celastraceae das in Jemen, Äthiopien, Somalia, Kenia und Madagaskar kultiviert wird, stellt eine verbreitete Form des „Kat“-Konsums (oder „Khat“) dar. Der wirksame Bestandteil von Kat ist das oben als Zwischenstufe der Ephedrin-Biosynthese gezeigte Cathinon, dessen Wirkspektrum dem des Amphetamins ähneln. Katgebrauch erzeugt Abhängigkeit (Steigerung der Dopaminkonzentration in den Arealen des Belohnungssystems), periphere sympathomimetische Effekte sind Blutdruck- und Pulsanstieg sowie Herzrhythmusstörungen. (formal) Benzoyl-S-CoA Pyruvat - HS-CoA - CO 2 1,2-Diketon Kat-Strauch (Catha edulis) Seite 19-28 Alkaloide mit exocyclischen Stickstoff Mescalin Mescalin und verschiedene Derivate stellen die psychotrop wirkenden Alkaloide des mexikanischen Peyotl-Kaktus (griech.: lóphos, „Haarschopf“ und phórein, „tragen“; deutsch: „Büschelkaktus“) dar. Trotz der strukturellen Ähnlichkeit zu den Ephedrinen wirkt Mescalin ähnlich wie LSD (siehe unten), nur ca. um den Faktor 10.000 mal schwächer. Nach einem unangenehmen Vorstadium eines Alkoholkaters soll es zu lebhaften visuellen Eindrücken kommen (intensive Farbhalluzinationen, faszinierenden geometrischen Formen und Objekten). Capsaicinoide R1O 3 1 R 2O OCH 3 Name R 1 Mescalin 3-Desmethylmescalin 4-Desmethylmescalin NH 2 Peyotl-Kaktus (Lophophora williamsii) Paprika (auch Chilis und Perperoni) ist heute eine Sammelbezeichnung für verschiedene Capsicum-Arten, die im tropischen Amerika beheimatet sind und um 1500 von den Spaniern in Europa eingeführt wurden. Die aus den Früchten oder getrockneten Früchten hergestellten Gewürze enthalten eine Reihe von nicht-basichen Alkaloiden (siehe Formeln auf der nächsten Seite ? Säureamide!). Diese die Schärfe (? Schmerzempfindung)* von Paprika ausmachenden Capsaicinoide (Scharfstoffe, in der Hauptsache Capsaicin und Dihydrocapsaicin) werden begelitet von verschiedenen Carotinoiden, flüchtigen Aromastoffen und Ascorbinsäure. Die sehr hydrophoben und wasserunlöslichen Verbindungen werden nicht quantitativ resorbiert (? Redensart „Paprika brennt zweimal“). Capsaicin wirk stimulierend auf die Speichel- und Magensaftsekretion, Förderung der Schweißproduktion und erregt die Wärmeund Schmerzrezeptoren. Capsaicin-haltige Paprikaextrakte werden äußerlich als Pflaster, Salben und Einreibungen bei schmerzhaften Muskelverspannungen im Bereich der Wirbelsäule und Schulter-Arme angewendet, und sind Bestandteil von Cremes zur Förderung der Durchblutung und Steigerung der Reizempfindlichkeit im Genitalbereich. * Inhibition of Nociceptors by TRPV1-Mediated Entry of Impermeant Sodium Channel Blockers. A. M. Binshtok, B. P. Bean, C. J. Woolf, Nature 2007, 449, 607-610. Seite 19-29 Alkaloide mit Amid-artigem Stickstoff Piper-Alkaloide Pfeffer (Piper nigrum L.; Familie: Piperaceae) enthält 5–10% scharf schmeckende Säureamide (Piperin als Hauptkomponente). Schwarzer Pfeffer bezeichnet die ausgewachsenen, unreif geernteten und getrockneten Früchten, weißer Pfeffer wird aus den reifen roten Früchten oder aus schwarzem Pfeffer durch Schälung hergestellt, grüner Pfeffer bezeichnet die frischen unreifen und in Essig eingelegten Früchte. Piperin R = Capsaicinoide Piperanin (Dihydropiperin) Pipericid Homopipericid (n = 1) (n = 2) Capsaicin Dihydrocapsaicin Homocapsaicin Piperettin Piperolein A Homodihydrocapsaicin Nordihydrocapsaicin Paprika Paprika (Capsicum annuum) Pfeffer (Piper nigrum) Seite 19-30 Alkaloide mit Amid-artigem Stickstoff Theanin Bei Theanin handelt es sich um eine im Pflanzenreich erratisch (vereinzelt, lat.: erraticus, "umherirrend, verirrt") vorkommende, nichtproteinogene Aminosäure (N 5 -Ethyl-L-glutamin), die zuerst aus Teeblättern (Camellia sinensis) isoliert wurde, aber z.B. auch in anderen Kamelien (Camellia japonica) und in Pilzen wie dem Fruchtkörper des Maronenröhrlings Xerocomus badius vorkommt. Biogenetisch leitet sich Theanin von L-Glutamat und Ethylamin ab, wobei der letztere Baustein wahrscheinlich der Decarboxylierung von L-Alanin entspringt. Schwarzer Tee enthält 0.3–1.6%, grüner Tee ca. 0.5% Theanin. Der im Tierversuch beobachteten Abschwächung der Wirkung von Coffein durch Theanin soll es zu verdanken sein, dass Tee weniger anregend wirken soll, wenn man ihn länger „ziehen“ lässt: „Den Tee 3 Minuten (anregende Wirkung) oder 5 Minuten (beruhigende Wirkung) ziehen lassen“ (viele Tee- und Kaffeetrinker haben Schwierigkeiten, diese Regel selbst nachzuvollziehen). So senkt diese Aminosäure in höheren Dosen zum Beispiel den Blutdruck, beeinflusst die Konzentration verschiedener Botenstoffe im Gehirn und wirkt Coffeineffekten entgegen. In Japan, Korea und Taiwan werden Theanin enthaltende „Erfrischungsgetränke zur Entspannung“ und „entspannende Nahrungsergänzungsmittel“ in Kapselform angeboten, in der EU sind entsprechende Mittel bisher nicht zugelassen. Grüner Tee Teestrauch (Camellia sinensis) Kamelie (Camellia japonica) Maronenröhrling (Xerocomus badius) Theanin (N 5 -Ethyl-L-glutamin) NH 3 Seite 19-31 Biogene Amine Seite 19-32 Stoffwechsel der nicht essentiellen Aminosäuren AM = Aminierung DA = Desaminierung TA = Transaminierung* Biosynthese Abbau * Übersicht aus: G. Löffler, P. E. Petrides, P. C. Heinrich (Hrsg.), Biochemie und Pathobiochemie, 8. Aufl., Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2007, S. 440. Seite 19-33 Abbau der essentiellen Aminosäuren DA = Desaminierung TA = Transaminierung a-KS = a-Ketocarbonsäure* * Übersicht aus: G. Löffler, P. E. Petrides, P. C. Heinrich (Hrsg.), Biochemie und Pathobiochemie, 8. Aufl., Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2007, S. 441. Seite 19-34 Biosynthese der Androgen- und Östrogen-Steroide* Map 350 – Tyrosin Metabolismus * Auszug aus der Datenbank KEGG: Kyoto Encyclopedia of Genes and Genomes: http://www.genome.jp/kegg/pathway/map/map00150.html Seite 19-35 Biosynthese der Androgen- und Östrogen-Steroide* * Auszug aus der Datenbank KEGG: Kyoto Encyclopedia of Genes and Genomes: http://www.genome.jp/kegg/pathway/map/map00150.html